- Unterhaltspflichtverletzung
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Die Verletzung der Unterhaltspflicht ist nach deutschem Strafrecht ein Vergehen, das nach § 170 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe, unter Umständen auch mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft werden kann.
Inhaltsverzeichnis
Gesetzestext
Die Vorschrift des § 170 StGB lautet wörtlich:
(1) Wer sich seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht entzieht, sodass der Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten gefährdet ist, oder ohne die Hilfe anderer gefährdet wäre, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Wer einer Schwangeren zum Unterhalt verpflichtet ist und ihr diesen Unterhalt in verwerflicher Weise vorenthält und dadurch den Schwangerschaftsabbruch bewirkt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Objektiver Tatbestand
Die objektiven Tatbestandsmerkmale des Grunddelikts nach § 170 Abs. 1 StGB sind das Vorliegen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht. Die Unterhaltspflicht setzt voraus, die verwandtschaftlichen Beziehung, der Leistungsfähigkeit des Täters und die Notlage des Unterhaltsgläubigers, nicht für den eigenen Unterhalt sorgen zu können. Das ist in der Regel bei minderjährigen Kindern der Fall. Auch unterhaltspflichtige Mütter können sich nach diesem Gesetz strafbar machen und werden in der Praxis bei einem Verstoß, wenn auch seltener bestraft.
Gesetzliche Unterhaltspflicht
Der Schutzbereich des § 170 StGB umfasst ausschließlich die gesetzlichen Unterhaltspflichten, sodass vertraglich begründete Pflichten ausscheiden.
Die verwandtschaftliche Beziehung muss sich aus sich aus dem Gesetz ergeben, oder, was vor allem bei nichtehelichen Vätern relevant ist, durch gerichtliche Entscheidung rechtskräftig festgestellt sein. In diesem Rahmen kommen Unterhaltspflichten gegenüber allen denkbaren Berechtigten in Betracht, also gegenüber dem Ehegatten oder dem Lebenspartner nach Auflösung der Lebenspartnerschaft, gegenüber Eltern sowie ehelichen oder nichtehelichen Kindern.
Leistungsfähigkeit
Die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners ist ein Tatbestandsmerkmal des zivilrechtlichen Unterhaltsanspruchs und wird oft unzutreffenderweise als "ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal" bezeichnet.
Leistungsfähig ist nur derjenige, der die geschuldete Leistung mindestens teilweise erbringen kann, ohne seine eigene Existenz oder die Ansprüche vorrangiger Unterhaltsgläubiger zu gefährden. Hierbei wird auf den familienrechtlichen Selbstbehalt nach den Unterhaltstabellen der einzelnen OLG Bezirke zurückgegriffen, die obwohl kein Gesetz, meist wie ein Gesetz angewandt werden.
Die Leistungsfähigkeit muss der Strafrichter in vollem Umfang feststellen. Der Strafrichter darf sich an die vom Familiengericht festgestellten Unterhaltspflichten leiten lassen, darf sie aber nicht ungeprüft übernehmen. Praktisch relevant ist dies vor allem dann, wenn die zivilrechtliche Verurteilung zur Leistung von Kindesunterhalt auf fiktive Einkünfte des Unterhaltsschuldners abstellt, oder, was bei einer Verurteilung in Höhe des Regelbedarfs nach der Regelbetragsverordnung möglich ist, in dem zivilrechtlichen Verfahren eine Beweislastumkehr stattgefunden hat, sodass dem Verurteilten fiktive Einkünfte zugerechnet wurden, die dieser zu erzielen tatsächlich gar nicht in der Lage war.
Da die Schuld und somit das Strafmaß auch wesentlich davon geprägt werden, in welchem Umfange der Täter leistungsfähig war, genügt hier auch keine allgemeine Feststellung, dass die Leistungsfähigkeit jedenfalls vorgelegen hat, sondern es wird in den meisten Fällen zu fordern sein, dass das Gericht den Sachverhalt so weit aufklärt, wie es erforderlich ist, um die Leistungsfähigkeit des Täters konkret beziffern zu können.
Sichentziehen
Die Tathandlung des "sich der Unterhaltspflicht Entziehens" wird am deutlichsten dadurch begangen, dass der Täter trotz bestehender Leistungsfähigkeit schlicht keinen Unterhalt zahlt.
Der Tatbestand kann jedoch auch dadurch verwirklicht werden, dass der Täter es unterlässt, Einkünfte zu erzielen, obwohl ihm dies zumutbar wäre, oder seine Leistungsunfähigkeit durch Aufgabe des Arbeitsplatzes, Nichtannahme von Arbeit oder auch Schenkungen an Dritte herbeiführt. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung muss bei der Bemessung fiktiver Einkünfte, dem Täter konkret aufgezeigt werden, welche Arbeits- und Einkommensmöglichkeiten er gehabt hätte.
Taterfolg
Durch die Unterhaltspflichtverletzung muss der Lebensbedarf des Berechtigten gefährdet sein. Eine Gefährdung liegt bereits nach dem Wortlaut des Gesetzes auch dann vor, wenn andere die Verpflichtung des Täters übernehmen müssen. Darüber hinaus ist eine Gefährdung auch dann gegeben, wenn der Berechtigte unangemessene eigene Anstrengung zur Sicherung seines Lebensbedarfs unternehmen muss.
Der Begriff des Lebensbedarfs stellt auf den regelmäßigen Bedarf, nicht auf einen bloßen Notbedarf ab. Hier wird wiederum auf den familienrechtlichen geschuldeten Unterhalt zurückgegriffen.
Subjektiver Tatbestand
Subjektiv setzt § 170 StGB hinsichtlich aller Merkmale des objektiven Tatbestands wenigstens bedingten Vorsatz voraus.
Problematisch ist hier die Frage, wie es zu werten ist, wenn der Täter sich im Irrtum darüber befindet, überhaupt Unterhalt zahlen zu müssen, weil er sich zum Beispiel nicht leistungsfähig hält. Während einige Stimmen in Rechtsprechung und Literatur hier lediglich einen Verbotsirrtum annehmen wollen, sodass eine Strafbarkeit gleichwohl möglich wäre, wenn der Täter die Entstehung dieses Irrtums hätte vermeiden können, geht die herrschende Meinung als auch die obergerichtliche Rechtsprechung von einem Tatbestandsirrtum aus, der den Vorsatz hinsichtlich der Tat entfallen lässt (§ 16 StGB) und somit zur Straffreiheit des Täters führt.
Qualifizierung
§ 170 Abs. 2 StGB enthält einen Qualifikationstatbestand für den Fall, dass Unterhaltsberechtigte eine Schwangere ist und der Täter durch die Nichterfüllung seiner Unterhaltspflicht den Abbruch der Schwangerschaft herbeiführt. Die praktische Bedeutung dieser Vorschrift ist vergleichsweise gering; in vielen Fällen dürfte vor allem die Kausalität der Unterhaltspflichtverletzung für den Schwangerschaftsabbruch nicht nachweisbar sein.
Rechtsfolgen
Das Gesetz sieht für die Tat Freiheitsstrafe oder Geldstrafe vor. In der Praxis erscheint die Sanktionierung indes oftmals nicht zufriedenstellend. Insbesondere führt die Verhängung einer Geldstrafe konkret dazu, dass die Mittel, aus denen der Täter Unterhalt leisten kann, noch weiter beschnitten werden, der Unterhaltsanspruch des Berechtigten also möglicherweise noch weiter gefährdet wird. Der zukünftig zu zahlende Unterhaltsverpflichtungsbetrag wird zwar aus zur Berechnung der Geldstrafenhöhe herausgerechnet, der Täter wird aber beschnitten, auf die bereits entstandenen Unterhaltsrückstände zu zahlen. Deswegen wird im Alltag dieser Verfahren oft selbst bei Ersttätern eine Freiheitsstrafe verhängt, die dann zur Bewährung ausgesetzt wird. Auch dieses Vorgehen ist jedoch bedenklich, insbesondere, weil die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen, also solcher von weniger als sechs Monaten, vom Gesetzgeber nur in zwei Ausnahmefällen, nämlich wenn dies zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich ist, zugelassen ist. Die Verknappung der Mittel durch die Geldstrafe zur Gewährleistung des Unterhalts, den das Gesetz schützen will, sieht das Gesetz als Ausnahmegrund nicht vor. Eine entsprechende Anwendung verbietet sich aus dem strafrechtlichen Analogieverbot, das im Grundgesetz in Art 103 Abs 1 GG, ohne Gesetz keine Strafe, verankert ist.
Ein möglicher Ausweg kann hier die Einstellung des Verfahrens nach dem Opportunitätsprinzip gegen die Auflage (§ 153a) StPO sein, dass der Täter monatlich für ein Jahr einen bestimmten Geldbetrag an den Unterhaltsberechtigten zahlt. Auflagen, wie den Unterhalt nach besten Kräften zu zahlen, kommen auch vor, sind aber seltener, da sie Schwierigkeiten bei der Überprüfung bereiten, ob die Auflage erfüllt wurde oder nicht. Auflagen in Höhe der zu erwartetenden Geldstrafe als Zahlung auf den Unterhaltsrückstand kommen in der Praxis auch vor.
Die Einstellung nach dieser Vorschrift setzt aber wegen der Auflagen die Zustimmung des Täters voraus.
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