Vierzig-Stunden-Woche

Vierzig-Stunden-Woche

Die Diskussion über die Einführung der 40-Stunden-Woche erfolgte in Deutschland zu zwei unterschiedlichen Zeitabschnitten. Der erste Zeitabschnitt begann in der Mitte der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts. Seit 1965 wurde dazu übergegangen, die Arbeitszeit von bis zu 49 Stunden pro Woche auf 40 zu reduzieren. Der zweite Zeitabschnitt begann zu Beginn des 21. Jahrhunderts, als eine Erhöhung der Arbeitszeit wieder auf über 40 Stunden pro Woche diskutiert und teilweise umgesetzt wurde.

Bei dieser Arbeitszeitverlängerung, plakativ auch als 40-Stunden-Woche bezeichnet, handelt es sich um die Durchsetzung einer Verlängerung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich einiger deutscher Unternehmen aus der Metall- und Elektroindustrie durch einen Sondertarifvertrag aufgrund der schwachen Konjunkturentwicklung. Diese Unternehmen drohten zuvor mit einer Auslagerung von Arbeitsplätzen („Outsourcing“) bzw. gesamten Abteilungen („Offshoring“) ins Ausland. Möglich wurde diese Verlängerung durch einen neuen Tarifvertrag in der Metall- und Elektroindustrie, der betriebliche Abweichungen unter der Prämisse, dass der Tarif unter einem gewissen Druck steht, sowie Betriebsrat und Gewerkschaft eine Lösung zum Erhalt der Arbeitsplätze, erlaubt.

Inhaltsverzeichnis

Ursachen für die Wiedereinführung einer 40-Stunden-Woche

Nach herrschender Meinung sind die Hauptursachen für die Forderung nach einer 40-Stunden-Woche die strukturellen und konjunkturellen Probleme der Bundesrepublik Deutschland, deren Wirtschaftswachstum derzeit stagniert. Deshalb stehen die einzelnen Unternehmen unter einem zunehmenden Kostendruck, der Einsparungen und Auslagerungen von Arbeitsplätzen notwendig macht. Dies resultiert aus einem allgemeinen Strukturwandel, der auf die Globalisierung zurückgeht. Ihre Folgen sind eine zunehmende Rationalisierung der Arbeit, die zu einer Abnahme menschlicher Arbeit in herkömmlichen Sektoren, und zu einer Zunahme im Dienstleistungsbereich führt. Im Zuge dieser versuchen die Unternehmen, ihren Platz im internationalen Wettbewerb zu sichern oder zu stärken.

Der verschärfte Wettbewerb führt zu einem Strukturwandel der Arbeit im Allgemeinen: durch Technisierung und Rationalisierung werden an einigen Stellen Arbeitsplätze unnötig, jedoch steigt wiederum der Bedarf an Dienstleistungen. Arbeitslosigkeit entwertet Arbeit, da aus Sicht der Unternehmen die Arbeitnehmer austauschbarer werden. Hierzu kommt die steigende tatsächliche Arbeitszeit, die von der tariflich festgelegten zu unterscheiden ist und: diese beträgt im Schnitt 40 Wochenstunden, wobei eine „40-Stunden-Woche“ bereits erreicht ist. Dies steigert die Auslastung der vorhanden Personalkapazität und senkt folglich die Lohnstückkosten.

Die Auswirkungen einer Einführung der 40-Stunden-Woche auf die Beschäftigung sind unter Wirtschaftsforschern umstritten.

Betroffene

Betroffen sind von der 40-Stunden-Woche primär die Arbeitnehmer, welche mehr Arbeit ohne einen Lohnausgleich leisten und auf Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld und Urlaub verzichten müssen. Dies führt zu einem schlechteren Lebensstandard oder dem kompletten Verlust der finanziellen Grundlage durch Entlassung. Die Gewerkschaften als Mittler zwischen Arbeitgeber und -nehmer müssen in dieser Lage ebenfalls eine gesteigerte Kompromissbereitschaft zeigen, womit sie ebenfalls mitbetroffen sind. Sekundär ist jedoch die ganze Welt durch die Globalisierung betroffen: diese lässt sich nicht mehr umkehren, betrachtet man die mannigfaltigen internationalen Abkommen wie das internationalen Zoll- und Handelsabkommen GATT, Vereinigungen wie den lockeren Staatenbund der Industrienationen OECD oder der Welthandelsorganisation oder großflächige Binnenmarkts-Abkommen wie in der Europäischen Union.

Somit stellt sich für jedes Land und gleichzeitig jedem Wirtschaftssubjekt die Frage neu, wie es seine Position im internationalen Wettbewerb halten bzw. stärken kann. Dies führt zu einer Verschärfung des Wettbewerbes, wovon primär insbesondere die Arbeitgeber betroffen sind: sie müssen mehr einsparen und hierzu sämtliche Möglichkeiten von der nicht ausgeglichenen Verlängerung der Arbeitszeit bis hin zu Massenentlassungen in Betracht ziehen, was zu einer gesteigerten Effektivität der Arbeit führt.

In der sozialen Marktwirtschaft ist obendrein die Regierung mitbetroffen, da sie in zunehmend prekärer werdender Lage ebenfalls aufgerufen ist, zu handeln, da auch sie sonst durch Vertrauensverlust und Machtentzug durch die Wähler betroffen sein kann.

Rechtliche Lage

Die Tarifautonomie in der Bundesrepublik Deutschland, die in Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes verankert ist, sieht vor, dass Vereinigungen „zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen“ gebildet werden sollen. Diese werden durch Gewerkschaften, die für die Arbeitnehmer möglichst angenehme Arbeitsbedingungen aushandeln möchten, verkörpert und verhandeln zusammen mit Arbeitgebern solche im Form von Tarifverträgen aus. Sie können nur ausgehandelt werden, wenn beide Vertragspartner Mitglied in einem tarifschließenden Verband sind. Arbeitgeber organisieren sich ihrerseits in Arbeitgeberverbänden, die zwar auf die Tarifverhandlungen keinen Einfluss haben, aber für ihre Branche jeweils Richtlinien festlegen können.

Ferner setzt es sich der Staat mit dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz selbst zum Ziel, das Wirtschaftswachstum konstant zu halten, wozu er einzelne Parameter wie die Steuer verändert. Da der Staat in der sozialen Marktwirtschaft nur die Rahmenbedingungen festlegt und die einzelnen Wirtschaftssubjekte in diesen autonom handeln, kann er jedoch allgemein weder auf Tarifverträge, noch auf Konjunkturflauten einen großen Einfluss ausüben. Dennoch sind in den Rahmenbedingungen soziale Mittel, die soziale Unterschiede möglichst ausgleichen sollen, vorgesehen (vgl. Sozialstaat).

Interesse

Es gibt zwei grundlegende Interessengruppen, auf der einen Seite Arbeitnehmer mit Gewerkschaften und Betriebsräten, auf der anderen die Arbeitgeber in Arbeitgeberverbänden. Die Macht aller Interessengruppen ist in der sozialen Marktwirtschaft beschränkt. Das Interesse der Gewerkschaften besteht darin, das bestmögliche Arbeitsklima für die Arbeitnehmer zu schaffen, indem sie die Rahmenbedingungen zusammen mit den Arbeitgebern aushandeln. Dies beinhaltet die Erhöhung der Löhne, die Erhöhung der Arbeitsplatzsicherheit sowie einen Ausgleich der negativen Folgen der Technisierung. Gewerkschaften verlieren jedoch durch rückläufige Mitgliederzahlen immer mehr an Macht, zumal die bestehenden Mitglieder zunehmend unorganisierter werden. Die Arbeitgeber haben ein konträres Interesse, nämlich die Maximierung ihres Gewinnes durch niedrige Lohnkosten unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten. Arbeitgeber können in der Bundesrepublik die Arbeitszeiten außerhalb eines Tarifvertrages und eines Arbeitgeberverbandes selbständig regeln und somit ihr Ziel eher erreichen. Arbeitnehmer möchten mit minimalem Aufwand viel Lohn erhalten, was zum Teil auch gesundheitliche und die Lebensqualität betreffende Aspekte hat. Somit sind Gewerkschaften zu einem Spagat zwischen beiden Interessengruppen gezwungen, da sie die Forderungen ihrer Mitglieder nur bis zu einem gewissen Grad durchsetzen können.

Lage in Österreich

Schon der Ministerialentwurf von 1958 für die Einführung eines neues Arbeitszeitgesetz sah im Rahmen einer etappenmäßigen Verkürzung der Arbeitszeit für 1. Jänner 1963 eine 40-Stunden-Woche vor.[1] In Österreich galt seit dem Generalkollektivvertrag vom 1. Februar 1959[2] die 45-Stunden-Woche. Die SPÖ initiierte 1969 das Volksbegehren zur schrittweisen Einführung der 40-Stunden-Woche, das von 889.659 Personen unterzeichnet wurde. Der ÖGB und die WKO einigten sich in der Folge auf die geforderte stufenweise Einführung: 1970 wurde die Normalarbeitszeit auf 43, 1972 auf 42 Stunden pro Woche gesenkt. 1975 wurde die 40-Stunden-Woche als Normalarbeitszeit schließlich erreicht. Seit 1985 gelten zudem für manche Branchen 38,5 Wochenstunden.

Anmerkungen

  1. Vgl. Proksch, Anton: Die Aufgaben der Sozialpolitik. In: Arbeit und Wirtschaft 1958, Nr. 12, S. 357.
  2. Vgl. Klenner, Fritz/Pellar, Brigitte: Die österreichische Gewerkschaftsbewegung. Von den Anfängen bis 1999. Wien 1999², S. 449.

Weblinks


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