Verruf

Verruf

In Verruf kamen ursprünglich Geldmünzen, wenn die Landesregierung sie für ungültig erklärte oder ihren Wert minderte (sie verrief).

Davon abgeleitet war, dass jemand in Verruf geriet, wenn sein guter Ruf zerstört war. Dazu führten Verbrechen (etwa Betrug), moralisches Missverhalten (etwa Wortbruch), religiöse Verfehlungen (etwa Verschmähung der Sakramente). Manche Außenseitergruppierungen waren durch allgemeines Vorurteil schlechthin in Verruf (Beispiel: Zigeuner stehlen wie die Raben). In Verruf zu sein, ging über einen großen Ehrverlust noch hinaus.

Bei den Studentenverbindungen ist der Verruf (bis etwa 1820 nur „Verschiß“)[1] eine Ehrenstrafe mit Zwangsmittelcharakter, die von den Landsmannschaften des 18. Jahrhunderts sogar gegen die Universität als Ganzes verhängt wurde, was dann notwendigerweise zu einem Auszug der Studentenschaft aus der jeweiligen Universitätsstadt führte; so in Göttingen nach der Gendarmen-Affäre, in deren Folge insgesamt 418 von 615 Studenten die Universität nach Eintragung in ausliegende Verrufslisten zum Wintersemester 1809/10 verließen.[2] Anfang des 19. Jahrhunderts übernahmen die Corps den Verruf als Strafe in die SC-Comments, die das Zusammenleben der Studierenden an der Universität regelten. Daher wird der Verruf insoweit bis heute auch SC-Verruf genannt. Ab 1818 wurde er von seiten der Corps insbesondere in den Auseinandersetzungen mit den neu aufkommenden Burschenschaften angewandt, später auch in den Auseinandersetzungen mit den Progressverbindungen. Als Ehrenstrafe bedeutet der Verruf, dass sich die den Verruf aussprechende Gruppe verpflichtet, jeglichen Umgang mit dem- oder denjenigen zu unterlassen, über den oder die der Verruf verhängt wurde. Von der Wirkung her ist der Verruf also am ehesten mit dem modernen Boykott zu vergleichen, einer angelsächsischen Begriffsbildung aus der Zeit nach 1880. Die besondere Effizienz des Verrufs liegt heute noch, ähnlich wie beim Boykott, darin, das Rechtsverletzungen und Verfahrensfehler erst nach Verhängung der Sanktion in einem (meist schiedsgerichtlichen) Verfahren oder (bei Fehlen entsprechender Vereinbarungen) gar nicht geprüft werden können.

Während der Verruf bei den Studenten des frühen 19. Jahrhunderts sehr ernst genommen wurde, entwickelte sich nach 1848 auch eine parodistische Variante für den Biertisch. Hier konnte nach dem Bier-Comment auch der Bier-Verschiß (B.V.) oder die Bier-Acht verhängt werden. Auf alten Bildern von studentischen Kneipen kann man teilweise mit kunstvollen Schnitzereien verzierte B.V.-Tafeln sehen, auf denen mit Kreide die verhängten Bier-Verschisse notiert und nach Vollzug der entsprechenden Sanktionen wieder gelöscht wurden.

In der modernen Sprache überlebt hat der Ausdruck „Verruf“ in Begriffen wie „verrufene Spelunke“ u. ä. Bekannt ist ebenfalls noch der Ausdruck „Der hat bei mir verschissen“.

Literatur

  • J. G. Krünitz: „Verruf“ in: Oeconomische Encyclopädie (1773-1858) [1]
  • „Verschiß“ in: Robert Paschke: Corpsstudentisches Wörterbuch. S. 332, in: Handbuch des Kösener Corpsstudenten. Verband Alter Corpsstudenten e.V. Band I. Würzburg 1985 (6. Aufl.), S. 321-333

Einzelnachweise

  1. Zum Sprachgebrauch siehe auch den Lexikoneintrag bei Krünitz zu „Verruf“; Nach den Brüdern Grimm (Deutsches Wörterbuch) in der Studentensprache seit 1515 als „Verschiß“ nachweisbar, ab 1818/20 Aufkommen des feiner klingenden Begriffes „Verruf“
  2. Franz Stadtmüller: Geschichte des Corps Hannovera zu Göttingen 1809-1959. S. 34 ff.

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  • Verruf — Ver·ru̲f der; nur in 1 in Verruf geraten / kommen einen schlechten Ruf bekommen 2 jemanden / etwas in Verruf bringen bewirken, dass jemand / etwas einen schlechten Ruf bekommt …   Langenscheidt Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache

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