Unternehmensübernahme

Unternehmensübernahme

Unternehmensübernahmen bezeichnen das Erlangen der Kontrolle eines Unternehmens. Unter Kontrolle kann die Befugnis zur Festlegung der Ziele und Bestimmung der Geschäftspolitik verstanden werden. Aus den marktwirtschaftlichen Prinzipien der Autonomie und des Privateigentums ergibt sich, dass die Kontrolle den Eigentümern zusteht.

Die Praxis der Unternehmensübernahmen wird in weiten Teilen durch die Vorgaben der angelsächsischen Praxis und deren spezielle Investmentbanken dominiert. Die juristische und wirtschaftswissenschaftliche Spezialdisziplin, die sich mit Unternehmensübernahmen befasst, wird daher auch als Mergers & Acquisitions (M&A) bezeichnet.

Übernahmen von börsennotierten Unternehmen verlaufen nach eigenen, speziellen Regeln. Hier ist zudem die Möglichkeit einer sog. feindlichen Übernahme gegeben.

Inhaltsverzeichnis

Formen

In den meisten Fällen vollzieht sich eine Unternehmensübernahme im Wege des Unternehmenskaufs, d. h. ein Unternehmen erwirbt eine Mehrheit der Anteile an einem anderen Unternehmen (auch als Share Deal bezeichnet). Des Weiteren gibt es den sog. Asset Deal, bei dem sämtliche oder wesentliche Teile der Vermögensgegenstände (engl. assets) eines Unternehmen erworben werden. Eine Unterform der Unternehmensübernahme ist die Fusion zweier Unternehmen, bei der die Anteilseigner der verschmelzenden Rechtsträger am übernehmenden Unternehmen beteiligt werden.

Die rechtlichen und wirtschaftlichen Eigenarten der Unternehmensübernahme variieren stark, je nach Größe und Rechtsform des Unternehmens. Handelt es sich bei dem Übernahmeobjekt um eine GmbH oder eine GmbH & Co. KG, bedarf der Kaufvertrag zwingend der notariellen Beurkundung. Handelt es sich um ein börsennotiertes Unternehmen, sind die Vorgaben des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG) einzuhalten. Zudem sind regelmäßig kartellrechtliche Fragen zu prüfen, insbesondere ob der Unternehmenskauf einer Anmelde- und Anzeigepflicht beim Bundeskartellamt oder der europäischen Kartellbehörde unterliegt (Fusionskontrolle).

Ablauf

Die Übernahme kann in die folgenden Phasen gegliedert werden:

  • Strategie und Planungsphase
  • Kontakt und Sondierungsphase
  • Letter of Intent (LoI)
  • Analyse- und Verhandlungsphase
  • Abschlussphase
  • Post-Audit-Phase

Der Ablauf einer Unternehmensübernahme wird maßgeblich von den handelnden Akteuren und den Eigenarten des zu übernehmenden Unternehmens bestimmt. Wenn ein Käufer Interesse am Kauf eines Unternehmens hat, bringt er dies zumeist in einem Letter of Intent zum Ausdruck. Dabei handelt es sich um eine (zumeist) rechtlich unverbindliche Absichtserklärung, die Grundlage für die folgenden Verhandlungen ist.

Regelmäßig führt der Käufer im Verhandlungsverlauf eine Due Diligence und eine Unternehmensbewertung durch. Bei größeren Unternehmenskäufen werden die Beteiligten nicht nur von Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern sondern bei besonders großen Verkäufen u.U., auch von Investmentbanken vertreten. Wenn es zum Abschluss des Unternehmenskaufvertrages (sog. Signing) kommt und alle evt. darin aufgeführten Bedingungen erfüllt sind, werden die Gesellschaftsanteile an dem zu übertragenden Unternehmen im Rahmen des sog. Closing auf den Käufer übertragen.[1]

Unternehmen werden häufig auch unter der Federführung von Investmentbanken im Rahmen von Auktionsverfahren (sog. controlled auction) veräußert.[2] Dabei werden nur bestimmte Bieter als Kaufinteressenten zugelassen.[3] Mit jedem Bieter werden getrennte und jeweils vertrauliche Verhandlungen geführt.[4] Das Unternehmen wird schließlich an den Bieter verkauft, der (aus der Sicht des Verkäufers) die günstigsten Vertragsbedingungen und den höchsten Kaufpreis bietet.[5]

Kennzeichnend für einen Unternehmenskauf ist, dass mit dem Kauf nicht nur die Sachwerte des Unternehmens, sondern auch dessen Schulden übernommen werden. Ebenso laufen alle Beschäftigungsverträge des Unternehmens unter dem Namen des bisherigen Unternehmers, lediglich die Bezahlung kommt vom neuen Unternehmen (Käufer).

Übernahme einer börsennotierten Aktiengesellschaft

Im Hinblick auf die Übernahme börsennotierter Gesellschaften existiert die Übernahmerichtlinie der Europäischen Union. Diese ist in Deutschland durch das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) umgesetzt. In Österreich wurde die Übernahmerichtlinie im Übernahmegesetz umgesetzt. In der Schweiz gilt das Börsengesetz (BEHG).

Gesetzliche Regelungen von Übernahmen börsennotierter Aktiengesellschaften befassen sich in erster Linie mit so genannten share deals (d. h. der Käufer erwirbt die Aktien des Zielunternehmens von den Aktionären).

Die Vorgaben des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG) sind u. a.:

Stimmrechtsquote

Damit eine Übernahme vorliegt, müssen die mit der Beteiligung verbundenen Rechte ausreichen, um sich gegebenenfalls gegen die anderen Miteigentümer durchsetzen zu können. Dadurch stellt sich die Frage, wie hoch die quotale Beteiligung sein muss, damit ihr Inhaber die Kontrolle über die Gesellschaft erlangt. Da mit verschieden hohen Beteiligungsquoten ein jeweils unterschiedlicher Umfang von Einflussmöglichkeiten einhergeht, sind verschiedene Abstufungen denkbar. In der Literatur werden als Kontrollquoten etwa die hundertprozentige Beteiligung, die Eingliederungsbeteiligung (95 % in Deutschland, 90 % in Österreich für die Möglichkeit des Ausschlusses von Minderheitsaktionären), die Dreiviertelmehrheit (75 %), die Mehrheitsbeteiligung (mehr als 50 %, mit anderen Worten „50 % plus eine Aktie“) oder die Sperrminorität (25 %) genannt.

Die genannten Quoten stellen aktienrechtlich fixierte Grenzen dar, die für bestimmte wesentliche Entscheidungen der Hauptversammlung mindestens notwendig sind. Dabei ist allerdings zu beachten, dass es für eine Reihe von Entscheidungen bereits genügt, wenn der genannte Prozentsatz am bei der Beschlussfassung vertretenen Kapital erreicht wird, so dass im Einzelfall auch schon ein geringerer Anteil am gesamten Grundkapital ausreicht, um eine geplante Maßnahme durchzusetzen. So eröffnet eine Mehrheit von 3/4 des bei der Beschlussfassung vertretenen Kapitals die Möglichkeit des Abschlusses eines Beherrschungsvertrages, mit dem die Aktiengesellschaft einem anderen Unternehmen weisungsgebunden unterstellt wird. Die einfache Mehrheit in der Hauptversammlung ermöglicht unter anderem die Besetzung des Aufsichtsrates, welcher wiederum den Vorstand bestellt. Daneben ist zu berücksichtigen, dass für zahlreiche Hauptversammlungsentscheidungen in der Satzung abweichende Kapitalmehrheiten bestimmt werden können. Das Vorliegen von Kontrolle stellt im betrachteten Fall also keinen binären Zustand dar, sondern ein Kontinuum an mehr oder minder starken Einflussmöglichkeiten des Kontrollinhabers. Welche Quote erreicht sein muss, damit von Übernahme gesprochen werden kann, ist nicht allgemeingültig zu beantworten, sondern ist vom Zweck der Betrachtung abhängig.

Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz definiert Kontrolle als das Halten von 30 % am Grundkapital. Begründet wird dies unter anderem damit, dass bei dieser Beteiligungsquote unter Berücksichtigung der üblichen Hauptversammlungspräsenzen börsennotierter deutscher Unternehmen in den meisten Fällen eine Hauptversammlungsmehrheit bestehe. Als ausschlaggebende Kontrollintensität wird also offenbar für alle denkbaren Fälle diejenige angesehen, die durch eine Hauptversammlungsmehrheit vermittelt wird, und auch die Umsetzung der Kontrollintensität in eine Quote am Grundkapital erfolgt durch eine Pauschalbetrachtung. Auch das österreichische Übernahmegesetz definiert eine Beteiligung, die über 30 % der Stimmrechte vermittelt, als kontrollierend.

Technik des Beteiligungserwerbs

Hinsichtlich der Technik des Beteiligungserwerbs an einer börsennotierten Aktiengesellschaft kann zunächst danach differenziert werden, ob die Aktien an der Börse oder außerbörslich erworben werden. Für den Fall des außerbörslichen Erwerbs wird zwischen individuell ausgehandelten Käufen und öffentlichen (Übernahme-)Angeboten unterschieden.

  • Der Beteiligungserwerb im Rahmen des Börsenhandels setzt ein entsprechendes Angebot von Aktien an den Wertpapierbörsen voraus. Da die im üblichen Verkehr börsentäglich umgesetzten Aktien nur einen geringen Bruchteil des gesamten Aktienbestandes ausmachen, wird man davon ausgehen können, dass der Aufbau einer größeren Beteiligung nur über einen längeren Zeitraum möglich ist. So wird in der möglichen Geheimhaltung der Erwerbsabsicht bei gleichzeitigem sukzessiven Erwerb häufig ein Mittel zur Bewältigung von möglichen Widerständen gegen die geplante Übernahme gesehen (sog. creeping-takeover). Es ist jedoch zu beachten, dass beim Überschreiten gewisser Meldeschwellen eine Stimmrechtsmitteilung geleistet werden muss, wobei der Erwerber auch seine Absichten offenlegen muss.
  • Ein zweiter grundsätzlicher Weg für den Beteiligungserwerb besteht in Individualvereinbarungen mit den derzeitigen Aktionären. Wegen der damit verbundenen Informations- und Verhandlungskosten erscheint dieser Weg nur dann sinnvoll, wenn hierdurch größere Beteiligungen von einzelnen Großaktionären oder Aktionärsgruppen erworben werden können (Paketkauf). Dabei sind mitunter deutlich über dem aktuellen Börsenwert liegende Preise zu zahlen. Die Differenz zum Börsenwert wird in der Literatur vielfach als Paketzuschlag oder Kontrollprämie bezeichnet. Sofern das zu erwerbende Paket groß genug ist, kann allein durch den Paketkauf die Kontrolle erworben werden.
  • Als dritte elementare Möglichkeit des Beteiligungserwerbs ist ein öffentliches Angebot zu sehen. Hierunter soll die öffentliche Offerte eines Bieters an die Aktionäre des zu übernehmenden Unternehmens verstanden werden, deren Aktien zu festgelegten Konditionen außerhalb des Börsenhandels innerhalb einer gewissen Frist zu erwerben. Als öffentlich ist das Angebot anzusehen, wenn es sich an eine Vielzahl von potenziellen Verkäufern wendet. Wenn die angestrebte Beteiligung zum Kontrollerwerb ausreicht, kann auch von Übernahmeangebot gesprochen werden. Auch bei Übernahmeangeboten ist davon auszugehen, dass ein über dem aktuellen Aktienkurs liegender Preis geboten bzw. bezahlt werden muss. Die Differenz kann wiederum als Kontrollprämie interpretiert werden.

Die drei beschriebenen Formen des Aktienerwerbs können auch in vielfacher Weise miteinander kombiniert werden. So ist zum Beispiel denkbar, dass ein Übernehmer zunächst anonym Käufe an der Börse tätigt und erst nach Erreichen einer kleineren Beteiligung oder wenn die Übernahmeabsicht ruchbar wird, ein öffentliches Übernahmeangebot macht. Parallel dazu könnten – sofern vorhanden – Pakete von einzelnen Großaktionären außerhalb der Börse gekauft werden. In jedem Fall schreibt die jeweilige Übernahmegesetzgebung vor, dass beim Überschreiten gewisser Anteilsschwellen ein öffentliches Pflichtangebot abgegeben werden muss (in Deutschland bei 30 %).

Erfolg

Die Erfolge von Fusionen & Übernahmen sind oft geringer als erwartet, da sich Skaleneffekte nicht einstellen oder durch Koordinationskosten überkompensiert werden.

Erfolgsstudien zum Thema Fusionen & Übernahmen berücksichtigen häufig nur eine Dimension von Fusionen & Übernahmen. Thomas Straub in "Reasons for Frequent Failure in Mergers and Acquisitions - A Comprehensive Analysis", 2007, untersucht in einer umfassenden Studie den Einfluss von mehreren Dimensionen (Strategische Logik, Integrationsaspekte sowie finanzielle Aspekte) auf das Scheitern von Fusionen & Übernahmen. Das Ergebnis der Studie zeigt, dass alle drei dieser Dimensionen einen signifikanten Einfluss auf den Erfolg von Fusionen & Übernahmen aufweisen.[6]

Siehe auch

Literatur

  • Beisel, Wilhelm/ Klumpp, Hans-Hermann Der Unternehmenskauf – Gesamtdarstellung der zivil- und Steuerrechtlichen Vorgänge einschließlich gesellschafts-, arbeits- und kartellrechtlicher Fragen bei der Übertragung eines Unternehmens. 5. Auflage, Beck Verlag, München 2006 ISBN 3406537073.
  • Ralf Ek/ Philipp von Hoyenberg: Unternehmenskauf und -verkauf. Beck-Rechtsberater im dtv, 1. Auflage 2006, ISBN 3-406-54707-9 (C.H. Beck)
  • Gerhard Picot: Unternehmenskauf und Restrukturierung – Handbuch zum Wirtschaftsrecht. 3. Auflage, C.H.Beck Verlag, München 2004, ISBN 3-4065-1464-2

Einzelnachweise

  1. Picot, in: Picot (Hg.) Unternehmenskauf und Restrukturierung. 3. Aufl. 2004, S. 23 ff. (mit Ablaufplan); Ek/v.Hoyenberg, Unternehmenskauf und -verkauf. S. 15 ff. (Ablauf im Überblick)
  2. Hierzu und zum Folgenden vgl. Hölters, in: Hölters (Hg.), Handbuch des Unternehmens- und Beteiligungskaufs. 6. Aufl. 2005, Teil I; Ek/v. Hoyenberg, Unternehmenskauf und -verkauf. S. 41 ff.
  3. Rozijn, NZG 2001, 494 ff. (insbesondere Fußnoten 43 f.)
  4. Rozijn, aaO.
  5. Picot, in: Picot, Unternehmenskauf und Restrukturierung. 2. Aufl., 1998, Teil I Rdn. 11 ff.
  6. Thomas Straub: Reasons for Frequent Failure in Mergers and Acquisitions - A Comprehensive Analysis, Deutscher Universitäts Verlag (DUV), Gabler Wissenschaft, 2007, ISBN 978-3-8350-0844-1

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