Verbotsirrtum

Verbotsirrtum

Der Verbotsirrtum ist ein Irrtum des Täters über die Widerrechtlichkeit seiner Handlung. Ein Unterfall ist der Subsumtionsirrtum.

Der Verbotsirrtum ist im deutschen Strafrecht in § 17 Strafgesetzbuch (StGB) und in § 5 Wehrstrafgesetz (WStrG) geregelt. In gleicher Weise ist die Regelung im Ordnungswidrigkeitenrecht gefasst (§ 11 Abs. 2 OWiG).

§ 17 StGB lautet:

„Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB gemildert werden.“

In Österreich heißt der Verbotsirrtum Rechtsirrtum. Er ist in § 9Vorlage:§/Wartung/RIS-Suche öStGB normiert. In der Schweiz wird in Anlehnung an das frühere Recht ebenfalls von einem Rechtsirrtum gesprochen (Art. 21 StGB/Art. 17 MStG).[1]

Ein Verbotsirrtum liegt dann vor, wenn der Täter die Verbotsnorm nicht kennt, er sie für ungültig hält oder sie in der Weise falsch auslegt, dass er sein in Wahrheit verbotenes Handeln als rechtlich zulässig ansieht. Der Täter irrt also über die Rechtswidrigkeit der Tat in ihrer tatbestandsspezifischen Gestalt. Auf die Kenntnis eines bestimmten verletzten Gesetzes kommt es dabei nicht an.

Beispiel: Wenn ein Ausländer, der aufgrund eines umgeleiteten Fluges unerwartet in Deutschland landet und demnach keine Ahnung von den deutschen Gesetzen hat (und auch nicht haben muss, denn er wollte schließlich nicht nach Deutschland), etwas tut, was in Deutschland verboten ist, in anderen Staaten aber typischerweise erlaubt ist (z. B. Hakenkreuze offen tragen), handelt es sich um einen Verbotsirrtum, weil er nicht damit rechnen konnte, ein Gesetz zu brechen.

Ein Gegenstück zum Verbotsirrtum ist das Wahndelikt, auch umgekehrter Verbotsirrtum genannt.

Inhaltsverzeichnis

Vermeidbarkeit; Offensichtlichkeit

Ein Verbotsirrtum lässt die Schuld des Täters im Falle des § 17 StGB nur dann entfallen, wenn der Irrtum unvermeidbar war. Vermeidbar ist der Irrtum über die Widerrechtlichkeit dann, wenn das Unrecht für den Täter wie für jedermann leicht erkennbar war oder wenn sich der Täter mit den einschlägigen Vorschriften nicht bekannt gemacht hat, obwohl er seinem Beruf, seiner Beschäftigung oder sonst den Umständen nach dazu verpflichtet gewesen wäre (Beschaffung der erforderlichen Kenntnis z.B. durch Befragung eines Rechtsanwaltes).

Unvermeidbarkeit ist jedoch nur in eher ausgefallenen Konstellationen denkbar und kommt in der Praxis selten vor. Ein Beispiel war das erstinstanzliche Urteil im Mannesmann-Prozess. Der BGH widersprach dieser Entscheidung im Revisionsverfahren jedoch ausdrücklich. Auch im europäischen (sowie deutschen und österreichischen) Kartellrecht wird ein entschuldigender Rechtsirrtum nur sehr restriktiv anerkannt[2], so etwa im Fall Spediteurs-Sammelladungs-Konferenz.

Die strenge Regelung des § 17 StGB ist gerechtfertigt, weil der Täter die Kategorien von Recht und Unrecht nicht auseinanderhält; ihm fehlt die Kenntnis oder die Einsicht in das Unrecht. Anders ist die Regelung im Wehrstrafrecht: Begeht ein Soldat eine Straftat auf Befehl, ohne dass ein Befehlsnotstand vorliegt, so trifft ihn nur dann eine Schuld, wenn er erkennt, dass er eine strafbare Handlung ausführt oder dies nach den Umständen offensichtlich ist. Der Grund für die mildere Behandlung der auf Befehl handelnden Militärpersonen ist darin zu erblicken, dass ein Befehl, insbesondere im Felde, unverzüglich auszuführen ist und der Soldat nicht die Möglichkeit hat, sich im gleichen Maße wie ein Zivilist über die Rechtmäßigkeit seines Handelns Kenntnis zu verschaffen.

Das österreichische Recht spricht statt von Vermeidbarkeit von Vorwerfbarkeit, meint aber in der Sache dasselbe.

Abgrenzung

Im Gegensatz zum Tatbestandsirrtum (§ 16 StGB) irrt sich der Täter hier nicht über Umstände (Tatsachen und Rechtsvorschriften), welche einem Tatbestandmerkmal gehören, sondern über deren rechtliche Bewertung durch die Strafnorm. Der in Österreich und der Schweiz gebräuchliche Begriff des Rechtsirrtums ist für diese Abgrenzung nicht hilfreich, weil Irrtümer über Rechtsvorschriften, die zu einem Tatbestandmerkmal (normative Tatbestandmerkmale) gehören, keine Verbotsirrtümer (bzw. Rechtsirrtümer i.S.v. öStGB und CH-StGB) darstellen. Ein mit dem Verbotsirrtum verwandter Irrtum ist der Erlaubnisirrtum.

Einzelnachweise

  1. Im neuen Recht lauten die Randtitel der entsprechenden Normen (Art. 21 StGB/Art. 19 MStG) „Irrtum über die Rechtswidrigkeit“.
  2. Walter Brugger: Verbotsirrtum und Kartellrecht auf www.profbrugger.at, abgefragt am 10. Januar 2011

Siehe auch

Rechtshinweis Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten!

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Verbotsirrtum — Ver|bots|irr|tum 〈m. 2u〉 Irrtum darüber, ob ein Handeln od. Unterlassen verboten ist od. nicht * * * Ver|bots|irr|tum, der (Rechtsspr.): in der Verkennung des Verbotenseins einer eigenen Handlung bestehender Irrtum eines Täters. * * *… …   Universal-Lexikon

  • Verbotsirrtum — strafrechtlicher Begriff: ⇡ Irrtum über die ⇡ Rechtswidrigkeit eines Tuns oder Unterlassens. Ist der V. unvermeidbar, entfällt eine Strafbarkeit. Bei Vermeidbarkeit des V. kann die Strafe gemildert werden (§ 17 StGB) …   Lexikon der Economics

  • Gebotsirrtum — Der Verbotsirrtum ist ein Irrtum des Täters über die Widerrechtlichkeit seiner Handlung. Nimmt der Täter die Strafbarkeit seiner Handlung an, obwohl diese in Wahrheit nicht strafbar ist, spricht man von einem Wahndelikt. Der Verbotsirrtum ist im… …   Deutsch Wikipedia

  • Rechtsirrtum — Der Verbotsirrtum ist ein Irrtum des Täters über die Widerrechtlichkeit seiner Handlung. Nimmt der Täter die Strafbarkeit seiner Handlung an, obwohl diese in Wahrheit nicht strafbar ist, spricht man von einem Wahndelikt. Der Verbotsirrtum ist im… …   Deutsch Wikipedia

  • Erlaubnistatumstandsirrtum — Der Erlaubnistatbestandsirrtum ist ein terminus technicus des deutschen Strafrechts. Der Täter hält irrig Umstände für gegeben, die, sollten sie tatsächlich vorliegen, die tatbestandlichen Voraussetzungen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes… …   Deutsch Wikipedia

  • Subsumtionsirrtum — Der Subsumtionsirrtum ist ein Begriff aus dem deutschen Strafrecht. Er ist ein Unterfall des Verbotsirrtums nach § 17 StGB. Mit dem Subsumtionsirrtum werden Fälle bezeichnet, in denen der Täter bei der Begehung eines Delikts ein… …   Deutsch Wikipedia

  • Irrtum — Versehen; Inkorrektheit; Lapsus (umgangssprachlich); Missgriff; Flüchtigkeitsfehler; Schnitzer (umgangssprachlich); Patzer (umgangssprachlich); Fehler; …   Universal-Lexikon

  • Erlaubnistatbestandsirrtum — Der Erlaubnistatbestandsirrtum ist ein terminus technicus des deutschen Strafrechts. Der Täter hält irrig Umstände für gegeben, die, sollten sie tatsächlich vorliegen, die tatbestandlichen Voraussetzungen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes… …   Deutsch Wikipedia

  • Ignorantia iuris nocet — Ignorantia legis bezeichnet einen Irrtum über das Bestehen oder den Inhalt einer Rechtsnorm. Im strafrechtlichen Zusammenhang geht es dabei insbesondere um den sogenannten Verbotsirrtum, also die Unkenntnis der Rechtswidrigkeit bzw. Strafbarkeit… …   Deutsch Wikipedia

  • Ignorantia legis — bezeichnet einen Irrtum über das Bestehen oder den Inhalt einer Rechtsnorm. Im strafrechtlichen Zusammenhang geht es dabei insbesondere um den sogenannten Verbotsirrtum, also die Unkenntnis der Rechtswidrigkeit bzw. Strafbarkeit eigenen… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”