Wilhelm von Moerbeke

Wilhelm von Moerbeke

Wilhelm von Moerbeke (Willem van Moerbeke; * um 1215; † 1286) war ein flämischer Geistlicher und bedeutender Übersetzer antiker Schriften.

Wilhelm war zunächst Dominikanermönch, ab 1268 lebte er in Viterbo, 1274 tauchte er auf dem Konzil von Lyon auf. Von 1277 bis zu seinem Tod war er Bischof von Korinth, einem lateinischen (d. h. katholischen) Außenposten in der Argolis im orthodoxen Griechenland.

Er war Gesprächs- und Korrespondenzpartner vieler Gelehrter seiner Zeit, u. a. dem Philosophen Thomas von Aquin, dem Naturforscher Witelo und dem Astronomen Henri Bates von Mechelen (de Malines). Letzterer widmete Wilhelm seine Abhandlung über das Astrolabium wie auch Witelo ihm seine Schrift über die Optik widmete. Wilhelm war der produktivste Übersetzer des Hochmittelalters von philosophischen, medizinischen und astronomischen Texten aus dem Griechischen in die lateinische Sprache. Die Qualität seiner Übersetzungen wird heute noch hoch geschätzt.

Er übersetzte die Schriften des Aristoteles vollständig (bzw. er revidierte bereits bestehende Übersetzungen) und machte sie damit dem lateinischen Westen zugänglich, was der darauffolgenden dortigen Aristoteles-Rezeption zugute kam. Grund für Wilhelms Übersetzertätigkeit waren die zweifelhafte Qualität und die Lückenhaftigkeit der seinerzeit verfügbaren Texte des Aristoteles. In Mittel- und Westeuropa beherrschten nur wenige Personen Altgriechisch, zudem beruhten einige der in lateinischer Übersetzung vorliegenden Exemplare nur auf Rückübersetzungen syrischer Versionen (siehe Gerhard von Cremona) und waren daher unzureichend. Dies änderte sich grundlegend mit den Übersetzungen Wilhelms, der auf griechische Originaltexte zurückgreifen konnte.

Auch mathematische Abhandlungen von Archimedes, von Heron von Alexandria sowie die „Institutio theologica“ des Proklos übertrug er in die lateinische Sprache. Letztere entwickelten sich zu einer der wichtigsten Quellen bei der Wiederbelebung neuplatonischer Gedanken im Spätmittelalter.

Später bemängelte ein Humanist Wilhelms Übersetzungen seien nicht „elegant“, rühmte jedoch ihre Zuverlässigkeit. Manche der griechischen Quellen Wilhelms gingen später verloren; ohne seine Arbeit wären diese Schriften für uns nicht mehr zugänglich.

Ältere Darstellungen hatten einen Anstoß der Übersetzungsarbeit durch Thomas von Aquin unterstellt, was aber nicht belegbar ist.[1]

Werke

Literatur

  • Guillaume de Moerbeke. Recueil d'études à l'occasion du 700e anniversaire de sa mort (1286). Hrsg. von J. Brams und W. Vanhamel. Leuven 1989.

Einzelnachweise

  1. Art. W.v.M., in: Lexikon des Mittelalters

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