Siemens Combino

Siemens Combino
Combino in Erfurt
Combino der BVB in Basel
Combino in Augsburg
Combino in Amsterdam

Als Combino werden Niederflur-Straßenbahn-Triebwagen bezeichnet, die von Siemens-Duewag 1996 erstmals als Prototyp gebaut wurden.

Wegen ihres modularen Aufbaus mit standardisierten Bauteilen und des daraus resultierenden geringeren Preises galt der Combino als einer der erfolgreichsten Straßenbahn-Standardtypen. Rund 500 Fahrzeuge dieses Typs wurden in die Städte Amsterdam, Augsburg, Basel, Bern, Düsseldorf, Erfurt, Freiburg im Breisgau, Hiroshima, Melbourne, Nordhausen, Potsdam, Posen und Ulm verkauft. Ab 2004 brachte ein Konstruktionsfehler, der zu Pannen und Materialverschleiß führte, die Combinos in Verruf.

2007 wurde erstmals die neue Combino-Generation Combino Classic an die Stadt Bern verkauft. Eine Weiterentwicklung aus Edelstahl statt Aluminium, Combino Plus, wurde in Budapest und Almada verkauft. Seit 2009 wird dieses Modell unter dem neuen Namen Avenio vermarktet.

Inhaltsverzeichnis

Konzept

Combino der Freiburger Verkehrs AG

Der Combino wurde von Siemens Düsseldorf, ehemals Duewag AG, als Antwort auf den ständigen Preisdruck am Markt entwickelt. Die Entwicklung begann 1994. Ziel des innovativen Konzepts war die Umstellung von der oft maßgeschneiderten Kleinserie zu einer wesentlich ökonomischeren industriellen Großserien-Fertigung. Das Fahrzeug wurde als Modulsystem aus standardisierten Baugruppen konzipiert und sollte so alle Einsatzmöglichkeiten abdecken.

Der Combino ist in unterschiedlichen Längen, drei Wagenbreiten (2300, 2400, 2650 mm) und zwei Spurweiten, als Ein- oder Zweirichtungsfahrzeug, und als DuoCombino mit zusätzlichem Dieselantrieb lieferbar. Die aus Aluminium gebauten Fahrzeuge haben eine Länge von 19 Metern (Nordhausen) bis 43 Metern (Basel). Der aus Stahl gebaute Combino-Abkömmling NF12 für Budapest erreicht sogar eine Länge von 54 Metern.

Design

Grundlage des Designs waren sehr enge Zielvorgaben des Unternehmens, wie die Optimierung aller Baugruppen unter funktionalen, wirtschaftlichen und wartungstechnischen Gesichtspunkten. Beispiel sind die senkrechten flächigen Seitenwände. Das Design sollte die Ziele des Unternehmens unterstützen, prägnant sein und einen großen Kundenkreis ansprechen.

Das Design des ersten Combino wurde 1994-96 von dem Industrial Designer Werner Paulussen entwickelt. Zielsetzung war ein freundliches und funktionales Fahrzeugdesign mit hohem Wiedererkennungswert und optimierten ergonomischen Eigenschaften. Dazu gehörte auch eine blendfreie Zielanzeige und eine gute Sicht. Wartung und Lebenszyklus-Kosten waren weitere wichtige Faktoren bei der Gestaltung. Der Innenraum ist großzügig und hell gestaltet.

Paulussen-Design betreute das Projekt von 1994 bis 2009 und hat neben vielen Studien fünf unterschiedliche Fahrzeugköpfe für die Combino-Serie entwickelt. Die erste Serie kam in Potsdam, Augsburg, Freiburg, Basel, Nordhausen und Erfurt zum Einsatz. Die zweite Serie wurde für die Amsterdam Verkehrsbetriebe kompakter gestaltet. In Amsterdam werden 155 Fahrzeuge eingesetzt, weitere Fahrzeuge dieser Serie wurden nach Posen und Ulm geliefert. Für die acht Ulmer Fahrzeuge übernahm der Designer Busse die farbliche Anpassung. Die dritte Serie mit einem sehr geräumigen Fahrerraum fährt in Erfurt, Nordhausen, Freiburg, Melbourne, Budapest und Bern mit geänderter Bughaube. Für Freiburg wurde eine doppelte Zielanzeige aufgebracht. Die vierte Serie wird in Almada, Portugal eingesetzt. Die Combino Fahrzeuge in Budapest und Almada, Portugal sind Stahlfahrzeuge, die neuerdings den Namen Avenio erhalten haben. In Bern wurde im Dezember der neue Combino für Bernmobil in traditioneller Aluminiumbauweise mit einem komplett neu gestalteten Fahrzeugkopf von Paulussen Design und überarbeitetem Innenraum vorgestellt.

In Dalian, China, fährt ein Plagiat im angenäherten Combino-Design.[1]

Technik

Fahrwerk eines Combino für Meterspur
Führerstand eines Combino in Posen
Fahrgastraum eines Combino in Posen

Der Combino wurde in einer Aluminium-Schraubbauweise in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Alusuisse hergestellt. Die verschraubten Baugruppen aus Aluminium-Strangpress-Profilen erreichen eine gut lackierbare Oberfläche. Somit konnten gegenüber herkömmlicher Stahlbauweise Richt- und Spachtelarbeiten eingespart werden.

Der Combino besitzt keine Drehgestelle, sondern sogenannte Fahrwerke – die Räder werden in Fahrwerksrahmen gelagert, welche nicht drehbar unter den kurzen Waggonsegmenten angeordnet sind, die dann über Drehgelenke und Faltenbalg mit achslosen, längeren Waggonsegmenten verbunden sind. Die Räder sind nicht durch eine Achse verbunden, sondern einzeln gelagert und paarweise mit Längsmotoren angetrieben. Vorteil dieser Bauart ist der durchgehende Niederflur, der bequemes Einsteigen und Barrierefreiheit (für Rollstuhlfahrer und Kinderwagen) im gesamten Wagen erlaubt.

Dieses Konstruktionsprinzip hat aber auch besonders unruhige Laufeigenschaften zur Folge, da wegen der Einzelräder keine Selbstzentrierung im Gleis durch Sinuslauf erfolgt und außerdem die Gleisführung auch bei kleinen Richtungskorrekturen auf gerader Strecke unmittelbar auf das gesamte Wagenkasten des Laufwerksmoduls einwirkt und nicht nur auf ein Drehgestell wie bei konventioneller Bauform. Das bedeutet ein Zweiachsern vergleichbares Laufverhalten und einen erhöhten Verschleiß der Radreifen und des Gleises, selbst auf gerader Strecke. Diese Problematik ist bei vielen Niederflurstraßenbahnen zu beobachten. Die Verschleißwerte sind jedoch von vielen Parametern (Schienenmaterial, Unterbau, Gleiszustand, Fahrweise, Spurkranzschmierung, uvm.) abhängig, weshalb bei demselben Fahrzeugtyp je nach Einsatzort sehr unterschiedliche Werte erreicht werden können.

Die Modulbauweise der Combinos ist so ausgelegt, dass die Fahrzeuge theoretisch ohne großen Aufwand verlängert oder verkürzt werden könnten (bei zahlreichen Fahrzeugen von Bernmobil realisiert). So sind beispielsweise alle für ein Antriebsmodul nötigen Steuerungselemente direkt über diesem angeordnet, was insbesondere aufwändige Verkabelungsarbeiten vermeidet. In vielen Aspekten bietet das Fahrzeug auch Vorteile bei der regulären Wartung: So kann beispielsweise die Motor-/Getriebeeinheit seitlich entnommen werden, ohne den Wagen anheben zu müssen. Im Innenraum sind in den langen Modulen alle Sitze an der Seitenwand befestigt; der Boden ist dort frei von Stützen und kann leicht gereinigt werden, und die Sitzanordnung lässt sich durch Verschieben der Sitze auf der Befestigungsschiene bei Bedarf ohne große Umbauten anpassen.

Ursprünglich sah das Combinokonzept auch einachsige Endmodule vor - ein solches wurde aber nur am vierteiligen und fünfachsigen Prototypen realisiert und nicht weiterverfolgt.

Combino-Krise

Inzwischen zeigten sich Schwächen des Aluminium-Schraub-Systems: Bei den geschraubten Aluminium-Rahmen der Züge lösen sich Verbindungen, einige der Straßenbahnen zeigen Risse in den Verbindungen zwischen Dächern und Seitenwänden. Anfang 2004 lagen große Teile der Combino-Flotte still, weil Siemens Einstürze der Fahrzeug-Dächer oder fortschreitende Beschädigungen an den Seitenwänden nicht ausschließen konnte.[2][3][4] Siemens hatte daraufhin den Kunden, u. a. der Verkehrsbetrieb Potsdam GmbH, die Empfehlung gegeben, Combinos ab einer Laufleistung von 120.000 Kilometern nicht mehr zu betreiben.[2][5]

Infolge von Garantieansprüchen aus den Combino-Straßenbahnen verbuchte Siemens Transportation Systems im zweiten Quartal 2004 einen operativen Verlust von 289 Millionen Euro; die Sonderbelastungen wurden auf insgesamt 364 Millionen Euro beziffert.[6]

Mittlerweile ist bis auf einige stark beschädigte Wagen der allergrößte Teil der Combinos wieder im Einsatz. Als eine der Ursachen wurde inzwischen erkannt, dass die Entwicklungsingenieure bei der Berechnung der Wagenkästen auf Berechnungsformeln für klassische Hochflurfahrzeuge zurückgegriffen hatten. Dabei hatten sie vergessen, dass durch die Multigelenkbauweise von Niederflurfahrzeugen die überwiegend auf dem Dach montierte Ausrüstung und die fehlende Wankmöglichkeit der Wagenteile gegeneinander erhebliche Kräfte auf die Gesamtkonstruktion einwirken. Diese wurden allgemein unterschätzt und deren Übertragung und Wirkung innerhalb der Wagenkästen falsch berechnet. Auftretende Risse gefährdeten in der Folge die Stabilität der Konstruktion.

Nach Presseberichten heißt es, dass 450 der weltweit verkauften Combino-Straßenbahnen fast völlig neu aufgebaut werden müssen.[2][3] Zwar dementiert Siemens dies, dennoch hat der Konzern inzwischen rund 500 Millionen Euro Rückstellungen für diese Risiken gebildet. An einer Sanierung der Wagen arbeitet Siemens; die ersten vollsanierten Bahnen fahren in Amsterdam (hier wurde im August 2007 der 100. von 155 zu sanierenden Zügen ausgeliefert), Potsdam, Erfurt, Freiburg, Nordhausen und Posen. Als erste Combino-Flotte eines Betreibers ist die der Stadt Bern seit Anfang 2007 vollständig saniert. Im November 2009 wurde in Düsseldorf die letzte in Europa zu sanierende Bahn wieder in Betrieb genommen und damit die Ertüchtigung aller Combino-Straßenbahnen abgeschlossen.[7] Die sanierten Fahrzeuge zeichnen sich durch verbesserte Lastverteilung, Wankmöglichkeiten der Wagenkästen untereinander und in der Folge erheblich bessere Fahreigenschaften aus.

Einsatzorte

Bahnen des Typs Combino und Combino Plus sind international im Einsatz.

Übersicht

Stadt Betrieb Typ Baujahr Anzahl
Almada, Portugal Metro Sul do Tejo (MST) Combino Plus 2005-2007 24
Amsterdam, Niederlande Straßenbahn Amsterdam (GVB) Advanced 2002-2004 155
Augsburg Stadtwerke Augsburg Verkehrsgesellschaft mbH (StwA) NF8 2000-2004 41
Basel, Schweiz Basler Verkehrs-Betriebe BVB 2002 28
Bern, Schweiz Bernmobil (ehemalige Städtische Verkehrsbetriebe Bern) Be 4/6 Advanced 2003 15
Bern, Schweiz Bernmobil (ehemalige Städtische Verkehrsbetriebe Bern) Classic 2009-2010 21
Budapest, Ungarn Budapesti Közlekedési Részvénytársaság (BKV Rt.) Combino Plus 2003-2005 40
Düsseldorf Rheinbahn AG NF10 2000-2002 36
Düsseldorf Rheinbahn AG NF8 2003-2004 15
Düsseldorf Rheinbahn AG NF8U 2006-2007
2010-2012
15
39+22=61[8]
Erfurt Stadtbahn Erfurt (Erfurter Verkehrsbetriebe AG) Basic (5)
Advanced (5)
Advanced (3)
Classic (3)
2000
2002-2005
2002-2005
2011-
7
29
12
4+8=12[9]
Freiburg im Breisgau Freiburger Verkehrs AG (VAG) Basic
Advanced
1999–2000
2004–2006
8
10
Hiroshima, Japan Hiroshima Dentetsu 1999-2002 12
Kaohsiung, Taiwan (ehemalige Teststrecke) 1, heute 0
Melbourne, Australien Straßenbahn Melbourne (Yarra Trams) 2003 59
Nordhausen Straßenbahn Nordhausen (Stadtwerke Nordhausen) Basic (2)
Advanced (5)
2000
2002
7
Nordhausen Straßenbahn Nordhausen (Stadtwerke Nordhausen) Combino Duo 2004 3
Nordhausen Straßenbahn Nordhausen (Stadtwerke Nordhausen) Advanced (2) 2011 Bestellt 2
Posen, Polen Miejskie Przedsiębiorstwo Komunikacyjne w Poznaniu Sp. z o.o. 2004 14
Potsdam Verkehrsbetrieb Potsdam GmbH (ViP) 1998-2001 17
Ulm SWU Verkehr GmbH 2003/2008 10

Bilder (Bern, Düsseldorf, Erfurt, Ulm)

Potsdam

Combino in Potsdam

Die Verkehrsbetriebe der Stadt Potsdam schafften bereits 1997 – als erste Kommune weltweit – den Siemens Combino an. Bei der Einführung wurde die Barrierefreiheit der neuen Wagen hervorgehoben. Bis 2009 sollten insgesamt 48 Fahrzeuge angeschafft werden - vier Fahrzeuge pro Jahr. Die Bestellung aus Potsdam spielte in den ersten Jahren eine große Rolle bei PR-Aktionen in anderen Städten. Waren dort Neuanschaffungen geplant, wurden Fahrzeuge aus Potsdam dort zu Demonstrationszwecken vorgeführt. Allerdings wurden aufgrund von Finanzierungsproblemen seitens der Stadt nur 16 Fahrzeuge geliefert und es erfolgte 2002 bis 2004 ein Aufschub der Bestellung.

Aufgrund der Combino-Krise (Rückruf aller Combino Fahrzeuge zur Sanierung) wurde die Bestellung der noch ausstehenden 32 Fahrzeuge storniert. Die bestehende Combinoflotte wurde bis zum Dezember 2008 vollständig saniert. Als letztes wurde der Combinoprototyp mit der Betriebsnummer 400 durch Siemens saniert, um anschließend in den Fahrgastbetrieb übernommen zu werden.

Im Oktober 2008 bestellte der Verkehrsbetrieb 18 Variobahnen von Stadler. Ein Einspruchs von Siemens gegen die Vergabe dieses Auftrages an den Konkurrenten wurde im März 2009 abgewiesen.

Budapest

Combino Supra Budapest NF12B tram neben einer Ganz UV in Budapest

Für Budapest entwickelte Siemens den Combino Plus, einen Straßenbahnwagen, der zwar im Design stark den bisherigen Combino-Konstruktionen ähnelt, aber in einigen grundlegenden Punkten abweicht. Zum einen ist die Konstruktion nun aus Edelstahl statt Aluminium, zum anderen gibt es keine fahrwerklosen Module mehr. Das Fahrzeug ist mit 54 Metern Länge der zur Zeit längste Straßenbahnwagen der Welt und besteht aus sechs Elementen mit je einem Fahrwerk, die mit zwei unterschiedlichen Gelenkbauarten verbunden sind, wobei zwei der fünf Gelenke auch einen Querversatz der Wagenkästen zulassen. Im März 2006 wurde das erste Fahrzeug angeliefert. Der Name Combino Supra ist eine Bezeichnung der BKV. Der Einsatzbeginn in Budapest führte zu weiteren Herausforderungen in der Combino-Fahrzeugentwicklung. Selbst von Rückgabe der Trams wurde seitens der zuständigen Stellen gesprochen. Am 4. Mai 2007 wurde der 40. und damit letzte Zug aus dem Siemens-Werk in Wien beim Betreiber BKV Rt. angeliefert. Alle Fahrzeuge werden auf den Linien 4 und 6 eingesetzt.

Combino Duo in Nordhausen

Combino duo der Stadtwerke Nordhausen bei Niedersachswerfen

Bei der Straßenbahn Nordhausen wird auf einer zum Teil nichtelektrifizierten Strecke ein Combino duo genanntes Modell mit Hybridantrieb eingesetzt. Außerhalb der mit Oberleitung ausgestatteten Strecken werden die Fahrzeuge von einem 8-Zylinder-Pkw-Motor von BMW dieselelektrisch angetrieben. Wie die anderen Fahrzeuge der Straßenbahn Nordhausen sind diese Wagen nur dreiteilig und damit recht kurz, was ihnen den Spitznamen „Bambino“ einbrachte.

Literatur

Einzelnachweise

  1. http://www.paulussen.de/paulussen/combino%20plagiat.html Designauszeichnung PLAGIARIUS für das Plagiat der Combino Straßenbahn
  2. a b c Folgekosten des Straßenbahn-Debakels weiter unklar: "Combinos" werden für Siemens zum Bremsklotz Rheinische Post (vom 18. Mai 2004)
  3. a b Strassenbahn-Debakel: Siemens muss nachbessern Focus (vom 18. Mai 2004)
  4. Debakel für Siemens: Die Tram, die einzustürzen droht Süddeutsche Zeitung (vom 18. Mai 2004)
  5. Combino bleibt Problemfall Potsdamer Neueste Nachrichten (vom 8. Januar 2005)
  6. Meldung Siemens spürt Combino-Problem. In: Eisenbahn-Revue International, Heft 7/2004, ISSN 1421-2811, S. 324.
  7. Düsseldorfs Silberpfeile – die teuerste Reparatur aller Zeiten. NRZ (vom 28. November 2009)
  8. 39 ausgelieferte + 22 noch nicht ausgelieferte = 61 bestellte
  9. 4 ausgelieferte + 8 noch nicht ausgelieferte = 12 bestellte

Siehe auch

Weblinks


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