Untätigkeitsklage

Untätigkeitsklage

Die Untätigkeitsklage ist eine besondere Form der Klage. Sie existiert nur in den drei Verwaltungsprozessordnungen. Sie eröffnet den Rechtsweg vor die Gerichte, obwohl das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, wenn die Verwaltung über einen Widerspruch oder Einspruch ohne hinreichenden Grund in angemessener Frist nicht entscheidet. Der Verwaltung soll damit die Möglichkeit genommen werden, Klagen der Bürger durch langes Warten zu verhindern bzw. zu verzögern.

Inhaltsverzeichnis

Verwaltungsgerichtliche Untätigkeitsklage

Sie ist nach § 75 VwGO keine eigene Klageart. Sie bezeichnet vielmehr den Fall, dass die Behörde auf einen zulässigen Widerspruch oder Antrag nicht innerhalb einer angemessenen Frist reagiert. In der Regel ist dafür gemäß § 75 S. 2 VwGO mindestens der Ablauf von drei Monaten notwendig.

Gemäß § 75 S. 1 VwGO ist die Klage bei Verstreichen dieser Frist im Widerspruchsverfahren ohne Durchführung eines Vorverfahrens zulässig. Daneben kann als Rechtsmittel gegen Untätigkeit auch eine einstweilige Anordnung in Betracht kommen, der Rechtsweg ist hierbei jedoch beschränkt.

Soweit § 42a Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) eingreift, also die Genehmigung bei Untätigkeit der Behörde fingiert wird, hat § 75 VwGO keine Bedeutung.

Sozialgerichtliche Untätigkeitsklage

Im Sozialrecht ist als spezialgesetzliche Norm § 88 SGG einschlägig. Die Frist beträgt derzeit sechs Monate für den Bescheid und drei Monate für den Widerspruchsbescheid. Außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Wenn z.B. die Miete nicht mehr bezahlt werden kann oder keine Mittel zur Ernährung zur Verfügung stehen.

Daneben kann als Rechtsschutz auch eine einstweilige Anordnung in Betracht kommen und dann beim jeweiligen Sozialgericht erhoben werden, wenn man der Annahme ist, dass der zur Zahlung Verpflichtete (In der Regel der kommunale Träger: Job-Center, Landkreis), den auszuzahlenden Betrag bewusst verzögert oder verhindert und nur 66 bis 90 Prozent der Regelleistung oder weniger für die Bedarfsgemeinschaft aktuell zur Verfügung stehen.

Finanzgerichtliche Untätigkeitsklage

Die Untätigkeitsklage ist im finanzgerichtlichen Verfahren keine eigene Klageart. Sie ist vielmehr eine Anfechtungsklage oder eine Verpflichtungsklage (§ 40 FGO), die abweichend von § 44 FGO ohne abgeschlossenes Vorverfahren zulässig ist (§ 46 FGO). Voraussetzung der Untätigkeitsklage ist deshalb ein begonnenes, aber nicht abgeschlossenes Einspruchsverfahren. Ihr Ziel ist es aber nicht, das Finanzamt zu zwingen, eine Einspruchsentscheidung zu erlassen. Vielmehr begibt sich das Finanzamt durch Untätigkeit, der Möglichkeit seine eigene Entscheidung im Einspruchsverfahren zu korrigieren und eröffnet dem Einspruchsführer den Weg vor das Finanzgericht. Deshalb ist es besser, die Untätigkeitsklage als Anfechtungsklage bzw. Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage zu bezeichnen.

Anfechtungsklage als Untätigkeitsklage

Diese Untätigkeitsklage ist zulässig, wenn Einspruch gegen einen Verwaltungsakt eingelegt wurde und über diesen Einspruch nicht in angemessener Frist sachlich entschieden wurde (§ 46 FGO). Dabei hängen hier Frist und Grund zusammen. Nicht jeder sachliche Grund kann eine beliebige Verlängerung der Frist herbeiführen. Das Gesetz schreibt aber eine Mindestfrist von sechs Monaten vor, die aber aus besonderen Gründen auch überschritten werden kann (vgl. z. B. Bundesfinanzhof vom 7. März 2006, VI B 78/04 [1]).

Verfahren

Das Finanzgericht setzt gem. § 46 FGO Abs. 2 FGO in den Fällen der Anfechtungsklagen dem Finanzamt eine Frist, über die Sache zu entscheiden. Wird über diese Sache innerhalb der Frist entschieden, so gibt es zwei Möglichkeiten:

  • entweder das Finanzamt hilft ab und erlässt den erwünschten Verwaltungsakt, dann erledigt sich der Rechtsstreit in der Hauptsache und die Kosten sind dem Finanzamt aufzuerlegen (§ 138 FGO Abs. 2 FGO)
  • oder das Finanzamt erlässt eine Einspruchsentscheidung. In diesem Fall wird aus der Untätigkeitsklage eine ganz normale Anfechtungsklage, denn nun ist das Vorverfahren ja abgeschlossen (vgl. Bundesfinanzhof vom 19. April 2007, V R 48/04 [2]).

Drittens kann das Finanzamt weiter untätig bleiben. Dann ist die Untätigkeitsklage endgültig zulässig und das Gericht entscheidet in der Hauptsache.

Verpflichtungsklage als Untätigkeitsklage

Auch die Verpflichtungsklage kann als Untätigkeitsklage erhoben werden. Wird ein Antrag abgelehnt und dann der Einspruch dagegen nicht bearbeitet, dann kann die Verpflichtungsklage erhoben werden, obwohl das Vorverfahren nicht abgeschlossen ist. Die Verpflichtungsklage als Untätigkeitsklage darf nicht mit dem Untätigkeitseinspruch verwechselt werden (§ 347 Abs. 1 Satz 2 AO). Dieser ist gegeben, wenn das Finanzamt über einen Antrag nicht entscheidet, die Untätigkeitsklage, wenn es über einen Einspruch nicht entscheidet. Es ist auch die doppelte Untätigkeit des Finanzamtes denkbar, die erst einen Untätigkeitseinspruch und dann eine Untätigkeitsklage erlaubt (vgl. Bundesfinanzhof vom 28. Juni 2006, I R 97/05 [3]).

Weblinks Sozialrecht

Literatur

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