- Bauer Giles von Ham
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Bauer Giles von Ham (englischer Originaltitel: Farmer Giles of Ham) ist ein Werk von J. R. R. Tolkien, das der Literaturgattung der Kunstmärchen zuzurechnen ist. Erschienen ist es erstmals 1949 im Verlag George Allen & Unwin, geschrieben wurde es jedoch schon um 1937.
Inhalt
Der gutmütige, bauernschlaue, jedoch nicht allzu mutige Bauer Giles von Ham vertreibt mehr durch Zufall als durch Mut oder Können einen Riesen, der sich verlaufen hat, von seinem Grundstück. Daraufhin wird er durch Mundpropaganda zum Helden stilisiert. Als sein Lehnsherr, der König des „Mittleren Königreiches“ in Bedrängnis gerät, weil ein alter und verschlagener Drache namens Chrysophylax sein Reich heimsucht, wird er von diesem gezwungen, die königlichen Ritter zum Kampf mit dem Drachen zu begleiten. Die Ritter fliehen jedoch alle im entscheidenden Moment, so dass sich Giles dem Drachen alleine gegenüber sieht. Wiederum schafft er es mit einer gehörigen Portion Glück, seiner Schläue und nicht zuletzt mit Hilfe seines Drachentöters (einem Geschenk des Königs für die Vertreibung des Riesen), den Drachen dingfest zu machen und einen Teil seines Schatzes an sich zu bringen. Als der König davon erfährt und sich in seiner Gier den Schatz unter den Nagel reißen will, sagt sich der nun weltgewandter werdende Bauer von ihm los und gründet das „Kleine Königreich“. Den Drachen lässt er dann wieder frei.
Bedeutung
Die Bedeutung der Erzählung Farmer Giles von Ham ist in seiner exemplarischen Funktion für Tolkiens Konzeption von (phantastischer) Literatur (besonders Märchen, engl. fairy tales) zu sehen. Tolkien sieht als wichtigste Aufgabe des Märchens eine heilsame (und keine moralische) Wirkung für den menschlichen Geist an: die Gesundung der menschlichen Einbildungskraft, die Schärfung des ästhetischen Bewusstseins und den Trost, den die Flucht in die imaginäre Welt bildet. Darunter versteht er nicht den Vorwurf des Eskapismus, sondern die Flucht, die heilsam ist, weil sie hilft, Dinge, die in der realen Welt nicht zu ändern sind, besser und gesünder zu ertragen („escape of the prisoner“). Das stets gute Ende eines Märchens (er prägt dafür den Begriff „Eukatastrophe“) ist für ihn essentiell für die Trosterfahrung (siehe dazu Tolkiens als Vortrag gehaltenes Essay „On fairy stories“ von 1939).
Farmer Giles von Ham erfüllt als Kunstmärchen alle wesentlichen Elemente, die auch für ein Volksmärchen gelten. Darüber hinaus enthält es aber für Märchen eher untypische satirisch-parodistische und humorvolle Aspekte. Tolkiens Arbeitsgebiet entsprechend finden sich viele philologische Anspielungen, die die Arbeitsweise der Philologen karikieren. So erklärt er beispielsweise die Entstehung des Namens Themse (engl. Thames) durch das Wort „tame“ (dt. zahm), da Giles ja Herr eines gezähmten Drachens geworden sei. Viele Namen in seinem Märchen sind entweder sprechende Namen (Chrysophylax = Wächter des Goldes) oder enthalten Anspielungen auf historische oder mythologische Figuren (beispielsweise auf Hannibals Gegenspieler Fabius Cunctator im Namen des feigen Schmieds Fabricius (sic!) Cuncator und der Name von Giles' Hund (Garm ist der Hund der Totengöttin Hel).)
Werke J. R. R. TolkiensFiktion
Songs for the Philologists (1936) | Der kleine Hobbit (1937) | Blatt von Tüftler (1947) | The Lay of Aotrou and Itroun (1945) | Bauer Giles von Ham (1949) | The Homecoming of Beorhtnoth Beorhthelm’s Son (1953) | Der Herr der Ringe (1954–55) | Die Abenteuer des Tom Bombadil und andere Gedichte aus dem Roten Buch (1962) | Tree and Leaf (1964) | The Tolkien Reader (1966) | The Road Goes Ever On (1967) | Smith of Wootton Major (1967)Posthum veröffentlichte Fiktion
Die Briefe vom Weihnachtsmann (1976) | Das Silmarillion (1977) | Nachrichten aus Mittelerde (1980) | Mr. Bliss (1982) | Bilbos Abschiedslied (1990) | The History of Middle-earth (12 Bände) (1983–1996) | Roverandom (1998) | Die Kinder Húrins (2007) | The History of The Hobbit (2007) | Die Legende von Sigurd und Gudrún (2009)Akademische Werke
A Middle English Vocabulary (1922) | Sir Gawain and the Green Knight (Mittelenglischer Text, 1925) | Some Contributions to Middle-English Lexicography (1925) | The Devil’s Coach Horses (1925) | Ancrene Wisse and Hali Meiðhad (1929) | The Name „Nodens“ (1932) | Sigelwara Land Teile I und II, in Medium Aevum (1932–34) | Chaucer as a Philologist: The Reeve’s Prologue and Tale (1934) | Beowulf: The Monsters and the Critics (1936) | The Reeve’s Tale: version prepared for recitation at the „summer diversions“ (1939) | On Fairy-Stories (1939) | Sir Orfeo (1944) | Ofermod and Beorhtnoth’s Death (1953) | Middle English „Losenger“: Sketch of an etymological and semantic enquiry (1953) | Ancrene Wisse: The English Text of the Ancrene Riwle (1962) | English and Welsh (1963) | Einleitung zu Tree and Leaf (1964) | Beiträge zur Jerusalemer Bibel (als Übersetzer und Lexikograph) (1966) | Tolkien on Tolkien (autobiografisch) (1966)Posthume akademische Veröffentlichungen
Sir Gawain and the Green Knight, Pearl und Sir Orfeo (Übersetzungen in moderne Englische Sprache, 1975) | Finn and Hengest (1982) | The Monsters and the Critics (1983) | Beowulf and the Critics (2002)
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