- Unerwünschtes Ereignis
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Ein Ereignis (v. althochdeutsch: irougen = vor Augen stellen, zeigen) findet immer dann statt, wenn sich etwas verändert.
Arten von Ereignissen
Allgemein
- Wahrnehmbares Ereignis
- Zufallsereignis
- Sicheres Ereignis, mit der mathematischen Wahrscheinlichkeit von 1
- Folgeereignis, das als Folge eines anderen Ereignisses auftritt
- Wiederkehrendes Ereignis
- Seltenes Ereignis
- Unmerkliches Ereignis (im Moment des Auftretens)
- Unmögliches Ereignis, mit der mathematischen Wahrscheinlichkeit von 0.
Kategorisch
- Geschichte machendes Ereignis
- Sensation
- Naturereignis
- Erlebnis
- Inneres Ereignis, psychisches Ereignis
Die Versuche anderer Einteilungen in ereignisarme und ereignisreiche Orte und Zeiten sind immer willkürlich, weil auf den Menschen zentriert, daher scheitern sie aufgrund ihrer inneren Widersprüchlichkeit.
Ereignis in der Ontologie
In der modernen Philosophie wird v.a. in zwei verschiedenen Kontexten von "Ereignis" gesprochen: zum ersten im Kontext der Kontinentalphilosophie bei Existentialisten und Phänomenologen, darunter z.B. Martin Heidegger und diverse französische Philosophen, z.B. auch im Poststrukturalismus. In dieser Verwendung meint Ereignis, Ereignishaftigkeit u.ä. einen singulären und instantanen Akt, der sich nicht unter Allgemeinbegriffe subsumieren lässt, aber in irgendeiner Weise konstitutiv ist für Sein, Handeln, Moral oder Erkennen. In einem zweiten Kontext, der systematischen Ontologie, wie sie v.a. im Anschluss an Klassiker der analytischen Ontologie betrieben wird, ist damit ein Objekt gemeint, das sich nicht wie ein Gegenstand, sondern wie ein Prozess verhält. Ereignisse in diesem Sinne werden meist nicht als instantan, sondern als zeitlich ausgedehnt verstanden. Von einigen Theoretikern wird dabei vertreten, dass im Grunde die gesamte Ontologie nicht auf Gegenständen, sondern Ereignissen fußen sollte, beispielsweise, indem argumentiert wird, dass eine wechselseitige Reduzierbarkeit besteht, man aber Ereignisse ohnehin für eine funktionierende Ontologie benötigt, und also ohne Gegenstände auskommt, oder, indem argumentiert wird, dass damit ontologische Probleme des qualitativen Wandels bei Objektpersistenz besser zu behandeln sind. Ein klassischer Vertreter einer solchen Ereignisontologie ist beispielsweise Alfred North Whitehead, ein jüngerer Klassiker Donald Davidson.
Ereignis in der Relativitätstheorie
In der Relativitätstheorie wird ein durch Ort und Zeit festgelegter Punkt der Raumzeit als Ereignis bezeichnet. Die gesamte Beschreibung der Realität fußt auf diesen Ereignissen - was für einige Interpreten eine Ereignisontologie begünstigt.
Ereignis in der Psychologie
Das Ereignis in der Psychologie ist die Erfahrung; das ist das im Gedächtnis registrierte und fortan verfügbare Geschehen einer Situation, in der ein Individuum lebt. Die Speicherung des Ereignisses ist subjektiv und damit im Gedächtnis die Grundlage für Lernprozesse, zum andern für die menschliche Entwicklung grundsätzlich. Diese Entwicklung (siehe Entwicklungspsychologie) ohne Erfahrung(en) (bzw. Ereignisse) ist nicht denkbar bzw. möglich (siehe Monotonie (Psychologie)). Ein menschlicher Organismus ist davon abhängig, Erfahrungen zu machen, insbesondere in der frühen Kindheit; andernfalls erleidet er (große und Existenz gefährdende) Schädigungen (siehe dazu René A. Spitz).
Ereignis in der Medizin
In der Medizin wird der Begriff Ereignis vorwiegend im Zusammenhang mit einem unerwünschten oder nachteiligen Geschehen im Rahmen einer Behandlung verwendet: man spricht dann häufig von einem unerwünschten Ereignis (UE). Vielfach findet man auch in der deutschsprachigen Literatur die englische Entsprechung »adverse event« oder »AE«.
Der Begriff des unerwünschten Ereignisses wird in zwei Bereichen der Medizin, der Arzneimittelforschung und der Qualitätssicherung, unterschiedlich definiert:
- Ein UE in der Qualitätssicherung ist ein schädliches Geschehen, das eher auf der Behandlung, denn auf der Erkrankung beruht.[1] Es kann vermeidbar oder unvermeidbar sein. Die Vermeidung und Verringerung von vermeidbaren unerwünschten Ereignissen (VUE) ist zentraler Bestandteil der Verbesserung der Patientensicherheit. UEs in der Qualitätssicherung können sowohl Patienten als auch Beschäftigte im Gesundheitswesen betreffen.[2]
- In der Arzneimittelforschung werden alle UEe während der Teilnahme an einer klinischen Studie, unabhängig von ihrem möglichen ursächlichen Zusammenhang oder dem Ausmaß ihres Schadens, aufgezeichnet. UEs werden nur für Probanden oder Patienten erfasst. Der Erfassungszeitraum beschränkt sich nicht auf die Dauer der eigentlichen Behandlung; er umfasst auch eventuelle Vorbereitungs- und Nachbeoachtungsperioden. Die Aufzeichnung enthält eine u. a. eine Einschätzung des behandelnden Arztes zum Zusammenhang mit der Behandlung sowie zur Ausprägung des UE. Die gesetzlichen Vorgaben legen fest, ob ein UE schwerwiegend oder nicht ist (siehe auch: Schwerwiegendes UE).[3]
Ein kritisches Ereignis ist in der Qualitätssicherung in der Medizin als ein Ereignis definiert, das zu einem unerwünschten Ereignis führen könnte oder dessen Wahrscheinlichkeit deutlich erhöht.[1]
Ereignis in der Chemie
Die Entdeckung einer chemischen Reaktion im Rahmen von labortechnischen Versuchsserien, bei denen chemische Bindungen ein bisher nicht existentes, neues Produkt hervorrufen.
Astronomisches Ereignis
Ein astronomisches Ereignis ist ein am Himmel zu einem bestimmten Zeitpunkt stattfindendes Phänomen. Manche astronomischen Ereignisse treten mit hoher Regelmäßigkeit ein, wie die Mondphasen. Andere astronomische Ereignisse unterliegen keinen direkten Periodizitäten, wie Okkultationen durch Planeten. Nicht alle astronomischen Ereignisse können vorausgesagt werden.
Ereignis in der Informatik
Unter einem Ereignis (englisch event) versteht man dasjenige was eine Aktion (Event-Handler-Programm) und damit eine Zustandsveränderung auslöst. Diese Ereignisse können Benutzereingaben (Mausklick, Taste, Spracheingabe, Geräteanschluss, …) oder Systemereignisse (Zeitpunkt, Fehler, Datenveränderung, Sensor, …) sein.
Ereignis bez. Veranstaltungen
Das Ereignis wird seit dem Jahrtausendwechsel in der englischen Version "Event" immer häufiger verwendet. Als Beispiele gelten Eventmanager, Eventtechniker, Eventsafety, Eventversicherung usw.. In der Gesamtheit haben die Begriffe immer die Herkunft des Ereignisses, wie es auf jeder Veranstaltung in teils gigantischen Ausmaßen vorkommt.
Siehe auch
- Kausalität, Hospitalismus, Veranstaltung, Handlung, Wahrnehmung, Ereignis (Programmierung), Ereignis (UML), Ereignis (Wahrscheinlichkeitstheorie)
Literatur
- Philosophische Ontologie
- Martin Heidegger: Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis), Gesamtausgabe III. Abt. Unveröffentliche Abhandlungen Vorträge - Gedachtes. Bd. 65., Klostermann-Verlag, 3. Auflage: Juli 2003, ISBN 3-465-03281-0
- Frank Hofmann: Die Metaphysik der Tatsachen, mentis 2008, ISBN 978-3-89785-610-3
- Kuno Lorenz: Ereignis, in: Mittelstraß (Hrsg.), Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, 2. Aufl. [2005], S. 358 - 360, ISBN 3-476-02012-6
- Uwe Meixner: Die Ersetzung der Substanzontologie durch die Ereignisontologie und deren Folgenfür das Selbstverständnis des Menschen, in: Rafael Hüntelmann (Hg.): Wirklichkeit und Sinnerfahrung – Grundfragen der Philosophie im 20. Jahrhundert. Röl, Dettelbach 1998 (LINDENTHAL-INSTITUT / Coloquium Köln1997), 86-103.
Psychologie
René A. Spitz: Hospitalismus I und II; in: Günther Bittner, Edda Harms: Erziehung in früher Kindheit, S. 89 -122; München 1985
Weblinks
- Roberto Casati und Achille Varzi: Eintrag in der Stanford Encyclopedia of Philosophy (englisch, inklusive Literaturangaben)
- Roberto Casati und Achille Varzi: Events - an Annotated Bibliography 1947 to 1997
- Susan Schneider: Eintrag in der Internet Encyclopedia of Philosophy (englisch, inklusive Literaturangaben)
- Zustandsdiagramm - Zustände und Ereignisse in Programmiersprachen
Einzelnachweise
- ↑ a b Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (2006): Glossar Patientensicherheit. Zugegriffen am 27. September 2008.
- ↑ Europarat (2006): Recommendation on management of patient safety and prevention of adverse events in health care. Zugegriffen am 27. September 2008.
- ↑ Bundesministerium der Justiz (2006): GCP-Verordnung vom 9. August 2004 (BGBl. I S. 2081), zuletzt geändert durch Artikel 4 der Verordnung vom 3. November 2006 (BGBl. I S. 2523). Zugegriffen am 28. August 2008.
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