Wertpapierübernahmegesetz

Wertpapierübernahmegesetz

Im Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) sind die Pflichten eines Erwerbers von Anteilen an Gesellschaften geregelt, wenn dieser die Kontrolle über die Gesellschaft ausübt oder erlangen will und der Handel der von der Gesellschaft ausgegebenen Wertpapiere an einem organisierten Markt im Inland oder - unter bestimmten Voraussetzungen - in anderen Ländern der Europäischen Union zugelassen ist. Von besonderer Bedeutung ist das Gesetz und die dazu erlassene Durchführungsverordnung (Kurzname: WpÜG-Angebotsverordnung) für börsennotierte Aktiengesellschaften.

Basisdaten
Titel: Wertpapiererwerbs-
und Übernahmegesetz
Abkürzung: WpÜG
Art: Bundesgesetz
Geltungsbereich: Bundesrepublik Deutschland
Rechtsmaterie: Handelsrecht
FNA: 4110-7
Datum des Gesetzes: 20. Dezember 2001
(BGBl. I S. 3822)
Inkrafttreten am: 1. Januar 2002
Letzte Änderung durch: Art. 3 G vom 18. April 2009
(BGBl. I S. 770, 772)
Inkrafttreten der
letzten Änderung:
24. April 2009
(Art. 6 G vom 18. April 2009)
Bitte beachten Sie den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung.

Das Gesetz dient in erster Linie dem Schutz von Kleinaktionären oder auch Minderheitsaktionären vor wirtschaftlichen Nachteilen, wie sie im Falle eines unkontrollierten und ungeordneten Bekanntwerdens von Übernahmeabsichten oder nach Erlangung der Kontrolle über eine Gesellschaft in Folge hierdurch ausgelöster Marktverzerrungen eintreten könnten.

Inhaltsverzeichnis

Kontrolle

Die „Kontrolle ist das Halten von mindestens 30 Prozent der Stimmrechte an der Zielgesellschaft“ (§ 29 Abs. 2 WpÜG). Die Quote von 30 % wurde gewählt, weil hiermit vielfach bereits die Mehrheit der vertretenen Stimmrechte in einer Hauptversammlung erreicht wird.

Übernahmeangebot

Übernahmeangebote sind Angebote, die auf den Erwerb der Kontrolle gerichtet sind (§ 29 Abs. 1 WpÜG). Das Übernahmeangebot muss eine „angemessene Gegenleistung“ (§ 31 WpÜG i.V. mit § 3 WpÜG-Angebotsverordnung) für die Anteile enthalten, wobei ein im WpÜG bestimmter Mindestwert nicht unterschritten werden darf (Berechnungsschema sh. weiter unten). Der Gegenwert besteht in aller Regel aus einer Geldleistung (Übertragung der Aktien gegen Geld) oder Aktien der eigenen Gesellschaft (Aktientausch). Mit dem Übernahmeangebot ist die Dauer der Annahmefrist zu bestimmen. Diese beträgt mindestens vier, höchstens zehn Wochen.

Endet die Annahmefrist für das Übernahmeangebot und wurde eine eventuell festgelegte Mindestannahmequote erreicht, so haben nach §16 Abs. 2 WpÜG die verbleibenden Aktionäre, die das Angebot nicht angenommen haben, 2 weitere Wochen Zeit sich für das Angebot zu entscheiden. Diese Regelung wird auch als Zaunkönig-Regelung bezeichnet[1], was von dem Vogel Zaunkönig abgeleitet ist. Dieser gilt als schlauer und listiger Vogel und symbolisiert quasi einen auf dem Zaun sitzenden Aktionär, der den Überblick und 2 zusätzliche Wochen Zeit hat sich zu entscheiden ob er das Angebot doch noch annehmen will oder nicht (während andere Aktionäre ihre Anteile bereits bindend verkauft haben).

Erwirbt ein Bieter über 95% der Stimmrechtsanteile des Zielunternehmens und erreicht somit die Squeeze-out-Grenze, so haben die verbleibenden Altaktionäre noch innerhalb von 3 Monaten nach Ablauf der Annahmefrist das Recht das letzte Angebot anzunehmen (sell-out; §39c WpÜG).

Pflichtangebot (§§ 35 ff. WpÜG)

Den Pflichten des § 35 Abs. 1 und 2 WpÜG unterliegt, wer die Kontrolle über eine Zielgesellschaft im Sinne des § 2 Abs. 3 WpÜG erlangt. Das Gesetz bezeichnet die von der Angebotspflicht betroffene Person als „Bieter“ (§ 2 Abs. 4 WpÜG). Kontrolle ist in § 29 Abs. 2 WpÜG als das Halten von mindestens 30% der Stimmrechte an der Zielgesellschaft legaldefiniert. Diese Grenze orientiert sich an Regelungen in anderen europäischen Staaten und trägt zugleich den durchschnittlichen Hauptversammlungspräsenzen deutscher Unternehmen Rechnung. Der Stimmrechtsanteil des Bieters an der Zielgesellschaft setzt sich zusammen aus den Stimmrechten, die vom Bieter selbst gehalten werden und solchen Stimmrechten, die dem Bieter nach § 30 WpÜG zugerechnet werden. Nach § 36 WpÜG sowie § 20 WpÜG bleiben in bestimmten Fällen Stimmrechte auf Antrag bei der Berechnung des Stimmrechtsanteils unberücksichtigt. Für andere Sachverhalte steht es im Ermessen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), den Kontrollerwerber trotz Überschreiten der Kontrollschwelle von seinen Pflichten nach § 35 WpÜG zu befreien (§ 37 WpÜG iVm. § 9 AngebVO). Die Gegenleistung, die dieser anzubieten hat, ist für (freiwillige) Übernahmeangebote und das Pflichtangebot einheitlich in § 31 WpÜG iVm. §§ 3 ff. AngebVO geregelt. § 38 WpÜG normiert einen Zinsanspruch der Aktionäre gegen den säumigen Bieter. Schließlich verweist § 39 WpÜG auf die Vorschriften der Abschnitte 3 und 4, die auch auf Pflichtangebote Anwendung finden. (Quelle: Christoph Faden, Das Pflichtangebot nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2008, S. 5 f.)

Ausschluss der übrigen Aktionäre

Gehören einem Bieter nach einem Übernahme- oder Pflichtangebot mindestens 95 % des stimmberechtigten Grundkapitals der Gesellschaft, sind ihm auf Antrag die übrigen stimmberechtigten Aktien gegen Gewährung einer angemessenen Abfindung zu übertragen. Als angemessen ist die im Rahmen des Übernahme- und Pflichtangebotes gewährte Gegenleistung anzusehen, wenn der Bieter auf Grund seines Angebotes Aktien in Höhe von 90 % des von seinem Angebot betroffenen Grundkapitals erworben hat (§ 39a WpÜG).

Das bedeutet, wenn ein Bieter, der beispielsweise genau 30 % des stimmberechtigten Grundkapitals einer Gesellschaft hält, den anderen Aktionären pflichtgemäß ein Übernahmeangebot unterbreitet, so kann er mit diesem Angebot 70 % des stimmberechtigten Grundkapitals erreichen. Erwirbt er auf Grund seines Angebotes weitere 63 % (also 90 % von 70 %) des Grundkapitals, ist eine Bedingung erfüllt, diesen Angebotspreis auf das restliche Grundkapital zum Ausschluss der übrigen Aktionäre anwenden zu können. Da zur Ausübung dieser Option aber darüber hinaus die Bedingung erfüllt sein muss, mindestens 95 % des stimmberechtigten Grundkapitals zu halten, der Bieter in diesem Beispiel jedoch nur 93 % (30 % + 63 %) hält, kann er von der Bestimmung des § 39a WpÜG nur Gebrauch machen, wenn er im Zuge des Übernahmeangebotes mindestens 65 % des Grundkapitals erwerben konnte.

Mindestwert

Der Mindestwert (Mindestpreis im Übernahmeangebot) wird auf Grund der Marktpreisentwicklung der jüngeren Vergangenheit ermittelt. Handelt es sich um Aktien, die zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind, muss der Gegenwert mindestens dem gewichteten inländischen Börsenkurs dieser Aktien während der letzten drei Monate vor der Veröffentlichung eines Angebotes entsprechen. Die Gewichtung erfolgt auf der Grundlage der Umsätze der an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nach § 9 des Wertpapierhandelsgesetzes als börslich gemeldeten Geschäfte.

Für den Fall, dass der Käufer innerhalb der letzten 6 Monate vor Veröffentlichung des Angebots einen höheren als den oben berechneten Durchschnittspreis gezahlt hat oder bereit war zu zahlen, hat der Angebotspreis mindestens diesem Preis zu entsprechen.

Das folgende auf fünf gedachte Handelstage verkürzte Berechnungsbeispiel veranschaulicht das Prinzip der Ermittlung des Mindestwertes.

Tag Kurs Handelsvolumen Stück Kurs x Handelsvol.
1 100 1.000 100.000
2 110 2.000 220.000
3 115 5.000 575.000
4 120 10.000 1.200.000
5 125 20.000 2.500.000
Summen 570 38.000 4.595.000



daraus herleitbar:

ungewichteter Durchschnittskurs: 114,00 (570 : 5)

umsatzgewichteter Durchschnittskurs: 120,92 (4.595.000 : 38.000)






Der Börsenkurs am letzten Handelstag (= letzter Handelstag vor der Veröffentlichung des Übernahmeangebotes) liegt bei 125. Der ungewichtete Durchschnittskurs aus allen zu Grunde liegenden Handelstagen beträgt 114. Der umsatzgewichtete Durchschnittskurs und damit der Mindestpreis eines Übernahmeangebotes beläuft sich auf 120,92. Dieser Wert ist der Mindestbetrag für eine Geldleistung je Aktie oder bestimmt das Bezugsverhältnis für einen etwaig angebotenen Aktientausch. Soll das Angebot genau auf dem Niveau des Mindestwertes erfolgen und beläuft sich der Börsenkurs der zum Tausch angebotenen Aktie des Bieters am maßgeblichen Stichtag beispielsweise auf 181,38, lautet das Umtauschverhältnis 3 : 2, d.h. für je drei Aktien des Unternehmens, dem das Umtauschangebot gilt, erhält der Aktionär zwei Aktien des Bieterunternehmens ( 3 × 120,92 = 2 × 181,38).

Handlungsoptionen

Will ein potenzieller Übernehmer (der Bieter) erreichen, dass andere Aktionäre auf sein Übernahmeangebot eingehen (was bei freiwilligen Angeboten in der Natur der Sache liegt), wird er ein Angebot unterbreiten, das deutlich über dem Mindestpreis, meist auch über dem letzten Börsenkurs liegt, da die Aktionäre, an die sich das Angebot richtet, ansonsten den für sie vorteilhafteren Verkauf zum aktuellen Börsenpreis wählen würden, überdies auf weiter steigende Börsenkurse spekulieren und damit die Absicht des Bieters vereiteln könnten, die Kontrolle über die Gesellschaft zu erlangen.

Ist der Anbieter, der ein Pflichtangebot zu unterbreiten hat, an der Übernahme weiterer Aktien nicht interessiert, erfüllt er also nur seine ihm nach dem WpÜG obliegende Pflicht, wird er sein Angebot am Mindestpreis orientieren. Diese Konstellation lag beispielsweise im März 2007 vor, als Porsche, nachdem das Unternehmen seine Beteiligung an VW durch Zukäufe auf mehr als 30 % aufgestockt hatte, den anderen VW-Aktionären ein Pflichtangebot in Höhe des Mindestpreises unterbreitete, der um rund 15 % unter dem damaligen Börsenkurs lag. Gleichwohl kommt der Bieter auch in einem solchen Fall nicht umhin, die Finanzierung der Übernahme weiterer Aktien sicherzustellen, da er nicht wissen kann, ob es in Folge seines Angebotes zu einem starken Kursrückgang kommt und somit die Annahme des zu Beginn der Annahmefrist niedrig erscheinenden Übernahmeangebotes entgegen den Erwartungen und Zielen des Bieters für andere Aktionäre im Verlaufe der Annahmefrist doch wirtschaftlich vorteilhaft werden kann. Dieser Fall kann beispielsweise eintreten, wenn sich eine im Vorfelde des Übernahmeangebotes entstandene Spekulationsblase auflöst.

Literatur (Auswahl)

  • Haarmann/Schüppen: Frankfurter Kommentar zum WpÜG. Verlag Recht und Wirtschaft, 3. Auflage 2008, ISBN 978-3-8005-1457-1
  • Ehricke/Ekkenga/Oechsler: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz. Kommentar, 2003 ISBN 978-3-406-51199-8
  • Geibel/Süßmann: Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG). Kommentar, 2002 ISBN 978-3-406-48838-2
  • Wirtz, Harald: Die Übernahme börsennotierter Aktiengesellschaften - Eine ökonomische Analyse des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes. Monsenstein & Vannerdat, Münster 2004, ISBN 3-937-31239-0
  • Faden, Christoph: Das Pflichtangebot nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG). Cuvillier Verlag Göttingen, 2008 ISBN 978-3-86727-511-8

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. http://aktien.wallstreet-online.de/3574/nachrichten.html?news_id=2452630&inst_id=3574&market_id=1&spid=ws

Weblinks

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