Vulgata

Vulgata
Vulgata Sixtina

Als Vulgata wird der lateinische Bibeltext bezeichnet, der seit der Spätantike die bis dahin gebräuchlichen, in Umfang und Qualität verschiedenen, älteren lateinischen Übersetzungen der Bibel (Vetus Latina) abgelöst hat.

Der Ausdruck Vulgata (auf der zweiten Silbe zu betonen, von lat.: vulgatus, -a, -um = allgemein verbreitet) bezeichnet auch eine allgemein verbreitete und übliche Textfassung. Damit kann unter anderem eine populäre Bearbeitung eines literarischen Stoffes gemeint sein, etwa der Alexandergeschichte.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte der Vulgata-Bibel

Unter Papst Damasus I. begann Hieronymus 382 eine Revision der schon vorhandenen, ins Lateinische übersetzten neutestamentlichen Texte und wandte sich ab etwa 385 der Übersetzung des Alten Testaments zu. Anfangs übersetzte Hieronymus einige alttestamentliche Bücher nach der Septuaginta aus dem Altgriechischen, nämlich den Psalter, Hiob, Sprichwörter, Hohelied, Kohelet und die Chronikbücher. Dem ließ er ab 393 eine Übersetzung des gesamten Alten Testamentes folgen, laut eigenen Angaben „nach dem Hebräischen“ (iuxta Hebraeos). Aufgrund neuerer Untersuchungen gibt es aber auch Forscher, die meinen, dass Hieronymus selbst kaum Hebräisch konnte und seine Übersetzung des Alten Testaments „nach dem Hebräischen“ in Wirklichkeit nach einer so genannten „hexaplarischen Septuaginta“ aus dem Altgriechischen angefertigt hatte[1]. Hierbei handelte es sich um eine Septuaginta, die neben der eigentlichen Septuaginta-Übersetzung auch den hebräischen Text in griechischen Buchstaben und einige andere griechische Übersetzungen (die von Symmachus, Aquila und Theodotion) enthielt.

Die Vulgata brauchte einige Jahrhunderte, bis sie die Vetus Latina überall abgelöst hatte. Erst ab dem 8. bis 9. Jahrhundert war sie im ganzen westlichen Christentum im Gebrauch. Bemühungen um die gesicherte Textgestalt fallen in diese Zeit, darunter Revisionen von Alkuin und Theodulf von Orléans auf Veranlassung Karls des Großen. Ungefähr ab dem 9. Jahrhundert wurde sie im Westen als einzig gültige Bibel angesehen, die Bibelübersetzung in die Volkssprachen kam weitgehend zum Erliegen. In der Mitte des 15. Jahrhunderts erfand Johannes Gutenberg den Buchdruck mit beweglichen Metall-Lettern. Die von ihm erstmals gedruckte Bibel (Gutenberg-Bibel) war eine Vulgata. Durch den Buchdruck fand die Verbreitung der Vulgata ihren Höhepunkt.

Michelangelos Moses gilt sprichwörtlich als ein zu Stein gewordener Übersetzungsfehler, da er wie die Vulgata irrtümlich behauptet, Hörner besitzt.

Mit der Reformation Martin Luthers im 16. Jahrhundert und dessen Bibelübersetzung (Lutherbibel), die keine Übersetzung der Vulgata darstellt, sondern auf die Urtexte zurückgreift, begann jedoch der Niedergang der Vulgata. Die protestantische Bewegung lehnte die Vulgata wegen ihrer vielen Fehler weitgehend ab und bevorzugte die Urtexte.

Das Konzil von Trient erklärte 1546 die Vulgata jedoch für authentisch und veranlasste die Vorbereitung einer offiziellen Ausgabe. Aber auch der Katholik Robert Bellarmin stellte nun die höhere Autorität des hebräischen und griechischen Textes heraus: „Sie sind die Quelle, die Vulgata der Bach“.

Revisionsbemühungen

Martin Luther veröffentlichte 1529 seine Teil-Revision der Vulgata, die für Gelehrte gedacht war.

Sixtus V. veranlasste jedoch 1590 die Herausgabe der Sixtina, welche nach seinem Tod eingezogen und 1592 durch die von Clemens VIII. betriebene Sixto-Clementina ersetzt wurde.

1889 begann man mit der Herausgabe einer kritischen Oxforder Ausgabe.

Pius X. beauftragte 1907 den Benediktinerorden mit einer kritischen Edition.

1969 brachten Robert Weber und Roger Gryson erstmals die Biblia Sacra Vulgata heraus, der die ursprünglichen Handschriften zu Grunde liegen.[2]

1979 erschien eine nach dem aktuellen Stand der Textkritik erarbeitete Neuedition der Vulgata auf Grundlage der Originaltexte der Bibel, die Nova Vulgata. Die Erstellung einer solchen Neuedition war ein Auftrag des Zweiten Vatikanischen Konzils.

Heutige Bedeutung

In der Wissenschaft gilt heutzutage die von Robert Weber und Roger Gryson herausgegebene Biblia Sacra Vulgata, also die ursprüngliche nicht revidierte Vulgata, als maßgebliche Ausgabe.[2]

Im Zuge der Liturgiereform, seit Mitte der sechziger Jahre, wurde in den meisten katholischen (Pfarr-)Gemeinden die Feier der Liturgie in lateinischer Sprache unüblich. Heute werden die Texte der Vulgata noch im Gebet verschiedener Ordensgemeinschaften (Benediktiner, Zisterzienser, Kartäuser) verwendet. 2001 veröffentlichte der Vatikan die Instruktion Liturgiam authenticam, mit der er versuchte, den Gebrauch der Nova Vulgata zu stärken. Bei der Herausgabe der Bücher der römischen Liturgie soll nunmehr die Nova Vulgata mit herangezogen werden.[3] Dies führte dazu, dass die Evangelische Kirche die Mitarbeit an der Überarbeitung der Einheitsübersetzung einstellte.[4]

Siehe auch

Fußnoten

  1. Pierre Nautin: Artikel Hieronymus, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 15 (1986), S. 304-315, hier S. 309-310.
  2. a b Vulgata
  3. Liturgiam authenticam - Der Gebrauch der Volkssprachen bei der Herausgabe der Bücher der römischen Liturgie
  4. Einheitsübersetzung ohne Evangelische Kirche

Literatur

  • Hermann Rönsch: Itala und Vulgata. Das Sprachidiom der urchristlichen Itala uner d. katholischen Vulgata unter Berücksichtigung deischen röm. Volkssprache. Durch Beispiele erläutert. Elwert, Marburg 2. Aufl. 1875 (Reprint Hueber, München 1965).
  • Bonifatius Fischer: Beiträge zur Geschichte der lateinischen Bibeltexte(Vetus Latina / Aus der Geschichte der lateinischen Bibel 12). Herder. Freiburg 1986 ISBN 3451004968
  • Pierre-Maurice Bogaert: La Bible latine des origines au Moyen Age. Aperçu historique, état des questions. In: Revue théologique de Louvain, Bd. 19 (1988), S. 137-159.
  • Samuel Berger, Histoire de la Vulgate pendant les premiers siècles du Moyen Age (Paris 1893).

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Vulgata – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Commons: Vulgata – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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