Engelbergtunnel

Engelbergtunnel

Als Engelbergtunnel werden die Autobahntunnel Alter Engelbergtunnel und sein Nachfolgebauwerk, der Engelbergbasistunnel bezeichnet. Beide unterqueren im Zuge der Autobahn 81 StuttgartHeilbronn östlich von Leonberg den Engelberg.

Inhaltsverzeichnis

Alter Engelbergtunnel

westliches Südportal des alten Engelbergtunnels und KZ-Mahnmal (Juli 2005)
provisorisch geöffnete Ost-Röhre im Oktober 2007

Der erste Engelbergtunnel wurde am 5. November 1938 nach einer Bauzeit von drei Jahren dem Verkehr übergeben. Er war Teil der Reichsautobahn-Strecke 39. Mit einer Länge von 318 m und zwei Röhren war er der erste Autobahntunnel Deutschlands.[1]

Während des Zweiten Weltkriegs diente er ab 1944 als Fabrik der Messerschmitt AG. Aus dem KZ Natzweiler-Struthof im Elsass nach Leonberg herangeführte Zwangsarbeiter montierten hier in zwölf- bis achtzehnstündigen Schichten Flugzeugtragflächen für die Me 262. Zu diesem Zweck wurde eine Zwischendecke eingezogen, um die Produktionsfläche auf 11.000 m² zu vergrößern. Von den etwa 3.000 Zwangsarbeitern des KZ Leonberg starben 374. Kurz vor Kriegsende wurden die Maschinen demontiert und die Röhren gesprengt.

Von 1946 bis 1950 wurde die erste Röhre wiederhergestellt, 1960/1961 die zweite.

Nach der Inbetriebnahme des Nachfolgebauwerks wurde die Oströhre vollständig mit Abraum des Tunnelneubaus verfüllt. Die Weströhre des alten Tunnels blieb zunächst erhalten, der Bund übertrug sie der Stadt Leonberg, die sich die Option auf eine Umgehungsstraße durch den Tunnel offen halten wollte. Das ebenfalls erhaltene westliche Südportal bezog man in eine Gedenkstätte an das Konzentrationslager ein, alle anderen Portale bedeckte man mit Erdreich. Der alte Autobahnabschnitt wurde renaturiert.

Nachdem im Oktober 2004 vom Regierungspräsidium Stuttgart Zweifel an der Standsicherheit des Tunnelgewölbes geäußert wurden, öffnete man im Mai 2006 beide Röhren zur Begutachtung.[2] Da Fachleute den beiden Tunneln mangelnde Standsicherheit bescheinigten, begann man am 8. Oktober 2007 mit den Arbeiten zur fast vollständigen Verfüllung und Verpressung des alten Tunnelbauwerks. Ein rund 20 m langes Teilstück der Weströhre am Südportal wird als Teil der Gedenkstätte erhalten bleiben.[3] Die Kosten hierfür waren auf rund 1 Mio. € angesetzt, die Arbeiten wurden im Frühjahr 2008 beendet.[4]

Engelbergbasistunnel

Engelbergtunnel
Engelbergtunnel
Nordportal des Engelbergbasistunnels (Juni 2006)
Nutzung Autobahntunnel
Verkehrsverbindung Bundesautobahn 81
Ort Engelberg bei Leonberg
Länge 2.530 m
Fahrzeuge pro Tag 83.000
Anzahl der Röhren 2
Bau
Baubeginn 25. Juli 1995
Fertigstellung 12. August 1999
Lage
Engelbergtunnel (Baden-Württemberg)
Red pog.svg
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Koordinaten
Südportal 48° 47′ 10,4″ N, 9° 0′ 58,5″ O48.786239.016251
Nordportal 48° 48′ 12,4″ N, 9° 2′ 17,4″ O48.8034479.038175

Der alte Tunnel mit je zwei Fahrstreifen (ohne Standspur) war seit längerem ein Hindernis insbesondere für den Schwerlastverkehr, während die A 81 nördlich des Engelbergs bis Heilbronn schon dreispurig mit Randstreifen ausgebaut war. Das Problem war nicht nur die Zweispurigkeit im Tunnel, sondern auch die Steigung der zweispurigen Zufahrtsrampen. Auf den 6 % steilen Rampen erreichte der Schwerlastverkehr nur geringe Geschwindigkeiten, so dass für Personenwagen meist nur die Überholspur zur Verfügung stand. Bei einer Verkehrsbelastung von 83.000 Kraftfahrzeugen innerhalb von 24 Stunden, in Spitzenzeiten bis zu 120.000, waren Staus alltäglich.[5]

Erste Pläne, den Verkehrsfluss zu verbessern, stammten aus den 1970er Jahren. Zunächst wurde erwogen, die vorhandenen Tunnelröhren aufzuweiten oder durch eine dritte Röhre zu ergänzen. Angesichts der Nachteile (starke Steigung der Rampen, Autobahn zerschneidet die Stadt) fand man eine neue Lösung: Der Engelbergbasistunnel liegt etwa 60 Meter unter dem alten Tunnel, seine Zufahrten sind praktisch ebenerdig. Die Steigung vom Nord- zum Südportal beträgt nur noch 0,9 %. Jede der beiden Tunnelröhren enthält drei Fahrstreifen und eine Standspur mit reduzierter Breite.[5]

Das Bauvorhaben wurde 1975 in den Bedarfsplan für Bundesfernstraßen aufgenommen. Ein 1 km langer Sondierstollen gab 1977/78 Aufschluss über geologische Eigenheiten und mögliche Probleme beim Bau. Dabei wurde unter anderem Bergwasser mit hohem Sulfatgehalt festgestellt, das Beton angreifen kann. Außerdem zeigte sich, dass der Engelberg auch quellfähige Mineralien wie Anhydrit aufweist. 1981 wurde eine 20 Zentimeter dicke Schicht aus Spritzbeton zerstört, nachdem Oberflächenwasser in eine nicht ordnungsgemäß verschlossene Erkundungsbohrung eingedrungen war.[5]

Am 25. Juli 1995[6] begann der Bau des Engelbergbasistunnels. Der Tunneldurchschlag der Oströhre erfolgte am 4. Juli 1997, der Weströhre am 15. September 1997. Am 11. September 1998 wurde die Oströhre für den Verkehr freigegeben. Zunächst wurde der gesamte Verkehr beider Fahrtrichtungen durch diese Tunnelröhre geleitet, bis am 12. August 1999 mit der Freigabe der Weströhre der Normalbetrieb aufgenommen wurde. Beide Tunnelröhren sind jeweils 2.530 Meter lang. Tunnelsender bewirken, dass man Radio und Mobilfunk auch im Tunnel empfangen kann. Mit Rücksicht auf die Bebauung an der Südseite des Engelbergs werden die Abgase aus dem Tunnel in der Nähe des Nordportals abgeblasen.[5] Im gleichen Zeitraum wurde das Autobahndreieck Leonberg umgebaut.

Statt ursprünglich geplanten 604 Millionen DM kostete der Bau 850 Millionen DM[7] (Preisstand 1999, heutiger Gegenwert: 512 Millionen Euro). Die Mehrkosten sind unter anderem auf eine verstärkte Armierung der Tunnelwände zurückzuführen, um dem aufquellenden Anhydrit zu begegnen.[8] Das Projekt wurde privat durch ein Baukonsortium finanziert, das die Forderungen nach Fertigstellung an ein Bankenkonsortium abtrat.[9] Das Land Baden-Württemberg zahlt in 15 Jahresraten bis zum Jahr 2014 die Baukosten sowie die sich am EURIBOR orientierenden Zinsen.[7] Inklusive Zinsen rechnete das Land Baden-Württemberg mit Kosten in Höhe von 1,24 Milliarden DM (Preisstand 1999, heutiger Gegenwert: 747 Millionen Euro).[7] Die hohen Kosten für dieses Finanzierungsmodell und die daraus resultierenden Einschränkungen für andere Bauvorhaben haben viel Kritik hervorgerufen. Der damalige Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann argumentierte hingegen, dass die öffentliche Hand das Projekt nicht hätte finanzieren können und sich die Bauzeit von acht auf fünf Jahre verkürzt habe.[10]

Seit Freigabe der beiden Röhren 1999 ist der Tunnel bis 2010 drei Mal saniert worden.[11]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Leonberger Kreiszeitung vom 7., 10. und 16. November 2007
  2. Pressemitteilung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 3. Mai 2006
  3. Leonberger Kreiszeitung vom 24. November 2006: Stadt will die alten Tunnels doch schließen
  4. Stuttgarter Nachrichten vom 5. Oktober 2007
  5. a b c d Der Engelbergbasistunnel und der Umbau des Autobahndreiecks Leonberg, Tiefbau 10/1998 [1]
  6. http://de.structurae.de/structures/data/index.cfm?id=s0000673
  7. a b c Antrag der Abg. Claus Schmiedel u. a. SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Umwelt und Verkehr: Die Engelberg-Finanzierung und ihre Folgen. Drucksache 12 / 4315. Landtag von Baden-Württemberg (9. August 1999). Abgerufen am 10. Januar 2011.
  8. Millionensanierung als Gruß an Stuttgart 21. Stuttgarter Nachrichten vom 21. August 2010.
  9. Birgit Klein (9. September 2009): 10 Jahre Engelbergtunnel: Eine Stadt atmet auf. Stuttgarter Nachrichten. Abgerufen am 10. Januar 2011.
  10. Norbert F. Pötzl, Wolfram Bickerich (1. September 1997): Ich habe eine Vision. Der Spiegel. Abgerufen am 10. Januar 2011.
  11. Engelbergtunnel - Zwei Roehren - ein Fass ohne Boden. In: Stuttgarter Nachrichten vom 8. September 2010
48.8036111111119.0381944444445

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