Baugemeinschaft

Baugemeinschaft

Eine Baugemeinschaft (auch Baugruppe) ist der Zusammenschluss mehrerer privater Bauherrn, die gemeinsam - zur Eigennutzung oder Vermietung - Wohnungen, einzelne Häuser, Gewerbe- oder Gemeinschaftsräume planen, bauen oder umbauen.

Der Begriff Baugemeinschaft setzt sich immer stärker durch, da es sich bei dem Begriff Gemeinschaft, um eine programmatische Aussage handelt. Von einer Baugemeinschaft kann gesprochen werden wenn folgende Eigenschaften erfüllt sind:

  • Die Entscheidungshoheit bei der Planung, beim Bauen und allen Verträgen liegt bei der Gemeinschaft. Man spricht deshalb auch vom partizipativen (demokratischen) Planen und Bauen.
  • Baugemeinschaften sind üblicherweise als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) verfasst.
  • Die Gemeinschaft trägt alle Bauherrenrisiken: Kosten, Termine und Qualitäten.
  • Alle Dienstleistungs-, Planungs-, und Bauverträge werden nur mit der gesamten Baugemeinschaft geschlossen.
  • Jedes Mitglied kauft im Rahmen der Gemeinschaft seinen Grundstücksanteil ohne Gebäude oder mit einem zu sanierenden Altbau.
  • Das gesamte Bauwerk wird im Auftrag der Baugemeinschaft ausgeschrieben und vergeben.
  • Alle Verträge, Pläne, Kosten und Protokolle sind den Mitgliedern frei zugänglich.

Inhaltsverzeichnis

Vorteile

Bei einem Baugemeinschaftsprojekt gibt es die späteren Nutzer viele Gestaltungsmöglichkeiten bei der eigenen Einheit und der gemeinschaftlichen Räume. Während des Planungsprozesses und der Bauphase kann bereits eine gute Nachbarschaft entstehen. Die Kosten sind in einer Baugemeinschaft gegen über dem Bauen mit einem Bauträger deutlich günstiger, es gibt keine Maklerprovision, der Bauträgergewinn fließt quasi in die eigene Tasche.[1] In der Regel werden nur auf den Kaufpreis des Grundstücks – oder bei Altbauprojekten auch auf den Kauf des Altbaus – die Grunderwerbsteuer und die Notargebühren fällig. Die Kostenersparnis im Vergleich zum Bauträgerprojekt beträgt etwa 15 %.[2] Für Gemeinden sind Baugemeinschaften attraktive Partner für eine nachhaltige Stadtentwicklung, da Bauende in Bauprojekten sich häufig schnell mit ihrer Umgebung identifizieren und ihren Lebensraum aktiv mitgestalten.

Nachteile

Anders als beim Kauf einer Wohnung vom Bauträger zum Festpreis tragen die in Baugemeinschaft zusammengeschlossenen Bauherren das volle Bauherrenrisiko, d.h. auch das Risiko von Kostenerhöhungen und Zeitverzug. Deshalb ist eine Unterstützung durch professionelle Projektsteuerung anzuraten – sie begleitet das Bauvorhaben, moderiert die Baugemeinschaft, führt Entscheidungen herbei und achtet auf Termin- sowie Kostenpläne. Hierdurch wird für den späteren Wohnungsnutzer auch der zweite Nachteil gegenüber dem Kauf vom Bauträger abgeschwächt: Die Mitgliedschaft in der Baugemeinschaft erfordert durch planungs- und baubegleitende Bauherrenentscheidungen einen höheren Zeitaufwand.

Rechtsformen

Die meisten Baugemeinschaften organisieren sich als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Die Baugemeinschaft besteht nur, bis die Baumaßnahme abgeschlossen und abgerechnet ist. Der Betrieb des Gebäudes erfolgt als Wohnungseigentümergemeinschaft nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG). Gewerbeeinheiten und Wohnungen können dann selbstverständlich selbst genutzt, vermietet oder verkauft werden. Es gibt auch Baugemeinschaften, die ihr Gebäude als Genossenschaft erstellen und betreiben. Mischformen zwischen Genossenschaften und Eigentümergemeinschaften sind insbesondere in Hamburg anzutreffen.

Stadtentwicklung mit Baugemeinschaften

Als Mitte der 1990er Jahre in den beiden Universitätsstädten Tübingen und Freiburg im Breisgau die Umnutzung der ehemaligen Kasernen des französischen Militärs anstand, wurden die Grundstücke zum großen Teil an Baugemeinschaften vergeben. Durch die preisgünstigen Angebote der Baugemeinschaften konnte die angespannten Wohnungsmärkte der beiden Städte deutlich entlastet werden. Die Entwicklung der Brachflächen mit Baugemeinschaften eröffneten jedoch auch neue Spielräume für eine andere, nachhaltige Art der Stadtentwicklung. Wer das Französische Viertel in Tübingen oder das Vauban in Freiburg besucht, sieht Projekte, die ihre Qualität aus dem Engagement ihrer Bewohnerinnen und Bewohner schöpfen. Längst sind die Baugemeinschaften vom Experiment zum Regelfall geworden; in vielen anderen Städten laufen inzwischen ähnliche Entwicklungen, z.B. in Karlsruhe, Hamburg, Leipzig oder auch Berlin. In Berlin haben sich Baugemeinschaften mit mehreren hundert Neubauwohnungen pro Jahr[3] als fester Bestandteil des Wohnungsmarkts etabliert.[4]

Literatur

  • Architektenkammer Baden-Württemberg, Kammergruppe Tübingen (Hrsg.): planen – bauen – leben, Baugemeinschaften in Tübingen Tübingen 2007
  • Bürgerbüro Stadtentwicklung Hannover: Neue Wohnqualitäten – Ein Leitfaden für Baugemeinschaften Hannover 2008
  • Gudrun Th. De Maddalena, Matthias Schuster: go south, das Tübinger Modell. Tübingen/Berlin 2005
  • Freie und Hansestadt Hamburg, Baubehörde, Amt für Wohnungswesen: Leitfaden Baugemeinschaften in Hamburg Hamburg 2001
  • Dörte Fuchs, Jutta Ort: Bauen in der Gruppe. München 2000.
  • Friedrich Heinzmann,: Die freie Bauherrengemeinschaft. Praktische Überlegungen aus juristischer Sicht und Vertragsmuster. 3. veränderte und ergänzte Auflage. Tübingen/Berlin 2006
  • Initiatorengruppe/Architektenkammer Baden-Württemberg, Kammergruppe Freiburg und Kammergruppe Breisgau/Architekten Forum Freiburg (Hrsg.): Baugruppenarchitektur in Freiburg – vom Experiment zur Regel Freiburg 2004
  • Stefan Krämer, Gerd Kuhn: Städte und Baugemeinschaften. Neue Bauträger und kommunale Handlungsstrategien. Wüstenrot Stiftung (Hrsg.), Stuttgart/Zürich 2009
  • LBS Stiftung Bauen und Wohnen; Kuhn, Gerd; Harlander, Tilmann (Hrsg.): "Baugemeinschaften im Südwesten Deutschlands", Paderborn 2010.
  • Landeshauptstadt Stuttgart, Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung (Hrsg.): Neues Urbanes Wohnen in Baugemeinschaften. In: Beiträge zur Stadtentwicklung. 36, Stuttgart 2005
  • Kristien Ring, DAZ Deutsches Architektur Zentrum (Hrsg.): auf.einander.bauen, Baugruppen in der Stadt. Berlin 2007
  • Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg: Baugemeinschaften. Ein moderner Weg zum Wohneigentum Stuttgart 2001

Einzelnachweise

  1. Alternativen: Bauträger oder Baugemeinschaft. Abgerufen am 19. Mai 2011.
  2. "Baugemeinschaften im Südwesten Deutschlands", LBS Stiftung Bauen und Wohnen; Kuhn, Gerd; Harlander, Tilmann (Hrsg.), Paderborn 2010
  3. Marktentwicklung Berlin. Abgerufen am 19. Mai 2011.
  4. Baugemeinschaft Berlin. Abgerufen am 19. Mai 2011.

Siehe auch

Weblinks


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