Vertrag von Ripen

Vertrag von Ripen

Der Vertrag von Ripen bestand unter dem Namen Ripener Privileg aus der Handfeste (dän. håndfæstning), ausgestellt am 5. März 1460 in Ripen von König Christian I. von Dänemark, und aus der Kieler Tapferen Verbesserung vom 4. April 1460. Beide Urkunden regelten für vier Jahrhunderte die Zugehörigkeit der Gebiete Schleswig und Holstein zum Königreich Dänemark. Der Vertrag von Ripen verlor seine Gültigkeit mit dem Ende des Dänischen Gesamtstaates durch die Gasteiner Konvention vom 14. August 1865.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Herzog Adolf VIII. − zugleich Graf von Holstein und als Adolf I. auch Herzog von Schleswig − hinterließ bei seinem Tod am 4. Dezember 1459 keinen unmittelbaren Erben, der Herrschaftsrechte in beiden Gebieten beanspruchen konnte.[1] Da das Herzogtum Schleswig ein dänisches Lehen war, fiel es von todeswegen an den dänischen König – zu dieser Zeit Christian I. – zurück. Die Grafschaft Holstein hingegen war ein deutsches Lehen, so dass es die Aufgabe des deutschen Königs – zu dieser Zeit Kaiser Friedrich III. – gewesen wäre, einen neuen Grafen einzusetzen. Friedrich III. hielt sich aber hier völlig heraus.

Die in beiden Landen ansässige und eng miteinander verbundene Ritterschaft übernahm nun die Initiative. Sie war an einer dauerhaften Regelung interessiert und wollte neue Konflikte vermeiden. Die letzte schauenburgische Linie Holstein-Pinneberg war von der Erbfolge in Schleswig ausgeschlossen (Schleswig wäre als dänisches Lehen wieder an Dänemark gefallen) und kam daher aus Sicht der Ritterschaft nicht in Frage. König Christian I. von Dänemark als Oldenburger und Neffe des Verstorbenen schien für die Ritterschaft und Prälaten für beide Länder der richtige Kandidat zu sein. Längst hatte sich der Adel beider Lande vereinigt und war auch in Dänemark mit großen Gütern vertreten. Die Verbindung Schleswigs, Holsteins und Dänemarks unter einem Herrscher war zudem gut geeignet, um ein Wiederaufflammen des Konflikts verschiedener Mächte zwischen Ost- und Nordsee zu verhindern. Christian berief 1460 eine Versammlung in Ripen ein, auf der er am 2. März entgegen dem Salischen Recht zum Herrscher beider Gebiete gewählt wurde. Am 5. März wurde daraufhin der Wahlvertrag (Handfeste) von Ripen aufgesetzt, in dem etliche Gesetze und Verordnungen festgeschrieben wurden. In der wohl bekanntesten, aus dem Kontext herausgerissenen Passage heißt es über die Ritterschaft in Schleswig und Holstein: "dat se bliven ewich tosamende ungedelt" (dass sie ewig ungeteilt zusammenbleiben).

Den Ständen ging es um stabile Verhältnisse. Der Vertrag von Ripen setzte nicht nur einen dauerhaften Schlusspunkt unter die Konflikte zwischen dänischem Königshaus und holsteinischen Grafen. Vor allem ging es ihnen darum, Erbteilungen der Landesherrschaft zu verhindern, wie sie in Deutschland üblich waren und zur Entstehung zahlloser kleiner Fürstentümer geführt hatten. Dieser Wunsch erfüllte sich hingegen nur teilweise, denn die Ständemacht unterlag schon bald der aufstrebenden Fürstenmacht. Bereits 1490 kam es zur ersten Aufteilung Schleswigs und des 1474 ebenfalls zum Herzogtum erhobenen Holstein. Diese Teilung zwischen Christians Söhnen König Hans und Herzog Friedrich wurde mit der Thronbesteigung des Letzteren zwar wieder hinfällig, und auch die Teilung zwischen diesem und dessen Sohn Christian 1523 hatte nur bis zum nächsten Thronwechsel Bestand. Hingegen hatte die Landesteilung zwischen Christian III. und seinen Halbbrüdern Johann dem Älteren und Adolf I. 1544[2] langfristige Konsequenzen, ebenso die Teilungen von 1564 und 1581. Die Besitzungen des Adels und der Geistlichkeit blieben immerhin von den Teilungen ausgenommen und wurden von den Landesherren formell gemeinsam regiert.

Die Position der Hansestädte Lübeck und Hamburg

Die norddeutschen Städte der Hanse hatten an diesem Ergebnis aus handelspolitischen Gründen kein Interesse und versuchten, diese Lösung schon im Vorfeld diplomatisch zu unterlaufen. Sie wurden jedoch nicht gehört. Nach dem Vertragsschluss unterblieb eine weitere Opposition, da die Städte mit König Christian zunächst im Einvernehmen erträgliche Geschäfte machen konnten und sie wegen seiner schwachen Finanzlage und Abhängigkeit davon ausgingen, dass er die eingeräumten Privilegien nicht in Frage stellen würde.

Im Zeitalter der Nationalstaaten

Erst im 19. Jahrhundert erhielt der Ripener Vertrag neue Bedeutung, als der Historiker und Sekretär der Schleswig-Holsteinischen Ritterschaft Friedrich Christoph Dahlmann ihn zu einer Art Grundgesetz nicht nur für die Stände, sondern für die Herzogtümer als Ganzes erklärte. Angesichts des aufkeimenden nationalen Gegensatzes zwischen Deutsch und Dänisch entfaltete der bis dahin fast vergessene Vertrag ungeahnte Sprengkraft, da die Ritterschaft und bald auch weite Teile der ursprünglich liberalen schleswig-holsteinischen Bewegung ihn als "historisch verbrieftes Recht" ansahen. Die Erbansprüche des Herzogs Christian August von Augustenburg verstärkten dies zusätzlich. Das politische Schlagwort "Up ewig ungedeelt" (auf ewig ungeteilt) kehrte 1841 in einem Gedicht des schleswig-holsteinisch gesinnten Apenrader Arztes August Wilhelm Neuber zurück und instrumentalisierte den Ripener Vertrag somit zusätzlich im Sinne der Loslösung Schleswigs und Holsteins von Dänemark.

Doch auch auf dänischer Seite entwickelte sich eine Bewegung, bei der die Forderungen nach politischer Liberalisierung bald vor der nationalen Thematik in den Hintergrund gerieten. Die Eiderdänen beriefen sich auf die ursprüngliche Zugehörigkeit und bestehende Lehensverbindung Schleswigs zu Dänemark und forderten das gesamte Herzogtum Schleswig als Teil eines künftigen dänischen Nationalstaats. Beide Seiten ignorierten damit die Realitäten in dem sprachlich und kulturell gemischten Land. 1848 führten die Spannungen schließlich zum Bürgerkrieg, 1864 zum Ende des Gesamtstaats unter der dänischen Krone.

Obwohl der Vertrag von Ripen schon wenige Jahrzehnte nach seiner Abfassung immer mehr ausgehöhlt und durch neue Ordnungen ersetzt wurde, konnte er im 19. Jahrhundert zu einem Mythos werden. Dieser Mythos vom Ripener Vertrag als einem "schleswig-holsteinischen Grundgesetz" hielt sich in Schleswig-Holstein noch bis weit über die Mitte des 20. Jahrhunderts hinaus. Erst seit relativ kurzer Zeit wird der Vertrag wieder nüchterner als eine wichtige historische Übereinkunft beurteilt. Nicht die Unteilbarkeit Schleswigs und Holsteins wird als wichtigster Aspekt angesehen, sondern die Schaffung einer gemeinsamen Landesherrschaft.

Literatur

  • Robert Bohn: Geschichte Schleswig-Holsteins. Beck, München 2006 ISBN 978-3-406-50891-2
  • Kai Fuhrmann: Die Ritterschaft als politische Korporation in den Herzogtümern Schleswig und Holstein von 1460 bis 1721. Hrsg. von der Fortwährenden Deputation der Schleswig-Holsteinischen Prälaten und Ritterschaft. Ludwig, Kiel 2002 ISBN 3-933598-39-7
  • Carsten Jahnke: "dat se bliven ewich tosamende ungedelt". Neue Überlegungen zu einem alten Schlagwort. In: Zeitschrift der Gesellschaft für schleswig-holsteinische Geschichte 128/2003, S. 45-59.
  • Ulrich Lange (Hrsg.): Geschichte Schleswig-Holsteins. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. 2. Auflage. Wachholtz, Neumünster 2003, ISBN 978-3-529-02440-5.
  • Thomas Riis: Up ewig ungedeelt. Ein Schlagwort und sein Hintergrund. In: Thomas Stamm-Kuhlmann (Hrsg.): Geschichtsbilder. Festschrift für Michael Salewski zum 65. Geburtstag. Steiner, Stuttgart 2003 ISBN 3-515-08252-2, S. 158-167, (Historische Mitteilungen Beiheft 47).
  • Henning von Rumohr (Hrsg.): Dat se bliven tosamende ewich ungedelt. Festschrift der Schleswig-Holsteinischen Ritterschaft zur 500. Wiederkehr des Tages von Ripen am 5. März 1960. Wachholtz, Neumünster 1960.

Einzelnachweise

  1. Robert Bohn: Geschichte Schleswig-Holsteins. Beck, München 2006, S. 39.
  2. Christian III. wurde Herzog des königlichen Anteils, Adolf von Schleswig-Holstein-Gottorf und Johann von Schleswig-Holstein-Hadersleben.

Weblinks

  • Privileg von Ripen. Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte, abgerufen am 26. Oktober 2010.

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