Stiftskirche (Stuttgart)

Stiftskirche (Stuttgart)
Stiftskirche um 1900, Ansicht von Osten (Schillerplatz)
Ansicht von Westen (Stiftstraße), von 2007
Stiftskirche 2010

Die in der Stuttgarter Innenstadt gelegene Stiftskirche ist die Hauptkirche der Evangelischen Landeskirche in Württemberg und Pfarrkirche der Stiftskirchengemeinde innerhalb des Kirchenkreises Stuttgart. Als Innenstadtkirche übernimmt sie weiterhin Aufgaben, die über ihre Parochie hinaus gehen. Der untere Teil des Südturms stellt das einzige erhaltene bauliche Zeugnis der Stauferzeit in Stuttgart dar. Mit ihren beiden ungleichen Türmen ist sie eines der Wahrzeichen der Stadt. Sie gilt zudem als sakrales Zentrum und Hauptkirche des protestantischen Württembergs.

Inhaltsverzeichnis

Baugeschichte

Romanik

Während man bisher annahm, dass es aus dieser Zeit keinerlei bauliche Zeugen mehr gibt, zeigen aktuelle Funde im Altarbereich und im Schiff der Stiftskirche eine einschiffige frühromanische Kirche mit halbrunder Apsis, die im 10. oder 11. Jahrhundert entstanden ist. Diese erste Kirche liegt mitten im Grundriss der heutigen Stiftskirche; wie die Jahresringe bei einem Baum legen sich die baulichen Zeugnisse der nachfolgenden Jahrhunderte um den ältesten Kern.

Doppeltumba von Graf Ulrich I. „dem Stifter“ (hinten) und Herzogin Agnes von Liegnitz (vorn) in der Stifterkapelle

Vermutlich im Zusammenhang mit dem benachbarten Schloss wird aus der Dorfkirche um 1240 eine herrschaftliche dreischiffige Kirche mit geplanten zwei Türmen (realisiert wird nur der Südturm) und einem Chor, von dem nur die Breite, nicht aber der Chorabschluss und die Länge bekannt sind. Die Breite der Dorfkirche mit ca. 7 m wird nun zur Breite des Mittelschiffs, das nach Norden, Süden und Westen um jeweils ca. 3,50 m vergrößert wird.

In der Stifterkapelle im Südturm steht das älteste Denkmal der Kirche, eine spätromanische Doppeltumba von Graf Ulrich I. „dem Stifter“ und Herzogin Agnes von Liegnitz, entstanden Ende des 13. Jahrhunderts. Sie war ursprünglich farbig gefasst. Ulrich und Agnes sterben 1265; ihre Gebeine werden um 1320 nach Stuttgart überführt. Graf Ulrich und seine Gemahlin sind in Lebensgröße dargestellt. Ulrich steht auf zwei Löwen – Symbol des Heldentums – und über dem Kopf befindet sich das württembergische Wappen. Agnes steht auf zwei Hunden – Symbol der ehelichen Treue; vor ihrer Brust hält sie das Modell des Chores; über dem Kopf ist das Wappen mit dem schlesischen Adler angebracht. Der Chor wurde jedoch sehr viel später erst geplant und gebaut. Daher handelt es sich hier um eine spätere Zutat.

Frühgotik

Der frühgotische Chor (erste Hälfte 14. Jahrhundert)
Der Chor von innen

Um 1320 werden durch Graf Eberhard den Erlauchten das Chorherrenstift und die Grablege der Grafen von Württemberg von Beutelsbach nach Stuttgart verlegt, da hier in der Residenz ein besserer Schutz gewährleistet ist. Die Grablege in Beutelsbach war bei Streitigkeiten zwischen Kaiser und Graf zerstört worden. Nun wird die Stadtkirche durch päpstliches Dekret zur Stiftskirche erhoben. Ein Propst (gewählt von den Chorherren), zwölf Chorherren und zwölf Vikare tun hier Dienst. Zusammen mit weiteren Priestern ist mit ca. 30 Priestern an der Kirche zu rechnen.

Da die große Zahl von Priestern Platz braucht, wird 1321/1327–1347 ein neuer Chor in frühgotischem Stil errichtet, der im Wesentlichen heute in den ursprünglichen Formen sichtbar ist. Die Achse des Chores wird gegenüber dem Schiff nach Süden versetzt, was auch später – beim Neubau des Kirchenschiffs – so bleibt. Grund ist vermutlich die umgebende Bebauung auf der Nordseite der Kirche und eventuell die Weiterverwendung der romanischen Nordwand als Teil der neuen Chornordwand.

Die 1321 aus Beutelsbach hierher überführten Gebeine der württembergischen Ahnen werden in einer Grabkammer unter der Sakristei bestattet. Graf Eberhard selbst wird unmittelbar neben dem Südturm in der Südwestecke des Chors begraben. Sein Grab wurde bei Grabungen am Fundament beim letzten Umbau entdeckt. Seit dieser Zeit werden die württembergischen Grafen in der Stiftskirche bestattet.

Gleichzeitig erhält der Südturm sein viertes und um 1400 das fünfte Geschoss. Ca. seit 1380 ist ein Lettner (nicht erhalten) zwischen Chor und Schiff bezeugt. Dieser „Brückenlettner“ bietet recht viel Platz: für das Grafenhaus, eine Orgel (seit ca. 1380) und Grabmäler.

Spätgotik

Graf Ulrich V. baute die Stadt Stuttgart aus, so ließ er auch die Stiftskirche erweitern. Von 1436 bis etwa zum Ende des 15. Jahrhunderts wurde an den frühgotischen Chor ein spätgotisches Schiff angebaut. Zur Finanzierung erhob der Graf, der trotzdem als der „Vielgeliebte“ bezeichnet wird, eine Steuer. 1463 wurde ein Ablass für alle, die zum Neubau spendeten, erhoben.

Nordwand mit den gotischen Maßwerkfenstern

Von diesem spätgotischen Schiff sind nur die Nordwand mit den Seitenkapellen und der große Westturm erhalten. Unter dem Baumeister Hänslin Jörg, der ein Schüler des Münsterbaumeisters von Ulm und Straßburg war, wurde der Bau begonnen und dann von seinem Sohn Aberlin Jörg vollendet. Es mussten die Gegebenheiten berücksichtigt werden (Südturm, Chor, Alte Sakristei, Annakapelle). Daher waren die Wandfluchten des Mittelschiffs bereits – wie bei der spätromanischen Basilika – vorgegeben. Auch an der Achsenverschiebung gegenüber dem Chor war nichts mehr zu ändern.

Das Kirchenschiff wurde als Staffelhalle gebaut. Das Mittelschiff und die Seitenschiffe werden von Netzrippengewölben überspannt. Der Raum wirkt wie eine fünfschiffige Hallenkirche, ist jedoch sehr dunkel durch die tief liegenden Fenster und die schmalen Schiffe. Viele Seitenkapellen jeweils mit Altären wurden für die Gottesdienste der zahlreichen Chorherren benötigt. Die Schlusssteine im Gewölbe standen in Beziehung zu den einzelnen Altären unten. Die Kirche war rot-orange und blau ausgemalt, und die teilweise erhaltenen, heute grauen Steinskulpturen waren ursprünglich farbig gefasst. Der Eindruck des Kirchenraumes war also recht farbenfroh.

Die Außenwirkung der Kirche wurde seit der Spätgotik außer von den Türmen von dem gewaltigen Dach bestimmt, das alle Schiffe überdeckte; ein Meisterwerk der Zimmerleute. An der Fassade gab es auf der Südseite zwei Portale (im zweiten Joch und im fünften Joch), von denen das südwestliche („Aposteltor“) besonders reich geschmückt war (nicht erhalten). Die Südseite war die Schauseite der Kirche, nicht die Westseite. Schmuck der Fassaden waren nur die Strebepfeiler, Gesimse und die Maßwerkgliederung der Fenster – ein sehr schlichter Schmuck also.

Der flachgedeckte Hauptturm (1490–1531), das gewaltige Dach und der Südturm (oberste Geschosse aus dem 14. und 15. Jahrhundert)

1463/64 erhielt der Südturm sein sechstes Geschoss, das auch Sitz des Türmers wurde (später auf dem Westturm). Von ca. 1490 bis 1531 wurde der große Westturm (Hauptturm) durch Baumeister Marx (oder Marr) errichtet. Ursprünglich war ein spitzer Turmhelm geplant, doch vor der Vollendung kam durch die einsetzende Reformation der Bau ins Stocken und erhielt dadurch sein „schwäbisch sparsames“ flaches Dach, das die Silhouette der Stiftskirche so unverwechselbar macht. Der Turm hat eine Höhe von 61 m. 1530 wurde eine Uhr mit Schlagwerk eingebaut. Die Turmvorhalle des Westturms war ursprünglich in ganzer Höhe zum Schiff hin offen. Der Turm steht quasi über dem Schiff, er ruht zur Hälfte auf den westlichen Mittelschiffpfeilern.

Aus der Spätgotik stammen auch sehr viele Kunstwerke in und an der Stiftskirche. Am Westturm finden sich die vier Evangelisten, die 1495 entstanden. Das herausragendste spätgotische Kunstwerk an der Stiftskirche ist das Aposteltor von 1494, von dem leider nur die Figuren (aus der Uracher Schule) erhalten sind. Ursprünglich war das Aposteltor ein Gesamtkunstwerk aus Architektur und Steinplastik.

Etwa 1500 wurde die „Goldene Kanzel“ errichtet. Sie war vermutlich ursprünglich farbig gefasst und wurde erst im 19. Jahrhundert vergoldet – aus dieser Zeit stammt auch der Name. Von der Kanzel sind wenig mehr als die Reliefs mit den Kirchenvätern Hieronymus, Gregor, Augustinus und Ambrosius erhalten, die heute im Chor aufgestellt sind. Später wurden diese Kirchenväter ihrer Kopfbedeckungen „beraubt“, da sich die reformierte Gemeinde an den „katholischen“ Kopfbedeckungen störte (Gregor beispielsweise war Papst und wurde daher mit der Tiara dargestellt). Die Kopfbedeckungen wurden zurückgearbeitet und die Figuren erhielten an deren Stelle Frisuren. So erfolgte die Umdeutung der Kirchenväter zu den Evangelisten.

Renaissance und Barock

Die Einführung der Reformation in Württemberg (1534) führt auch zu einer Neuordnung des Kirchenraums. In Langhaus und Chor wird ein Gestühl eingebaut, auf der Südempore der Fürstenstand eingerichtet, Bilder werden entfernt, Hochaltar und Altäre in den Seitenschiffen entfernt. Durch den Einbau des Gestühls im Schiff kann die Stiftskirche weniger Menschen fassen als vorher, daher werden Emporen eingebaut. In der Zeit der Reformation werden in der Stiftskirche ausschließlich Grabmale als Kunstwerke geschaffen. Ebenso werden die Grabsteine von außen in die Kirche versetzt. Der Reformator Württembergs, Johannes Brenz, Autor des Württembergischen Bekenntnisses (Confessio Virtembergica), wurde 1553 als Stiftspropst an die Kirche berufen, diese wurde so zum Zentrum der württembergischen Reformation. Nach seinem Tod 1570 wurde er in der Stiftskirche unter der Kanzel beigesetzt.

1574 erteilt Herzog Ludwig Sem Schlör den Auftrag, die elf Grafenstandbilder an der Nordwand des Chores als „Ludwigs Ahnengalerie“ zu schaffen. Ursprünglich lautet der Auftrag nur auf die Restaurierung der an der Chorwand aufgestellten Grabmale, doch wird schließlich dieses bis heute den Chor prägende Renaissancekunstwerk gestaltet. Die Standbilder stellen elf württembergische Grafen dar, die jeweils in ihrer historisch korrekten Rüstung gezeigt werden. Die Standbilder aus Stein werden ursprünglich farbig gefasst, Waffen und Amtsattribute sind aus Metall. Jeweils auf dem Gesims oberhalb der Nischen auf einer schwarzen Marmortafel stehen Name, Geburts- und Todesjahr des Herrschers, und darüber befindet sich das dem Grafen zugehörige Wappen; zwischen diesen Wappenfeldern stehen schildhaltende Putten. Die Grafen stehen jeweils auf Löwen (Heldensymbol) vor flachen Bogennischen; die Nischen werden von Atlanten in Form von Hermen getrennt. Dargestellt sind diejenigen Grafen, die in direkter Nachfolge stehen und die in der Stiftskirche auch begraben sind; von Ost nach West:

Grafenstandbilder im Chor (1574)

Nach dem Tod Herzog Friedrichs I. 1608 wird unter dem Chor ein neues Grabgewölbe errichtet. Dabei werden die Gebeine der bisher bestatteten Toten in ein besonderes Behältnis geborgen. 1683 findet eine Erweiterung der Gruft unter der Sakristei statt und eine Verbindung mit der Chorgruft wird hergestellt. In den zwei räumlich getrennte Grabkammern unter Chor und Sakristei befinden sich heute insgesamt 66 Särge und weitere 40 Tote in einem Sammelbehältnis. Außer den oben genannten Grafen sind darunter die Herzöge:

Auch Königin Katharina († 1819), russische Großfürstin, die zweite Gemahlin König Wilhelms I., ruht fünf Jahre in der Gruft, bis sie in die Grabkapelle auf dem Württemberg überführt wird.

Historismus

Grundriss mit den spätgotischen Gewölben im Schiff und den Chor„gewölben“ des 19. Jahrhunderts

1826 muss wegen Einsturzgefahr das Chorgewölbe abgebrochen werden. Als Ersatz wird ein hölzernes Netzrippen„gewölbe“ mit Stuck eingebaut. Dieses Imitat prägt bis zu den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs den Chor.

1839–1843 findet die seit der Erbauung tiefgreifendste Veränderung des Kirchenschiffs durch den Architekten und Denkmalpfleger Carl Alexander Heideloff statt. Die Wände werden verputzt, Gewölbe bemalt und teilweise vergoldet, Malereien an den Emporen werden durch durchbrochene Holzbrüstungen ersetzt. Ebenso wird die spätgotische Kanzel reich vergoldet, weshalb sie danach als „Goldene Kanzel“ bezeichnet wird.

Ab 1890 führt Theophil Frey weitere „Verschönerungs-“ und Restaurierungsarbeiten mit Bemalung des Langhauses analog zum Chor durch. Die Fenster im Schiff werden erneuert, die Fensterbrüstungen in den Einsatzkapellen auf der Nordseite tiefergelegt, da die Stiftskirche als zu dunkel empfunden wird.

Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit

Bei Beginn des Zweiten Weltkriegs werden die Kunstwerke soweit möglich ausgebaut und größtenteils im Wagenburgtunnel gelagert. Die Grafenstandbilder im Chor, die Kanzel und das Aposteltor (außer den Figuren) werden durch Einmauerung und Schutzkonstruktionen vor Ort gesichert. 1943 schafft der Bildhauer Martin Scheible den Kruzifixus im Chorbogen. Das monumentale Hängekreuz auf hölzernem Tragbalken mit kraftvoll gearbeitetem Korpus erinnert an die ursprüngliche Weihe dieser Kirche „zum heiligen Kreuz“. Der Kruzifixus wird erst nach dem Krieg aufgehängt. Im Juli und im September 1944 wird die Stiftskirche durch Bombenangriffe schwer zerstört. Die Gewölbe im Schiff, die Südwand des Schiffs, die nördliche Pfeilerreihe werden ebenso vernichtet wie das Holz- und Stuckgewölbe des Chors.[1]

Figuren des ehemaligen Aposteltors

Der stark zerstörte Bau wurde in den 1950er Jahren nach Entwurf von Hans Seytter vereinfacht wiederaufgebaut. Dabei wurden Mauerreste der alten Kirche in den Neubau integriert und das dreischiffige Langhaus durch einen einheitlichen, mit einer Holztonne überspannten Kirchensaal ersetzt. Der Neubau sollte somit den damals aktuellen liturgischen Bestrebungen besser entsprechen.[2]

Das prächtige spätgotische Aposteltor an der Südseite des Langhauses wurde bei dem Wiederaufbau nicht in seiner ursprünglichen Form wiederhergestellt, stattdessen sind dessen Figuren jetzt östlich am Eingang der Vergenhanskapelle neu gruppiert.

Missionspforte (1958)

Das Aposteltor wird 1958 ersetzt durch eine Bronzetür von Jürgen Weber. Gestalterisches Thema ist der Bericht der Apostelgeschichte über das Werden der Urgemeinde. Die Darstellung ist ein Bilderzyklus mit reliefartig ausgebildeten Figuren als Reihung von Szenen mit unterschiedlich starker plastischer Bearbeitung. Den nach oben abschließenden Fries der Missionspforte am Aposteltor bildet der Missionsbefehl (Matthäus 28, 19): „Gehet hin in alle Welt und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ Er gibt der darunter folgenden Darstellungen von der Aussendung der Jünger durch den scheidenden Herrn und der Berufung des Paulus zum Apostel der Heiden die Deutung. Dann folgt im Mittelfeld in reicher Szenerie eine Schilderung vom Werden der Urgemeinde. Durch die Ausgießung des Geistes und die Pfingstpredigt des Petrus ist das Volk in gottgewirkte Unruhe versetzt. Es dürstet nach Gott wie die dargestellten Hirsche nach frischem Wasser. In Scharen drängen die Menschen zur Taufe. Der unterste Bildstreifen zeigt vor der Häuserkulisse Jerusalems die Diakonie in der christlichen Gemeinde. Im linken Feld werden Spenden herbeigebracht und unter die Armen verteilt, während rechts eine eindrucksvolle Darstellung von der Steinigung des Armenpflegers Stephanus zu sehen ist.

Begründet durch statische und akustische Probleme mit der Bausubstanz aus der Nachkriegszeit begann im Jahre 1999 ein Umbau des Innenraums der Kirche. Nach einem Entwurf des Hamburger Architekten Bernhard Hirche wurde die Tonnendecke durch eine neue Deckenkonstruktion ersetzt, die einerseits den in der Nachkriegszeit bewusst vereinheitlichten, in eigenständigen Formen neu aufgebauten Kirchenraum bewahrt, andererseits die historische Dreischiffigkeit und die Netzgewölbekonstruktion der alten Stiftskirche in moderner Weise zitiert. Die vor allem für Orgelkonzerte benötigte Nachhallzeit wird bei der neuen Decke durch eingespannte Akustiksegel aus Glas verbessert. Weiterhin wurde unter dem Langhaus ein neues Gemeindezentrum errichtet. Die hierbei entdeckten Fundamentmauern des Vorgängerbaus und archäologischen Funde werden dort in einer kleinen Ausstellung präsentiert. Nach einer Bauzeit von vier Jahren wurde die Stiftskirche am 13. Juli 2003 wieder ihrer Bestimmung übergeben.

Orgel

Blick zur Empore mit Orgel und neuer Deckenkonstruktion (nach Renovierung von 1999 bis 2003)

Die Geschichte der Orgeln der Stiftskirche reicht zurück in das Jahr 1381. Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts befanden sich die Orgeln auf dem Lettner, und waren recht klein disponiert. Im Jahr 1807 erhielt die Stiftskirche eine (gebrauchte) Orgel mit 64 Registern, die zuvor in der Klosterkirche Zwiefalten gestanden hatte. Sie wurde zunächst im Chorraum aufgestellt, im Jahr 1837 von Eberhard Friedrich Walcker (Ludwigsburg) in einem neugotischen Prospekt auf der Westempore aufgestellt und auf 80 Register erweitert.

Nachdem das Instrument 1944 völlig zerstört worden war, baute die Orgelbaufirma Walcker in den 1950er Jahren auf der Westempore eine neue Orgel mit 86 Registern[3].

Die Walcker-Orgel wurde 2004 durch ein neues Instrument ersetzt, das von der Orgelbaufirma Konrad Mühleisen (Leonberg) erbaut wurde. Aus der Vorgängerorgel wurden 7 Register übernommen. Die Mühleisenorgel hat 81 Register (5.366 Pfeifen, davon 352 aus der Vorgängerorgel) und ist damit das größte Kircheninstrument der Stadt. Im Rückpositiv befindet sich ein Glockenspiel (c0-d3), im Schwellpositiv ein Röhrenglockenspiel (G-g1). Außerdem verfügt die Orgel über zwei Zimbelsterne.

Die Orgel hat mechanische Schleifladen (mit Ausnahme des Pedals: elektrisch-pneumatische Kegelladen von 1958), eine mechanische Spieltraktur, mechanische Koppeln (mit Ausnahme der Koppeln für das IV. Manual (Schwellwerk), die elektrisch sind), und eine mechanische und elektrische Doppelregistratur[4].

I Rückpositiv C–a3
Principal 8′
Bifara (ab g0) 8′
Gedeckt 8′
Quintade 8′ A
Oktave 4′
Rohrflöte 4′
Sesquialtera II
Oktave 2′
Flöte 2′
Quinte 11/3
Scharff IV
Fagott 16′
Trompete 8′
Krummhorn 8′
Glockenspiel
Tremulant
II Hauptwerk C–a3
Principal 16′
Bordun 16′
Principal 8′
Flûte harmonique 8′
Gemshorn 8′
Rohrflöte 8′
Viola da Gamba 8′
Oktave 4′
Tibia 4′
Quinte 22/3
Oktave 2′
Mixtur maior IV
Mixtur minor V
Cornett V (ab g0)
Trompete 16′
Trompete 8′
Chamade 8′
III Schwellpositiv C–a3
Salicional 16′
Principal 8′
Concertflöte 8′
Salicional 8′
Unda maris (ab c0) 8′
Bourdon 8′
Principal 4′
Traversflöte 4′
Nasard 22/3
Waldflöte 2′
Terz 13/5
Septime 11/7
Piccolo 1′
Mixtur IV
Trompete 8′
Clarinette 8′
Vox humana 8′
Röhrenglocken
Tremulant
IV Schwellwerk C–a3
Lieblich Gedeckt 16′
Geigenprincipal 8′ A
Holzflöte 8′ A
Lieblich Gedeckt 8′
Gamba 8′
Aeoline 8′
Vox coelestis (ab c0) 8′
Principal 4′
Fugara 4′
Flute octaviante 4′
Flautino 2′
Progressio harm. III-V
Tuba 16′
Trompette harm. 8′
Oboe 8′
Clairon 4′
Tremulant
Pedal C–f1
Prinzipal 32′ A
Grand Bourdon 32′ A
Principal 16′
Subbass 16′ A
Offenbaß 16′ A
Harmonikabaß 16′
Octavbaß 8′
Bourdon 8′
Violoncell 8′
Quinte 51/3
Choralbaß 4′
Hintersatz IV
Kontraposaune 32′ A
Posaune 16′
Fagott 16′
Trompete 8′
Clarine 4′
Normalkoppeln: I/II, III/II, IV/II, III/I, IV/I, IV/III, I/P, II/P, III/P, IV/P
Suboktavkoppeln: IV/IV, IV/III, IV/II, III/III
Superoktavkoppeln: IV/IV, IV/P
Elektronisches Speichersystem mit 30 Ebenen à 999 Kombinationen und Diskettenlaufwerk
Walze für Registercrescendo
Züge für Elektronische Winddrosseln
Sordino für Röhrenglocken
Clarinette 8′ (Schwellpositiv) mit eigenem Windschweller
Zimbelstern (8 Glocken)
  • Anmerkungen:
A = Register aus der Vorgängerorgel von Walcker.

Glocken

Die Stiftskirche verfügt über einen Bestand von elf Glocken. Acht Glocken davon werden elektrisch geläutet und zwei Glocken dienen dem Uhrschlag. Die Torglocke muss per Seilzug geläutet werden.

Einzelglocken

Nr. Name Gussjahr Gießer, Gussort Durchmesser
(mm)
Masse
(kg)
Nominal
(HT-116)
Turm Funktion
1 Osanna oder Guldenglocke 1520 Martin Kissling, Biberach a. d. Riß 2010 ≈6000 a0 ±0 Westturm Festtagsglocke (Gloriosa), Stundenschlag
2 Heiligkreuz- oder Salveglocke 1690 3270 c1 ±0 Südturm Kreuzglocke und gleichzeitig die Sonntagsglocke (Dominica)
3 Große Betglocke 1964 Gießerei Rincker, Sinn 1470 1945 d1 −1 Südturm
4 Betglocke 1999 1320 1622 e1 −1 Südturm
5 Taufglocke 1956 Heinrich Kurtz, Stuttgart 1090 848 g1 ±0 Südturm
6 Gedächtnisglocke 970 594 a1 ±0 Südturm Schiedglocke (Totenglocke)
7 Herr-segne-uns-Glöckle 1498 Pantlion Sidler, Esslingen a. Neckar 490 ≈80 b2 ±0 Südturm, Laterne Segen
8 Silberglöckle 1507 380 35 des3 −1 Westturm, Dachgaube täglich um 21 und um 24 Uhr
I Torglocke 1285 unbekannt 1460 2050 d1 −5 Südturm Ursprünglich: Angelus- bzw. Betglocke. Erklingt zu besonderen Anlässen, z. B. am 25. Juli und am 13. September (Zerstörungsgedenktage) jeweils um 11 Uhr, und am Sonntag Invokavit zum Gottesdienst.
II Stundenglocke 1950 Heinrich Kurtz, Stuttgart 1030 658 g1 +1 Westturmspitze Stundenschlag
III Viertelstundenglocke 1541 unbekannt 680 ≈200 es2 +8 Westturmspitze Viertelstundenschlag

Inschriften

Nr. Name Inschriften
(Übersetzung)
1 Osanna oder
Guldenglocke
IHS [= JHESVS] – MARIA MATER – GRACIE MATER MISERICORDIAE – TV NOS AB HOSTE PROTEGE – IN HORA MORTIS SVSCIPE – MARIA VIRGO VIRGINVM – DEPOSCE NOBIS OMNIVM – REMISSIONEM CRIMINVM – TVVM PLACATO FILIVM

(Maria, Mutter der Gnade, Mutter der Barmherzigkeit, beschütze Du uns vor dem Feind, nimm uns in der Todesstunde auf! Maria, Jungfrau der Jungfrauen, erbitte uns Verzeihung aller unserer Sünden, versöhne Deinen Sohn!)
Osanna hais ich der boes find (Feind) flvicht mich –– ich bit dich her ihesv criste am crytze fron – dv wellest gesengne minen thon - das er alle vngwitter vertreib – vnd behiet den menschen sel und leib – dvrch firbit marie der mvoter din – dan in viwer (Feuer) ich gosse bin – im 1520 iar das gschach – dvrch martin kisling von bibrach

2 Heiligkreuz- oder Salveglocke SALVATOR MVNDI SALVA NOS – QUI PER CRVCEM – ET SANGVINEM REDEMISTI NOS – AVXILIARE NOBIS – TE DEPRECAMV(R) DEVS NOSTER

(Welterlöser, erlöse uns, der Du durch Kreuz und Blut uns losgekauft, hilf uns, Dich flehen wir an, unseren Gott!)
des hailgen critz glock ich genemt bin – vnd hon eben miner schewster[!] osanna sin – dan mir mit ain ander gossen sind – mir wellend vngwiter vnd wind – mit gottes hilf vertriben gar – martin kisling von bibrach – gos mich och fir wra[! = fürwahr] – im 1520 iar

3 Große Betglocke WO DER HERR NICHT DIE STADT BEHVETET, WACHT DER WAECHTER VMSONST (Ps 127,1)
4 Betglocke DER HERR, VNSER GOTT, SEI MIT VNS, WIE ER GEWESEN IST MIT VNSEREN VAETERN (1. Kön 8,57)
5 Taufglocke EIN HERR EIN GLAVBE EINE TAVFE (Eph 4,5)
6 Gedächtnisglocke GEGOSSEN 1938 VON WOLFGANG KURTZ GEFALLEN 1941 IN RUSSLAND – ZUR EHRE GOTTES WIEDERGEGOSSEN – VON MEISTER WILHELM u SOHN HANS KURTZ – IN STUTTGART –– GLEICHWIE SIE IN ADAM ALLE STERBEN, ALSO WERDEN SIE IN CHRISTO ALLE LEBENDIG GEMACHT WERDEN (1. Kor 15,22)
7 Herr-segne-uns-Glöckle s lvx max iohanes mathevs er gos mich pantlio(n) sidler vo(n) essling im m cccc l xxxxviii

(Sankt Lukas, Markus, Johannes, Matthäus zur Ehre goss mich Pantlion Sidler von Esslingen im Jahr 1498.)

8 Silberglöckle ossanna hais ich pantlio(n) sidler vo(n) esslinge(n) gos mich im xv c ij iar
I Torglocke ME RESONANTE PIA P(O)P(V)LI MEMOR ESTO MARIA ANNO D(OMI)NI M CC LXXXV ALPHA ETO

(Wenn ich erklinge, gedenke des Volkes, fromme Maria! Im Jahr des Herrn 1285. Alpha und O [d. h. Anfang und Ende].)

II Stundenglocke MEINE ZEIT STEHT IN DEINEN HAENDEN (Ps 31,16) – 1950
III Viertelstundenglocke VERBUM DOMINI MANET IN ETERNUM AMEN

(Gottes Wort bleibt in Ewigkeit. Jes 40,8)

Glasmalereien

In der Stiftskirche finden sich gestaltete Glasfenster von Hans Gottfried von Stockhausen.

Ausgewählte Bilder

Literatur

Einzelnachweise

  1. Bilder von der Kriegszerstörungen im Zweiten Weltkrieg auf www.stiftskirche.de, abgerufen 3. Mai 2009
  2. Wiederaufbau und Nachkriegszeit auf www.stiftskirche.de, abgerufen 3. Mai 2009
  3. Zur Geschichte der Orgeln.
  4. Zur Disposition der Mühleisen-Orgel.

Weblinks

 Commons: Stiftskirche Stuttgart – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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