Walter Lassally

Walter Lassally

Walter Lassally (* 18. Dezember 1926 in Berlin) ist ein deutscher Kameramann.

Leben

In Berlin betrieb sein Vater eine kleine Firma, die sich auf die Herstellung von Industriefilmen spezialisiert hatte. Seine deutsche Kindheit endete plötzlich, als er 1939 im Alter von dreizehn Jahren mit seiner Familie vor den Nazis nach England fliehen musste. Bereits vor dem Ende seiner Schullaufbahn fasste er den festen Entschluss, Kameramann zu werden und war seit 1943 als Kameraassistent bei einer kleinen, unbekannten Produktionsgesellschaft beschäftigt, die Industriefilme herstellte. Zeitgleich arbeitete er auch als zweiter Kameraassistent in Spielfilmproduktionen in den Londoner Riverside-Studios.

1951 drehte Lassally seinen ersten Film als Chefkameramann. Er konzentriert sich zunächst auf dokumentarische Kurzfilme und arbeitete schon früh mit Lindsay Anderson, einem der entscheidenden Regisseure der „Free Cinema“-Bewegung zusammen. Thursday’s Children (1953) und Everyday Day Except Christmas (1956) wurden stark beachtet. Diese intensiven Erfahrungen im dokumentarischen Genre waren die Voraussetzung, dass Walter Lassally zu einem der Mitbegründer und herausragenden Vertreter der „Free Cinema“-Bewegung wurde, die sich um 1960 herausbildete. Diese Bewegung forderte eine Erneuerung des englischen Kinos durch aktuelle und realistische Stoffe und wollte sich mit ihren eigenen Inszenierungen vom kommerziellen amerikanischen Kino absetzen. Durch weitgehenden Verzicht auf künstliches Licht, dem intensiven Einsatz der Handkamera und der Verwendung unterschiedlicher Filmmaterialien innerhalb eines Films gelang Lassally dabei eine ganz neue Form des filmischen Realismus. Lassally drehte zwei der wichtigsten Filme der „Free Cinema“-Bewegung überhaupt: A Taste of Honey (Bitterer Honig; 1961) und The Loneliness of the Long Distance Runner (Die Einsamkeit des Langstreckenläufers; 1962), beide unter der Regie von Tony Richardson. Die Kritik hob immer wieder den dokumentarischen Stil und die Lebendigkeit dieser Filme hervor.

Von Anfang an war Walter Lassally ein Kameramann, der international ausgerichtet war. Bereits 1955 begann eine lang andauernde, produktive Zusammenarbeit mit dem griechischen Regisseur Michael Cacoyannis, die dann bei dem Film Zorba the Greek (Alexis Sorbas; 1964) einen Höhepunkt erfuhr. Schon in den 1950er Jahren drehte Lassally außerdem in Marokko und Pakistan.

Oscar von Lassally am Filmschauplatz Stavros auf Kreta

Nach dem weltweiten Erfolg des opulenten Historienfilms Tom Jones – Zwischen Bett und Galgen (Tom Jones, Regie: Tony Richardson) war Walter Lassally zu einem international renommierten Kameramann geworden. Dennoch sei die Auszeichnung mit dem Oscar für Zorba the Greek, so bekannte Walter Lassally, für ihn völlig überraschend gewesen. Nie und nimmer habe er mit dem Gewinn dieses Preises gerechnet. Was für andere Kameraleute einen Gipfelpunkt der Karriere bedeutet, darüber spricht er eher beiläufig - eine Bescheidenheit, die jedoch der eigenen Leistung nicht gerecht wird. Zorba the Greek ist vor allem visuell ein großartiger Film, zeichnet sich durch eine faszinierende Vielfalt von Lichtstimmungen und Stilebenen aus.

Der Gewinn des Oscars brachte Lassally einige lukrative Angebote aus Hollywood ein, die er jedoch ausschlug. Statt der großformatigen Produktionen mit ihrem Zwang zur Konventionalität bevorzugte er auch weiterhin die „kleinen“ Filme und die Zusammenarbeit mit Regisseuren, die sich als „Autor“ definierten und die seinen cineastischen Enthusiasmus teilten.

In den 1970er Jahren begann mit der äußerst erfolgreichen Kooperation mit dem amerikanischen Regisseur James Ivory, einem Spezialisten für eindringliche Literaturverfilmungen, eine neue Periode in der Laufbahn Walter Lassallys. Hier stellte er unter Beweis, dass er auch die großformatigen Produktionen und die gigantischen Ausstattungsfilme beherrscht, ohne dabei seine künstlerischen Ambitionen aufzugeben. Er entwickelte eine Meisterschaft, längst versunkene Welten in bezwingenden Bildern zu vergegenwärtigen. Heat and Dust (Hitze und Staub) aus dem Jahre 1983 (mit Greta Scacchi und Julie Christie in den Hauptrollen) konfrontiert die koloniale Vergangenheit Indiens mit der unmittelbaren Gegenwart. The Bostonians (Die Damen aus Boston; 1984) nach Henry James zeichnet subtil und facettenreich das Bild der amerikanischen Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Christopher Reeve, Vanessa Redgrave und Madeleine Potter spielen hier die Hauptrollen. Die Bildsinnlichkeit dieser Filme ist außerordentlich.

Zwischen 1975 und 1980 arbeitete Walter Lassally in der Bundesrepublik Deutschland. In der eher betulich wirkenden Böll-Verfilmung Ansichten eines Clowns (1975; Regie: Voytech Jasny, mit Helmut Griem und Hanna Schygulla) gibt es einige aufregende und verstörende Momente, die Walter Lassallys Kameraarbeit geschuldet sind. In diesen Jahren stellte er seine reiche Bilderfahrung jungen Regisseuren wie Hans Noever und Thomas Brasch zur Verfügung. Deren Filme gewinnen dadurch eine ganz eigene Ausdrucksdimension. Die Frau gegenüber (1977; Regie: Hans Noever) und Engel aus Eisen (1980; Regie: Thomas Brasch, mit Hilmar Thate und Katharina Thalbach) wirken in manchen Partien wie eine Reminiszenz an Walter Lassallys „Free Cinema“-Anfänge.

In den 1980er Jahren arbeitete Lassally außerdem für das amerikanische Fernsehen und unterrichtete gleichzeitig an der National Film and Television School in Beaconsfield.

Heute lebt Walter Lassally in Griechenland – und zwar auf der Insel, wo er vor fast 40 Jahren Zorba the Greek drehte: auf Kreta.

Literatur

  • Itinerant cameraman. London : Murray, 1987

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