- Unterhebelrepetierer
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Ein Unterhebelrepetierer (engl.: lever-action rifle) ist eine Schusswaffe, die durch einen Hebel unter dem Gewehrkolben durchgeladen wird. Dies war vor allem in Amerika eine gebräuchliche Form des Mehrladegewehres, während in Europa Repetiergewehre mit einem Kammerstängel üblich sind.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Erste Merkmale eines Unterhebelrepetierers finden sich 1848 im Experimentalmodell von Walter Hunt, gebaut durch Firma Hunt & Jennings in Vermont. [1] Hunts Perkussionsschloss-Gewehr, der "Volitional Repeater", verwendete hülsenlose Patronen, die "Rocket Ball". Ähnlich dem Minié-Geschoss war die "Rocket Ball" hohl, aber der Innernraum war mit Schwarzpulver gefüllt; das Anzündhütchen war aber nicht in die Patrone integriert. [2]
Horace Smith und Daniel Wesson (Smith & Wesson) entwickelten um 1852 ein Gewehr, welches auf dem "Volitional Repeater" basierte. Der Kniegelenk-Verschlussmechanismus entsprach bereits den späteren Henry- und Winchester-Gewehren. Es verschoss wie die späteren um 1855 von Winchester hergestellten Volcanic-Pistolen und Gewehre eine hülsenlose Munition, bei der die Zünd- und Treibladung direkt im hinten hohlen Geschoss eingepresst war. Da hülsenlose Munition wegen fehlender Liderung zu Gasverlusten führt und das geringe Volumen im Geschoss nur eine ungenügende Pulverladung erlaubt, waren die Volcanic-Waffen ballistisch den Vorderladern unterlegen.
Erst die von Benjamin Tyler Henry entwickelte .44 Henry-Patrone mit einer Hülse zur Aufnahme des Pulvers und das dafür weiterentwickelte Henry-Gewehr wurden vom Markt angenommen und konnten sich durchsetzen. Obschon die 16-schüssige Henry keine Ordonnanzwaffe der U.S. Armee war, erwarb die Armeeführung der Nordstaaten über 1700 Henrygewehre zur Ausrüstung spezieller Einheiten. Zudem wurden solche von vielen Unions-Soldaten auf eigene Rechnung im amerikanischen Bürgerkrieg eingesetzt und von den oft noch mit Vorderladern bewaffneten Südstaaten-Soldaten als "das verdammte Yankee-Gewehr, das am Sonntag geladen wird und die ganze Woche schießt" bezeichnet.
Ein anderes in diesem Krieg eingesetztes Unterhebel-Gewehr wurde 1860 von Christopher Spencer gebaut und ist als Spencer repeating rifle im Kaliber .50 und .56 bekannt geworden. Es hat ein Röhrenmagazin mit 7 Schuss im Kolben und einen außenliegenden Hahn, der vor jedem Abfeuern von Hand gespannt werden muss.
Der eigentliche Durchbruch gelang Oliver Winchester in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit Konstrukteuren wie Benjamin Tyler Henry (1860) und John Moses Browning (1886), die die als Winchester-Gewehr bekannt gewordenen Unterhebelrepetierer entwickelten. Insgesamt wurden über 7 Mio. Winchester "Lever-Actions" hergestellt. Die Firma gab im Jahr 2006 bekannt, dass die Produktion dieser Gewehre, insbesondere des Modells 94, nach über 100 Jahren eingestellt würde. Heute bieten noch Firmen wie die Marlin Firearms Company und Sturm, Ruger & Company solche traditionellen Repetierer eigener Entwicklung an. Der von Marlin entwickelte Verschluss mit geschlossenem Gehäuse und massiverem Verschlussblock ist in seiner größeren Version auch zum Verschießen erheblich stärkerer Kaliber wie .45-70 Government oder .444 Marlin geeignet. In Italien werden noch heute Nachbauten der bekanntesten Winchester-Gewehre hergestellt.
Es gibt auch Flinten mit Unterhebel-Lademechanismus, zum Beispiel Winchester Model 1887 Lever Action Shotgun und Model 1901 im Kaliber 12 und im größeren Kaliber 10, diese sind aber bei weitem nicht so verbreitet wie Vorderschaftrepetierflinten.
Unterhebelrepetierer werden heute noch hergestellt und zur Jagd verwendet.
Ladezyklus
Der Unterhebelrepetierer wird durch eine Vor- und Zurückbewegung des Ladehebels durchgeladen. Bei der Vorwärtsbewegung wird der Verschluss entriegelt und nach hinten gezogen. Die leere Hülse wird dabei aus der Patronenkammer gezogen, ausgeworfen, und gleichzeitig wird eine neue Patrone vor die Kammer gebracht. Bei der Rückwärtsbewegung des Hebels wird die neue Patrone vom vorlaufenden Verschluss in die Kammer geschoben. In der letzten Phase wird der Verschluss verriegelt, was bei den Winchester-Modellen 1860/66/73 und 76 durch ein Kniegelenk geschah, bei den Modellen 1886/92/94/95 durch einen Keil.
Magazin und Munition
Typisch für die zuerst angebotenen Unterhebelrepetierer war das röhrenförmige Magazin unterhalb des Laufes. Das Magazin wird durch eine Ladeöffnung oder -klappe rechts am Gewehr befüllt, die mit einer Führungsrille versehen ist. Im Magazin lagern die Patronen hintereinander, jeweils mit dem Patronenboden auf dem Geschoss der vorigen Patrone. Ursprünglich wurden Unterhebelrepetierer mit Randfeuermunition geladen, ab 1873 mit Zentralfeuerpatronen im amerikanischen Kaliber .44-40 WCF,.38-40 WCF und .32-20 WCF, so dass für Revolver (besonders den ebenfalls 1873 eingeführten Colt „Peacemaker“) und Gewehr dieselbe Munition verwendet werden konnte. Eine heute für Unterhebel-Gewehre übliche Munition ist die Jagdpatrone .30-30 Winchester. Die Röhrenmagazine sind für Munition mit Spitzgeschossen nicht geeignet, da die Gefahr von Selbstzündung besteht. Zudem verändert sich der Schwerpunkt der Waffe beim Schießen, was sich auf die Präzision ungünstig auswirkt.
Winchester und Savage entwickelten deshalb in den Neunzigerjahren des neunzehnten Jahrhunderts Unterhebelrepetierer mit Kastenmagazin, bei Savage wurden die Patronen wie beim Krag-Jorgensen- und Mannlicher-Schönauer-Magazin zugeführt.
1895 kam die Winchester Model 1895 Rifle auf den Markt, welche ein Kastenmagazin hatte und Spitzpatronen verschoss. Die Waffe wurde als Großwild-Jagdwaffe, Infanteriegewehr und Militärkarabiner hergestellt. Die Russische Armee kaufte 1915–16 über 290.000 dieser Waffen im Militärkaliber 7.62 Russian. Der Karabiner mit 22-Zoll-Lauf in den amerikanischen Armeekalibern wurde von den Texas Rangers (Polizei), die ihre Waffen selber stellten, und anderen Polizeieinheiten eingesetzt. Der berühmteste Besitzer einer Winchester Mod 95 war der Großwildjäger und spätere amerikanische Präsident Theodore Roosevelt.
Vorteile des Systems
Der wesentliche Vorteil des Unterhebelrepetierers liegt darin, dass er, ohne losgelassen zu werden, nachgeladen werden kann. Dies ist zu Pferd besonders wichtig. Auch beim Stehendschießen muss die Waffe nicht von der Schulter genommen werden, was die Feuergeschwindigkeit wesentlich erhöht. Vor der Entwicklung der Selbstladegewehre waren deshalb die Unterhebelrepetierer mit den Vorderschaftrepetierern die Gewehre mit der schnellsten Feuerfolge.
Siehe auch
Literatur
- George Madis: The Winchester Handbook. Art & Reference House, Brownsboro TX 1981, ISBN 0-910156-04-2.
- George Madis: The Winchester Book. Taylor Publishing Company, Dallas TX 1971, ISBN 0-910156-03-4.
Einzelnachweise
- ↑ Norm Flayderman: Flayderman's Guide to Antique American Firearms and Their Values. Krause Publications, Iola WI 2001, ISBN 0-87349-313-3, S. 180.
- ↑ Roger Pauly: Firearms. The Life Story of a Technology. Greenwood Press, Westport CT u. a. 2004, ISBN 0-313-32796-3, [1] S. 97.
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