Wilhelm von Mirbach-Harff

Wilhelm von Mirbach-Harff
Wilhelm von Mirbach-Harff, 1917

Wilhelm Graf von Mirbach-Harff (* 2. Juli 1871 in Bad Ischl; † 6. Juli 1918 in Moskau) war ein deutscher Diplomat und Botschafter.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Ausbildung und Karriere

Wilhelm Graf von Mirbach-Harff stammte aus einer Familie des Rheinischen Uradels. Er ist ein Nachkomme von Johann Wilhelm von Mirbach-Harff, dem Gründer der Rheinischen Ritterakademie. Sein Vater war Ernst Graf von Mirbach. Von 1908 bis 1911 war von Mirbach-Harff Botschaftsrat in Sankt Petersburg, dann Berater für politische Fragen beim Stab des deutschen Kommandos in Bukarest. 1915 war von Mirbach-Harff deutscher Botschafter in Athen, vom 16. Dezember 1917 bis zum 10. Februar 1918 stand er der deutschen Gesandtschaft in Petrograd vor, die nach Unterzeichnung des Waffenstillstands von Brest-Litowsk eingerichtet wurde.

Vom 2. April 1918 bis zu seiner Ermordung war Wilhelm Graf von Mirbach-Harff Außerordentlicher Gesandter und Bevollmächtigter Minister des Deutschen Reichs in Sowjetrussland.

Deutscher Botschafter in Moskau

Wilhelm Graf von Mirbach-Harff war 1918 an den Versuchen von deutscher Seite beteiligt, die russische Zarenfamilie auf diplomatischem Wege zu befreien.

Er setzte in Moskau auf Anweisung des Staatssekretärs für Auswärtige Angelegenheiten Richard von Kühlmann die logistische und finanzielle Unterstützung fort, mit deren Hilfe die Bolschewiki im Oktober 1917 an die Macht gekommen waren.[1] Am 18. Mai 1918, zwei Tage nach einem Treffen mit Lenin, vertrat von Mirbach-Harff in einem Telegramm nach Berlin die Auffassung, dass ein einmaliger Betrag von vierzig Millionen Reichsmark nötig sei, um die Bolschewiki an der Macht zu halten. Am 3. Juni 1918 telegraphierte er an das Auswärtige Amt, es seien darüber hinaus noch drei Millionen Reichsmark monatlich erforderlich, um Lenins Regierung zu stützen. Am 5. Juni 1918 zahlte von Mirbach-Harff drei Millionen Reichsmark an Mitglieder der sowjetrussischen Regierung aus, auch die Summe von 40 Millionen Reichsmark wurde durch das Reichsschatzamt noch im Juni 1918 gezahlt.

Von Mirbach-Harff empfahl jedoch in seinem letzten Brief an Kühlmann vom 25. Juni 1918, die deutsche Regierung solle die Bildung prodeutscher antisowjetischer Regierungsorgane in Moskau vorbereiten,[2] die „wir bereithalten und die uns voll und ganz zu Diensten stehen werden“, da es Lenin trotz der deutschen Gelder nicht schaffen würde, sich an der Macht zu halten.

Die Ermordung

Am 6. Juli 1918 wurde von Graf von Mirbach-Harff im Gebäude der deutschen Botschaft in Moskau in der Deneshny Pereulok 5 von Jakow Blumkin und Nikolai Andrejew erschossen. Blumkin hatte den Auftrag für den Mord an Mirbach-Harff vom Zentralkomitee seiner Partei, der Partei der linken Sozialrevolutionäre erhalten, die bis März 1918 der Regierungskoalition mit den Bolschewiki angehört hatte. Das Ziel des Mordes an Graf von Mirbach-Harff war es, den von der Regierung Lenin in Brest-Litowsk unterzeichneten Friedensvertrag mit dem Deutschen Reich zu revidieren. Er war zugleich das Signal für einen regierungsfeindlichen Aufstand, der Moskau und weitere größere Städte erfasste.

Jakow Blumkin war Chef der Abteilung zur Bekämpfung der deutschen Spionage bei der von Felix Dserschinski geleiteten Gesamtrussischen Außerordentlichen Kommission zur Bekämpfung von Konterrevolution, Spekulation und Sabotage, der Tscheka. In Blumkins Abteilung arbeitete auch Nikolai Andrejew als Fotograf. Die Führerin der Sozialrevolutionäre Maria Spiridonowa bekannte sich zur Anstiftung der Bluttat. Gleichwohl weisen Indizien darauf hin, dass Dserschinski von Blumkins Plänen wusste, sie befürwortete und unterstützte, obwohl er dies stets abstritt.[3] Er wurde am Tag nach Graf Mirbach-Harffs Ermordung von Lenin als Tscheka-Vorsitzender abgesetzt; Lenin, Swerdlow und Trotzki sahen in den Ereignissen des 6. Juli 1918 offenbar eine gemeinsame Verschwörung von Tscheka-Leuten und Sozialrevolutionären.

Nachfolger von Mirbach-Harffs als deutscher Botschafter wurde Karl Helfferich. Die Mörder Blumkin und Andrejew konnten nach der Tat entkommen. Schon am 22. August 1918 übernahm Dserschinski wieder die Führung der Tscheka.

Die „Meuterei der linken Sozialrevolutionäre“

Der Mord an dem deutschen Botschafter war das Signal zum Beginn einer bewaffnete Aktion der linken Sozialrevolutionäre, der sogenannte „Meuterei der linken Sozialrevolutionäre“ im Juli 1918 in Moskau. Sie feuerten von der Trjochswjatitelski-Gasse aus mit Artillerie auf den Kreml. Laut Boris Chavkin (siehe Weblink) war diese „Meuterei“ jedoch keine Folge des Mordes an von Mirbach-Harff, sondern eine Antwort auf die bewaffneten Aktionen der Bolschewiki gegen die linken Sozialrevolutionäre.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Elisabeth Heresch: Geheimakte Parvus, Die gekaufte Revolution. Langen Müller Verlag, München 2000, ISBN 3-7844-2753-7
  2. Winfried Baumgart: Die Mission des Grafen Mirbach in Moskau. April–Juni 1918. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. München, Heft 1/1968, S. 67–68 (PDF-Datei; 5,15MB)
  3. Rotbuch der Tscheka: Krasnaja kniga WTschK, Bd. 1. Moskau 1989, S. 252–261

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