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John Wyclif

John Wyclif [ˈwɪklɪf], auch Wicliffe, Wiclef, Wycliff, Wycliffe, genannt Doctor evangelicus (* spätestens 1330 in Spreswell in Yorkshire; † 31. Dezember 1384), war ein englischer Philosoph, Theologe und Kirchenreformer.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

John Wyclif wirkte seit 1361 als Vorstand des Balliol College in Oxford. Während er hier als Doktor der Theologie das Recht hatte, theologische Vorlesungen zu halten, übernahm er ein geistliches Amt zuerst 1361 in Fillingham (Lincolnshire), 1368 in Ludgershall (Buckinghamshire) und 1374 in Lutterworth (Leicestershire). Im gleichen Jahr sandte ihn der König mit anderen Geistlichen nach Brügge, um dem päpstlichen Nuntius Beschwerden gegen den päpstlichen Stuhl vorzutragen. Insbesondere wurde der Kurie der Verkauf von Kirchenämtern vorgeworfen.

Wyclif proklamierte außerdem die Lehre von der „Macht allein durch Gnade”, der zufolge Gott selbst jede Autorität direkt verleiht, und bestritt den politischen Machtanspruch des Papstes. Er unterstützte die Säkularisierungsbestrebungen der weltlichen Herrscher, da er für Kirchenmitarbeiter ein Leben in urchristlicher Bescheidenheit propagierte.

Nicht minder groß war sein Einfluss auf die Zusammenstellung aller kirchlichen Beschwerden, die 1376 das Gute Parlament vortrug. Ein vom Papst 1377 gegen ihn eingeleiteter Prozess verlief bei dem großen Ansehen, das Wyclif an der Universität und im Volk genoss, 1378 im Sande. Dadurch ermutigt, wandte sich Wyclif nun offen gegen den politischen Einfluss des Klerus überhaupt und bekämpfte das päpstliche „Antichristentum“.

Er missbilligte Bilder-, Heiligen-, Reliquienverehrung und den Priesterzölibat, verwarf die Transsubstantiationslehre und die Ohrenbeichte. Von ihm ausgebildete Reiseprediger verbreiteten präevangelische Grundsätze im Volk. Seine Lehren fanden in großen Teilen der Bevölkerung Zustimmung und beeinflussten maßgeblich den Aufstand der englischen Bauern von 1381.

1418: Verbrennung von Wyclifs Gebeinen (Bild von 1563)

Bettelmönche im Verein mit der Hierarchie setzten 1381 unterdessen die Verwerfung seiner Lehre durch die Universität und durch die 1382 in London tagende Synode durch. Seine Schriften wurden von der Synode in Oxford als ketzerisch verurteilt, er verlor seine Kirchenämter. Aus Furcht vor einem Volksaufstand wurde Wyclif aber nicht angeklagt. Er führte sein Pfarramt fort und vollendete 1383 seine früher begonnene Bibelübersetzung aus der Vulgata in die Landessprache, die erste Übersetzung ins Englische.

Das Konzil von Konstanz erklärte ihn 30 Jahre nach seinem Tod am 4. Mai 1415 zum Ketzer, verdammte 45 Artikel von ihm und befahl, seine Gebeine zu verbrennen, was 1418 geschah. Die Anhänger Wyclif’schen Gedankengutes, die Lollarden, wurden erst nach einer missglückten Revolte von der Kirche schärfer verfolgt. Jedoch kann man die teilweise brutale Inquisition europäischer Ketzer, wie z. B. bei den Katharern oder Waldensern, nicht mit der englischen Verfolgung vergleichen. Diese war durch ihre relative Milde und Rücksicht auf die im Untergrund weiter lebenden Lollarden geprägt, sodass sich in vielen Familien die Wyclif’schen Ansichten bis zur Reformation erhielten.

Werke (Auswahl)

Einzeltitel

  • Rudolf Buddensieg (Hrsg.): De Christo et suo adversario antichristo. Gotha 1880.
  • Josiah Forshall (Hrsg.): The holy Bible in the earliest English Versions made by John Wycliff and his followers. University Press, Oxford 1850 (4 Bde.).
  • Anthony J. Kenny (Hrsg.): On universals („Tractatus de universalibus“). Clarendon Press, Oxford 1985, ISBN 0-19-824681-1.
  • Gotthard V. Lechler (Hrsg.: De officio pastorali. Barth, Leipzig 1863.
  • Gotthard V. Lechler (Hrsg.): Trialogus. OUP, Oxford 1869 (Gespräch zwischen der Wahrheit, der Lüge und der Theologie).
  • Johann Loserth (Hrsg.): Tractatus de ecclesia. London 1886.
  • De otio et mendacitate (gegen die Bettelmönche).

Sammlungen

  • Thomas Arnold (Hrsg.): Select English works of Wycliff. Clarendon Press, Oxford 1869-71 (3 Bde.).
  • Rudolf Buddensieg (Hrsg.): John Wiclefs lateinische Streitschriften. Barth, Leipzig 1883.
  • Pamela Gradon, Anne Hudson (Hrsg.): English Wycliffite Sermons. OUP, Oxford 1988 ff.
  1. 1990, ISBN 0-19-812704-9
  2. 1988, ISBN 0-19-812773-1
  3. 1990, ISBN 0-19-812774-X
  4. 1996, ISBN 0-19-812775-8
  5. 1996, ISBN 0-19-813005-8
  • Johann Loserth (Hrsg.): Sermones. Johnson Reprint, New York 1966 (4 Bde., Repr. d. Ausg. London 1887/90).
  • Frederic D. Matthew (Hrsg.): The English works of John Wycliff. Hitherto unprinted. Kraus Books, Millwood, N.Y. 1990 (Repr. d. Ausg. London 1902).

Literatur

deutsche Einführungen

  • Rudolf Buddensieg: Johann Wyclif und seine Zeit. Niemeyer, Halle 1885.
  • Ulrich Köpf (Hrsg.): Theologen des Mittelalters. Eine Einführung. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2002, ISBN 3-534-14815-0 (Artikel zu Wyclif).
  • Gotthard V. Lechler: Johann von Wiclif und die Vorgeschichte der Reformation. Fleischer, Leipzig 1873 (2 Bde.).
  • Johann Loserth: Huß und Wicliff. Zur Genesis der hussitischen Lehre. Oldenbourg Verlag, München 1925.
  • Manfred Vasold: Frühling im Mittelalter. John Wyclif und sein Jahrhundert. List, München 1984, ISBN 3-471-79010-1.
  • Victor Vattier: John Wiclif. Sa vie, ses œuvres, sa doctrine. Leroux, Paris 1886.

Literatur zu Einzelthemen

  • Curtis V. Bostick: The Antichrist and the Lollards. Apocalypticism in late medieval and reformation England (Studies in medieval and reformation thought; Bd. 70). Brill, Leiden 1998, ISBN 90-04-11088-7.
  • Mariateresa Fumagalli Beonio Broccieri u.a. (Hrsg.): John Wyclif. Logica, politica, theologia. Atti del convegno internazionale, Milano, 12-13 febbraio 1999 (Millennio medievale; Bd. 37). SISMEL edizioni del Galluzzo, Tavarnuzze (Firenze) 2003, ISBN 88-8450-034-6.
  • William R. Cooper (Hrsg.): The Wycliffe New Testament 1388. An Edition in Modern Spelling, with an introduction, the original prologues and the Epistle to the Laodiceans. British Library, London 2002, ISBN 0-7123-4728-3.
  • Stefan Diemer: John Wycliffe und seine Rolle bei der Entstehung der modernen englischen Rechtschreibung und des Wortschatzes (Sprachwelten; Bd. 12). Lang, Frankfurt/M. 1998, ISBN 3-631-33741-8.
  • William Farr: John Wyclif as a legal reformer. Brill, Leiden 1974
  • Kantik Ghosh: The Wycliffite heresy. Authority and the interpretation of texts (Cambridge studies in medieval literature; Bd. 45). CUP, Cambridge 2001, ISBN 0-521-80720-4.
  • Anne Hudson, Michael Wilks (Hrsg.): From Ockham to Wyclif (Studies in Church History; Bd. 5). Blackwell, Oxford 1987, ISBN 0-631-15055-2.
  • Anthony J. Kenny (Hrsg.): Wyclif in his times. Clarendon Press, Oxford 1986, ISBN 0-19-820088-9.
  • Stephen E. Lahey: Philosophy and politics in the thought of John Wyclif (Cambridge studies in medieval life and thought/4; Bd. 54). CUP, Cambridge 2003, ISBN 0-521-63346-X.
  • Ian C. Levy: A companion to John Wyclif, last medieval theologian. Brill, Leiden 2006, ISBN 90-04-15007-2.
  • Ian C. Levy: John Wyclif. Scriptural logic, real presence, and the parameters of orthodoxy (Marquette studies in theology; Bd. 36). Marquette University Press, Milwaukee, Wis. 2003, ISBN 0-87462-688-9.
  • John D. Long: The Bible in English. John Wycliffe and William Tyndale. University Press of America, Lanham, Md. 1998, ISBN 0-7618-1116-8.
  • Richard Rex: The Lollards. Palgrave, Basingstoke 2002, ISBN 0-333-59751-6.
  • Michael Wilks, Anne Hudson: Wyclif. Political ideas and practice. Oxbow Books, Oxford 2000, ISBN 1-8421-7009-0.

Weblinks


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