Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte

Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte

Der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ist eine Straftat nach § 113 des deutschen Strafgesetzbuches. Der Tatbestand wurde zuletzt im November 2011 verschärft und gleichzeitig das mögliche Höchststrafmaß für einen nicht besonders schweren Fall von zwei auf drei Jahren Freiheitsstrafe angehoben[1].

Inhaltsverzeichnis

Wortlaut des § 113 StGB

(1) Wer einem Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei der Vornahme einer solchen Diensthandlung mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet oder ihn dabei tätlich angreift, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
1. der Täter oder ein anderer Beteiligter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, um diese oder dieses bei der Tat zu verwenden, oder
2. der Täter durch eine Gewalttätigkeit den Angegriffenen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(3) Die Tat ist nicht nach dieser Vorschrift strafbar, wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Täter irrig annimmt, die Diensthandlung sei rechtmäßig.
(4) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig an, die Diensthandlung sei nicht rechtmäßig, und konnte er den Irrtum vermeiden, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder bei geringer Schuld von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen. Konnte der Täter den Irrtum nicht vermeiden und war ihm nach den ihm bekannten Umständen auch nicht zuzumuten, sich mit Rechtsbehelfen gegen die vermeintlich rechtswidrige Diensthandlung zu wehren, so ist die Tat nicht nach dieser Vorschrift strafbar; war ihm dies zuzumuten, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen.

Geschützte Rechtsgüter

Geschützte Rechtsgüter der Strafvorschrift ist a) die Vollzugstätigkeit (Vollstreckungsgewalt) des Staates und b) seiner zur Vollstreckung berufenen Organe[2], somit bietet sie indirekt die Effektivität und Gewähr staatlicher Vollstreckungshandlungen.

Tatbestandsmerkmale

Amtsträger oder Personen, die Amtsträgern gleichstehen

Die Handlung des Täters muss sich gegen einen Vollstreckungsbeamten richten. Umfasst sind davon alle inländischen Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB und Soldaten der Bundeswehr sowie die Amtsträger, die durch völkerrechtliche Verträge in den Schutz einbezogen werden (z. B. NATO-Truppenstatut). Über § 114 StGB werden daneben Amtsträgern gleichstehende Personen erfasst. Diese sind bspw. Jagdaufseher, bei Unglücksfällen, Gefahr oder gemeiner Not auch Feuerwehrleute, Rettungssanitäter u.a.

Vornahme einer Diensthandlung

Der Amtsträger muss ein Gesetz oder eine Rechtsverordnung, einen Titel (z.B. Gerichtsvollzieher) oder eine bestimmte verwaltungsrechtliche Verfügung vollstrecken. Gegen genau diese Vollstreckungshandlung muss sich der Widerstand des Täters richten, und zwar während der Vollstreckungshandlung, die also mindestens schon begonnen haben und noch andauern muss. Zumindest muss sie aber unmittelbar bevorstehen.

Tathandlung: Widerstand leisten oder tätlichen Angriff verüben

  • Des Weiteren muss der Täter nach Alternative 1 auch Widerstand leisten. Gemeint ist insbesondere die Ausübung von Gewalt oder die Drohung mit solcher. Die Schwere der Gewalt liegt jedoch unterhalb der Schwelle zur für die Nötigung erforderliche Intensität. In dieser Variante muss nach der Vorstellung des Täters der Widerstand geeignet sein, die Diensthandlung zu verhindern oder zumindest zu erschweren.
  • Dem gegenüber steht in Alternative 2 - dem tätlichen Angriff auf den Vollstreckungsbeamten - die körperliche Einwirkung im Vordergrund. Hier ist gerade nicht erforderlich, dass der Täter die Verhinderung der Diensthandlung bezweckt.

Rechtmäßigkeit der Diensthandlung des Amtsträgers

Nach § 113 Abs. 3 Satz 1 StGB muss die Diensthandlung auch rechtmäßig sein. Ob dies jedoch Tatbestandsmerkmal, objektive Bedingung der Strafbarkeit ist oder im Zusammenhang mit einer modifizierten Rechtswidrigkeit steht, ist umstritten.

Weiter ist umstritten in welchem Umfang die Rechtmäßigkeit vom Amtsträger zu prüfen ist. Gegenüber stehen sich die Kürze der Zeitspanne, in der eine solche Prüfung in der Praxis stattfinden kann, und der für Eingriffe geltende Gesetzesvorbehalt. Im Sinne des ersten Punktes wurde bisher meist gefordert, dass vom Amtsträger die sachliche und örtliche Zuständigkeit zu prüfen ist, die wesentlichen Förmlichkeiten zu wahren sind und eine pflichtgemäße Würdigung der Eingriffsvoraussetzungen vorgenommen werden muss. Bei der örtlichen Zuständigkeit ist bei Polizeibeamten stets das Problem der Nacheile über Zuständigkeitsgrenzen hinweg gegeben. Nach § 167 GVG bleibt die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung damit jedoch bestehen. Anhänger eines umfassenden Gesetzesvorbehalts fordern demgegenüber eine umfassende Rechtmäßigkeitsprüfung seitens des Amtsträgers. Einigkeit besteht jedoch, dass Rechtsirrtümer des Vollstreckungsbeamten stets zur Rechtswidrigkeit der Amtshandlung führen.

Sonstiges

Im subjektiven Tatbestand ist lediglich Vorsatz gefordert. Wird die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung als Tatbestandsmerkmal angesehen, so reicht dafür Fahrlässigkeit. Als objektive Bedingung der Strafbarkeit bedarf es noch nicht einmal der Fahrlässigkeit. Passiver Widerstand kann ebenfalls strafbar sein, zum Beispiel das plötzliche Sich-Einschließen. Der Versuch des Delikts ist nicht strafbar (kein Unternehmensdelikt), so dass die speziellen Irrtumsregeln des § 113 Abs. 3 und Abs. 4 gelten. Da der Täter Rechtsschutz gegen die irrtümlich rechtmäßigen Diensthandlungen suchen kann, wird die Strafe nach Abs. 4 nur fakultativ gemildert.

Konkurrenzen

§ 113 sperrt als Privilegierung in der konkreten Tatsituation die Nötigung (§ 240). Problematisch ist jedoch die Sperrung, wenn sich der Täter irrig vorstellt, das Opfer sei Amtsträger. Bei solchen Fällen soll nach § 240 bestraft werden, die Strafzumessung jedoch dem Strafrahmen des § 113 zu entnehmen sein. Tateinheit ist im Rahmen des § 113 denkbar mit den Körperverletzungsdelikten, den Sachbeschädigungsdelikten und dem Hausfriedensbruch.

Vergleichbare Delikte

Sehr ähnlich ist das Vergehen des Widerstandes gemäß § 116 Seemannsgesetz, vgl. Festnahme.

Fachliteratur

  • Dr. Sebastian Messer: Die polizeiliche Registrierung von Widerstandshandlungen, eine kriminalsoziologische Untersuchung. Nomos, Baden-Baden 2009, ISBN 978-3-8329-4143-7.

Einzelnachweise

  1. Vierundvierzigstes Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vom 1. November 2011, BGBl. I, Seite 2130
  2. www.rewi.hu-berlin.de HU Berlin, Skript zur Vorlesung Strafrecht - Besonderer Teil, Arbeitsblatt Nr. 46, Bernd Heinrich, 1. Oktober 2009 (Word-Dokument), zuletzt aufgerufen am 23. Mai 2010
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