Wagenburgtunnel

Wagenburgtunnel
Wagenburgtunnel Westportal

Der Wagenburgtunnel ist ein 824 Meter langer einröhriger Gegenverkehrstunnel in Stuttgart. Er ist Teil der Landesstraße 1014 und verbindet die Wagenburgstraße im Stuttgarter Osten mit dem nahe dem Stuttgarter Hauptbahnhof gelegenen Gebhard-Müller-Platz in der Stuttgarter Innenstadt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Planungen reichen bis in die 1920er-Jahre zurück. Das Vorhaben wurde aus finanziellen Gründen allerdings zunächst zurückgestellt.

Am 21. November 1940 begannen im Stuttgarter Gemeinderat die Beratungen mit den Beiräten für Luftschutzfragen als Folge des Führererlasses vom 10. Oktober 1940, wonach auch in Stuttgart im großen Ausmaß bombensichere Luftschutzräume zu bauen waren.

Als Luftschutzbauten galten damals auch Bauwerke, die in Friedenszeiten für eine anderweitige Nutzung verwendet werden konnten, wie z. B. Tunnels und Unterführungen. So rückte mit der Standortsuche für geeignete Großluftschutzräume der Höhenrücken zwischen dem Hauptbahnhof und dem Stuttgarter Osten wieder in den Mittelpunkt des Interesses.

Der von Oberbürgermeister Strölin bestimmte Luftschutzreferent Oberbaurat Scheuerle stellte den Plan eines 780 m langen Tunnels mit zwei Röhren von je zehn Metern Breite vor, der allgemeine Zustimmung fand. Am 22. November 1940 besichtigten die Beiräte für Luftschutzfragen den Engelbergtunnel in Leonberg, um weitere Anregungen zu bekommen.

Im Frühjahr 1941 begann man mit dem Bau von Sichtstollen, die durchgängig waren. Der komplette Querschnitt wurde noch nicht erreicht.

Die teilweise fertig gestellten Röhren wurden während des Zweiten Weltkriegs als Großluftschutzraum für bis zu 15.000 Personen benutzt. Zusätzlich wurden auch Kunstgegenstände eingelagert. Beispielsweise wurde das Schillerdenkmal von Thorwaldsen am Schillerplatz abgebaut und am 19. Juni 1942 in den Wagenburgtunnel verbracht. Erst nach dem Kriegsende wurde es wieder auf dem Schillerplatz aufgestellt.

1946 beschloss der Gemeinderat den Ausbau der Südröhre für den Fahrzeugverkehr. Bei seiner Eröffnung am 17. März 1958 war der Wagenburgtunnel der längste Straßentunnel Deutschlands. Er ist als Kraftfahrstraße definiert, Fußgängern und Radfahrern ist die Passage somit verboten. Von Beginn an führt außerdem eine Omnibuslinie der Stuttgarter Straßenbahnen durch den Tunnel, die heutige Linie 40 (bis 1978 nach ihrem Ziel Gablenberg als Linie Ga bezeichnet).

Diskothek "Die Röhre"

Da man nach einiger Zeit vom angestrebten Ziel der autogerechten Stadt abkam und den Stuttgarter Osten nicht mit zusätzlichem Verkehrsaufkommen belasten wollte, wurde die Nordröhre nie vollständig fertiggestellt. Ein weiterer Grund für die Aufgabe der Nordröhre ist die problematische geologische Situation, da umfangreiche Anhydrit-Vorkommen den baulichen Aufwand und damit die zu erwartenden Kosten zu stark steigen lassen würden[1]. Schon beim Bau der Südröhre kam den Arbeitern der Gipskeuper in die Quere, der Boden begann sich zu heben. Wegen der unkontrollierbaren Quellvorgänge in der Nordröhre und der damit verbundenen Kosten des Weiterbaus wurde diese dann nicht fertiggestellt[2][3].

Ein Teil des Nordröhrentunnels (Westportal) wird seit vielen Jahren als Veranstaltungsort für Independent-Konzerte und von einer Diskothek namens „Die Röhre“ genutzt. Der östliche Teil der Verbindungsröhre wurde von 2001 bis 2003 als Fluchtweg aus dem Straßentunnel ausgebaut.

Seit 2008 (anlässlich des 50-jährigen Bestehens) sind die Tunnelportale besonders betont. Das untere ist grün und das obere blau gestrichen, beide werden nachts angestrahlt.

Von 2009 bis 2010 wurde der westliche Teil der Verbindungsröhre renoviert und ein dritter Fluchtzugang von der Haupt- in die Verbindungsröhre gegraben.

Stuttgart 21

Der im Zuge des Projekts Stuttgart 21 geplante Tunnel Obertürkheim wird mit seiner nördlichen Röhre die beiden Röhren des rund 38 m höher liegenden Wagenburgtunnels unterqueren.[4]

Die derzeit bestehende Diskothek „Die Röhre“ soll mit Beginn der Bauarbeiten für das Projekt geschlossen werden, da die Nordröhre als Baustellenzufahrt für den Fildertunnel dienen soll.

Literatur

  • Rolf Zielfleisch: Stuttgarter Bunkerwelten. Typoform-Verlag, Stuttgart 2006, ISBN 3-939502-08-1.
  • Kurt Leipner (Hrsg.): Chronik der Stadt Stuttgart 1933-1945. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 1982, ISBN 3-608-91096-4.
  • Bundesverkehrsministerium (Hrsg.): „Durchführung eines felsmechanischen Grossversuches in der Nordröhre des Wagenburgtunnels in Stuttgart“, Band 184 der Schriftenreihe „Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik“, Bonn 1975.

Einzelnachweise

  1. Wagenburgtunnel – Nachkriegsnutzung Schutzbauten Stuttgart e.V.
  2. Durch den Gipsboden in die Hölle. In: Handelsblatt vom 24. Januar 2010, abgerufen am 13. Oktober 2011
  3. Bahnprojekt Stuttgart-Ulm. bahnprojekt Stuttgart-Ulm e.V., abgerufen am 13. Oktober 2011
  4. DBProjekte Süd (Hrsg.): Umgestaltung des Bahnknotens Stuttgart. Ausbau- und Neubaustrecke Stuttgart - Augsburg. Bereich Stuttgart – Wendlingen mit Flughafenanbindung. Planfeststellungsabschnitt 1.6a Zuführung Ober- und Untertürkheim. Bau-km 1.1 +55 (km 0. 8+55 bis km 7,2 +20: Stuttgart Hbf – Obertürkheim (-Esslingen). Bau-km 0.0+00 bis km 2.6+45: Abzweig Wangen – Untertürkheim (Waiblingen/Remsbahn).
    Anlage 1: Erläuterungsbericht, Teil III: Beschreibung des Planfeststellungsabschnitts. Dokument vom 12. Juli 2002, planfestgestellt durch das Eisenbahn-Bundesamt, Außenstelle Karlsruhe/Stuttgart mit Beschluss vom 16. Mai 2007 (Aktenzeichen 59160 PAP-PS21-PFA 1.6a), S. 10 f., 14–19, 27–54, 59, 66–69, 72–75, 86 f., 102 f.

Weblinks

48.7795959.1960819444444

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