Wetterkurzschlüssel

Wetterkurzschlüssel
Ähnlich wie dieses von U 505 erbeutete Kenngruppenbuch wurde auch der Wetterkurzschlüssel mit wasserlöslicher roter Tinte auf rosafarbenem Löschpapier gedruckt, um ihn im Fall von Gefahr schnell vernichten zu können.

Der Wetterkurzschlüssel (Abkürzung: WKS) war ein Codebuch, das bei den U-Booten der Deutschen Kriegsmarine während des Zweiten Weltkriegs zur Verschlüsselung ihrer über Funk gesendeten Wettermeldungen („Wetterkurzsignal“) benutzt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Zur Geheimhaltung der im Zweiten Weltkrieg über Funk geführten Kommunikation zwischen dem Befehlshaber der U-Boote (BdU) und den deutschen U-Booten, die im Atlantik und im Mittelmeer alliierte Schiffe und Geleitzüge zu versenken hatten, wurde in erster Linie die Schlüsselmaschine ENIGMA verwendet.

Da die Gefahr der Entdeckung und Ortung der U-Boote durch alliierte Funkpeilung (“Huff-Duff”) gesehen wurde, wenn diese längere Funksprüche sendeten, und auch aus Gründen der Datenkompression, um so die Sicherheit der Verschlüsselung zu erhöhen, wurde angestrebt, nur möglichst kurze Sprüche zu senden. Hierzu diente der Wetterkurzschlüssel, bei dem, wie bei Codebüchern üblich, eine Reihe von im routinemäßigen Funkverkehr häufig benötigten Wettermeldungen entsprechenden geheimen Buchstabenkombinationen gegenübergestellt wurden. Die Tabelle zeigt als Beispiel die Codierung der Lufttemperatur, die dem Sachbuch Entzifferte Geheimnisse[1] entnommen wurde:

A +28 °C   +3 °C
B +27 °C   +2 °C
C +26 °C   +1 °C
D +25 °C    0 °C
E +24 °C   -1 °C
F +23 °C   -2 °C
G +22 °C   -3 °C
H +21 °C   -4 °C
I +20 °C   -5 °C
J +19 °C   -6 °C
K +18 °C   -7 °C
L +17 °C   -8 °C
M +16 °C   -9 °C
N +15 °C  -10 °C
O +14 °C  -11 °C
P +13 °C  -12 °C
Q +12 °C  -13 °C
R +11 °C  -14 °C
S +10 °C  -15 °C
T  +9 °C  -16 °C
U  +8 °C  -17 °C
V  +7 °C  -18 °C
W  +6 °C  -19 °C
Y  +5 °C  -20 °C
Z  +4 °C  -21 °C

Anstelle einer ausführlichen Meldung wie Lufttemperatur ist plus zehn Grad wurde nur der Buchstabe „S“ mit der ENIGMA verschlüsselt und anschließend zusammen mit weiteren verschlüsselten Informationen, wie Wassertemperatur, Luftdruck, Windrichtung, Windstärke, Sichtbedingung, Bewölkung, Position und Absender, die ebenso vor der Verschlüsselung mit ähnlichen Tabellen des Wetterkurzschlüssels codiert wurden, über Funk gesendet. Aufgrund der ungefähren Kenntnis der Lage des U-Boots konnte der Empfänger (BdU) den Buchstaben „S“, der laut obiger Tabelle 10 °C oder -15 °C bedeuten konnte, wieder in die richtige Temperatur zurückübersetzen.

Auf ähnliche Weise wurde die Richtung und die Art der Dünung mit ebenfalls nur einem einzigen Buchstaben codiert:

--------------------------------------------------------------------------
Richtung, aus der     |                  Art der Dünung                   
die Dünung kommt      |  niedrig   | mittelhoch |    hoch    |            
--------------------------------------------------------------------------
 N                    |     a      |     i      |     q      |              
 NO                   |     b      |     j      |     r      |              
 O                    |     c      |     k      |     s      |              
 SO                   |     d      |     l      |     t      |              
 S                    |     e      |     m      |     u      |              
 SW                   |     f      |     n      |     v      |              
 W                    |     g      |     o      |     w      |              
 NW                   |     h      |     p      |     x      |              
 Keine Dünung         |            |            |            |     y      
 Durcheinanderlaufend |            |            |            |     z        
               

Im Laufe der Zeit kamen unterschiedliche Ausgaben des Wetterkurzschlüssels zum Einsatz. Die erste Ausgabe trug den Decknamen „Weimar“. Sie wurde am 20. Januar 1942 durch die Ausgabe „Eisenach“ abgelöst. Am 10. März 1943 schließlich trat die dritte Ausgabe des Wetterkurzschlüssels in Kraft, die den Codenamen „Naumburg“ trug.

Fatal wirkte sich für die Deutschen aus, dass die Briten mit Kaperung des U-Bootes U 110 am 9. Mai 1941 nicht nur eine intakte Schlüsselmaschine ENIGMA-M3 erbeuten konnten, sondern ihnen auch sämtliche Geheimdokumente, unter anderem auch der Wetterkurzschlüssel „Weimar“ sowie das Kurzsignalheft in die Hände fiel und dies von der deutschen Führung nicht bemerkt wurde. So gelang es den Codeknackern im englischen Bletchley Park die Verschlüsselung der M3 zu brechen und die deutschen U-Boot-Funksprüche zu entziffern.

Eine Unterbrechung der Entzifferungsfähigkeit (“Black-out”) gab es dann, als bei den U-Booten am 1. Februar 1942 die M3 durch die ENIGMA-M4 abgelöst wurde. Diese verfügt im Gegensatz zur M3 nicht nur über drei sondern über vier Walzen, die zur Verschlüsselung benutzt werden. Der Black-out konnte erst überwunden werden, nachdem es am 30. Oktober 1942 dem britischen Zerstörer HMS Petard gelang, das deutsche U-Boot U 559 im Mittelmeer aufzubringen und den Wetterkurzschlüssel Ausgabe „Eisenach“ sowie die aktuelle Fassung des Kurzsignalhefts zu erbeuten.

Im Herbst 1944, in der Endphase des Zweiten Weltkriegs, wurde als technische Innovation das Kurier-Verfahren als neue Methode zur Übermittlung von Wetterkurzsignalen auf einigen U-Booten erprobt. Jedoch ist es vermutlich nur auf einem einzigen Boot im Fronteinsatz benutzt worden.

Filme

Ein Wetterkurzschlüssel ist im britischen Spielfilm Enigma – Das Geheimnis zu sehen, der auf dem Roman ENIGMA[2] basiert und die Entzifferungsarbeit der britischen Codeknacker von Bletchley Park thematisiert. Bei dem Original-Schaustück aus dem Bletchley-Park-Museum handelt es sich um ein authentisches deutsches Buch, das während des Zweiten Weltkriegs von einem deutschen U-Boot erbeutet wurde. Auch die diversen Funksprüche sind speziell für den Film nach den Original-Vorschriften und Verfahren wirklichkeitsgetreu erzeugt und verschlüsselt worden.[3]

Literatur

  • Arthur O. Bauer: Funkpeilung als alliierte Waffe gegen deutsche U-Boote 1939–1945. Selbstverlag, Diemen Niederlande 1997. ISBN 3-00-002142-6
  • Friedrich L. Bauer: Entzifferte Geheimnisse, Methoden und Maximen der Kryptographie. Springer, Berlin 2000 (3. Aufl.). ISBN 3-540-67931-6
  • Heinz Ulbricht: Die Chiffriermaschine Enigma – Trügerische Sicherheit. Ein Beitrag zur Geschichte der Nachrichtendienste. Dissertation Braunschweig 2005. PDF; 4,7 MB

Weblinks

Belege

  1. Friedrich L. Bauer: Entzifferte Geheimnisse, Methoden und Maximen der Kryptographie. 3. Aufl. Springer, Berlin 2000, S. 75, ISBN 3-540-67931-6
  2. Robert Harris: Enigma. Roman. Weltbild, Augsburg 2005. ISBN 3-89897-119-8
  3. Tony Sale: Making the Enigma ciphers for the film „Enigma“. Abgerufen: 26. März 2008.

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