- Verse-account Nabonid
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Das Strophengedicht des Nabonid (auch verse account, Schmähgedicht) ist ein zuerst von Sydney Smith 1924 veröffentlichter Keilschrifttext, der ein gegen den letzten König des neubabylonischen Reichs Nabonid[1] gerichtetes Pamphlet darstellt. Er wurde nach 539 v. Chr. von der Marduk-Priesterschaft im Zusammenhang mit dem Sturz Nabonaids verfasst. In dieser Inschrift wird dem Babylonierkönig Wahnsinn, Gotteslästerung und Vernachlässigung der Kulte vorgeworfen. Es war in den Augen der Priesterschaft deshalb nur eine Frage der Zeit, bis Marduks Rache Nabonaid trifft. Die Erhebung von Sin zum Hauptgott wird auf die Geisteskrankheit des Nabonaid zurückgeführt, die ihn auch zum Aufenthalt in der Oase Temâ veranlasste. Die Übersetzung basiert auf der Version von Adolf-Leo Oppenheim, der allerdings im Zusammenhang mit dem Alten Testament kleine Veränderungen vornahm. Die Originalfassung weicht daher in einigen Sequenzen von der hier verwendeten Übersetzung ab. Nachfolgend sind Auszüge aus dem Strophengedicht dargestellt:
Inhaltsverzeichnis
Das Strophengedicht
Fremde Götter
„Nabonaid verkündete keine Ordnung...Hochrangige Personen tötete er im Krieg und die Händler wurden in ihrer Arbeit behindert...Die Bauern konnten im Herbst nicht mehr das Alalu-Lied singen...Nabonaid nahm ihren Besitz und ließ die Toten an einen dunklen Ort gelangen...Das Volk ließ er nicht mehr die fröhlichen Prozessionen begehen und nahm ihnen die Lebensfreude...Die alten Götter verhielten sich gegenüber Nabonaid feindlich, da er gegen sie in Sünde verfiel...Nabonaid führte die Bilder von Sin, die in Babylon unbekannt waren, in die Tempel ein...Er setzte sie auf Fundamente, schmückte sie mit Lapislazuli und verlieh ihnen eine Tiara...Die Omen der Mondfinsternisse waren ihre Erscheinungsform...Der Drachensturm und der wilde Stier wurde ihnen unterstellt...Sie sahen wie Dämonen aus und nicht einmal Adapa kannte ihre Namen.“
– Strophengedicht
Tempelbau Ehulhul
„Nabonaid sagte: "Ich werde für Sin eine heilige Wohnstätte errichten und sie Ehulhul nennen; auf das der neue heilige Ort für ewig Bestand habe. Der neue Tempel soll wie Ekur sein. Wenn mein Werk vollbracht ist, werde ich Sin an die Hand nehmen und zu seinem heiligen Sitz führen. Bis zur Vollendung meines Werks werde ich meiner Überzeugung folgen und die alten heiligen Feste nicht mehr begehen. Die Neujahrsprozessionen im Nisannu werden von mir als beendet erklärt"...Und Nabonaid fertigte den ersten Ziegel, gleich dem von Ekur, gab Pläne für seinen heiligen Stier, ähnlich dem in Esagila, den er vor das Fundament des Tempels errichten lassen wollte...Nach Vollendung dieses Gräuels, einer unheiligen Tat, begann Nabonaid Anfang des 3. Regierungsjahres mit den Vorbereitungen für die Übergabe der Armee in die Obhut seines erstgeborenen und ältesten Sohns.“
– Strophengedicht
Auszug nach Temâ
„Nabonaid traf Vorbereitungen für eine lange Reise...Die Streitkräfte von Akkad marschierten mit ihm den weiten Weg westlich nach Temâ...Dort angekommen tötete er den Prinzen, nahm dem Volk die Herden und schlachtete sie... Nabonaid errichtete seine Residenz in Temâ und stationierte in der Nähe seine Armee...Die Stadt wurde in Schönheit ausgebaut, mit Befestigungswällen und Wachposten umgeben...Ein Palast, gleich dem in Babylon, ließ er errichten...Die Bewohner erhoben sich wegen der harten Bauarbeiten und des neuen Baustils...Nabonaid ließ sie töten, auch Frauen und Kinder...Ihr Wohlstand endete...Alle Ernte, die Gerste, nahm er...Seine Armee war müde [vom Kampf]...Der Hazanu, ein Beamter von Kyros II., der...[Abbruch der Zusammenhänge in der Keilschrifttafel, die etwa ein Drittel des Textes ausmachen]...Stift nicht...Nabonaid wurde wahnsinnig...[Sinngemäß wird aus den Bruchstücken der folgende Ablauf rekonstruiert:]...Nabonaid, der noch nicht einmal schreiben konnte, prahlte mit einem Sieg über Kyros II., den er weissagte...[Der Text stellt im weiteren Verlauf Kyros II. als babylonfreundlich und Nabonaid als blasphemischen Lügner dar].“
– Strophengedicht
Visionen Nabonaids in Verbindung mit Kyros II.
„Nabonaid lobte Sin, den Gott der Götter, und nannte die Länder, die von Kyrus II. noch nicht erobert wurden...Aber Kyros II. ist der wahre König, der die Länder von ihrem Joch befreite...Nabonaid aber sagte: "Kyros II. ließ ich vor mir verbeugen und seine Besitztümer gingen auf mich über"... Er (Nabonaid) war es, der sich selbst lobte: "Ich bin weise und sah alles Verborgene. Auch wenn ich nicht weiß, wie man es mit einem Stift niederschreibt, so habe ich doch Geheimnisvolles gesehen. Der Gott Ilteri zeigte mir in einer Vision die Erkenntnisse der Mondsichel von Anum und Enlila, die Adapa zusammenstellte. Nun bin ich weiser als er (Adapa)."[2]...Doch Nabonaid führte seine eigenen Rituale durch und lästerte gegenüber dem Gott von Esagila.“
– Strophengedicht
Weissagungen
„Nabonaid fragte nach Vollziehung der Orakelanfragen die Gelehrten: "Sind es nicht die wahren Zeichen, die anzeigen, wem die heiligen Tempel gehören? Wem gehört Esagila? Wenn dieser heilige Palast wirklich zu Bêl gehören würde, hätte man die Gründungskapsel als Beweis gefunden. Aber der Tempel hat als Fundament das Zeichen des Mondes (Sin)"...Und Zeriya, der priesterliche Gelehrte, sprach zu der Versammlung: "Die Worte des Königs Nabonaid wurden von uns jetzt verstanden".“
– Strophengedicht
Nach dem Fall von Babylon
„Am 11. Nisannu erklärte Kyros II. den Bürgern von Babylon den Frieden...Seine Truppen betraten nicht Ekur...Rinder und aslu-Schafe wurden geschlachtet...Er beachtete die heiligen Riten und handelte so, wie es die Götter verlangen...Kyros II. führte den Plan Nebukadnezars aus...Er baute die Befestigungen auf dem Imgur-Enlil-Wall, er leitete das Wasser entsprechend um...Die Bildnisse der weiblichen und männlichen Götter kehrten an ihre alten Standorte zurück...Die Speisen für die Götter servierte Kyros II. regelmäßig...Die Andenken an Nabonaid wurden durch Kyros II. vernichtet...Alle Bauwerke, alle Heiligtümer, alle Bilder, alle Inschriften und alle Zeichen der Herrschaft des Nabonaid wurden zerstört und verbrannt...Die Asche der Heiligtümer und Gebäude wurden vom Wind in alle Richtungen verteilt...Das Bildnis des Nabonaid existierte nicht mehr...Die Bewohner von Babylon wurden nun wieder fröhlich und die Gefangenen verließen ihre Kerker...Alle freuen sich über Kyros II. als neuen König.“
– Strophengedicht
Siehe auch
Literatur
- James B. Pritchard: Ancient near Eastern texts (Reprint). Pro Quest, 2005, ISBN 0-691-03503-2.
- Adolf Leo Oppenheim: The cuneiform texts (Übersetzungen von James B. Pritchard’s Ancient near Eastern texts). 1970.
- Sidney Smith: Babylonian Historical Texts to the Capture and downfall of Babylon (Reprint). Verlag Olms, Hildesheim 1975, ISBN 3-487-05615-1.
Weblinks
- Jona Lendering: Verse Account bei Livius.org (englisch)
Anmerkungen und Belege
- ↑ Unter Dareios I. folgten 522 v. Chr. Nebukadnezar III. und 521 v. Chr. Nebukadnezar IV. als Usurpatoren.
- ↑ Der genannte Gott Ilteri stellt die aramäische Bezeichnung des Mondgottes dar. Vgl. dazu auch die akkadische Schreibung der Zeilen 8-13: izzazu ina puhri ušarraku raman-šu. enqek mudaka atamar katimta. mithis qantuppuul idi atarmar nisirti. ušabam DINGIRilteri kullat utadeluni u4sakar DINGIRanum DINGIRenlila ša iksuru adapa apkallu eli-šu šutuqek kal nemequ.
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