William Bligh

William Bligh
William Bligh

William Bligh (* wahrscheinlich am 9. September 1754 in Plymouth; † 7. Dezember 1817 in London) war britischer Seeoffizier und Gouverneur von New South Wales in Australien. Bekannt wurde er durch die Meuterei auf dem unter seinem Befehl stehenden Schiff Bounty und durch die nachfolgende ca. 3.600 Seemeilen lange Fahrt im offenen Boot vom Osten Polynesiens bis zur Insel Timor.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Herkunft

Bligh entstammte einer alten Seefahrerfamilie. Er wurde am 9. September 1754 in der südwestenglischen Hafenstadt Plymouth getauft. Da sein Vater Francis Bligh und dessen Frau Jane Pearce die Leitung des Zollamts von Plymouth innehatten, dürfte er auch in dieser Stadt geboren sein. Einige Quellen nennen aber auch Tinton Manor im Dorf St. Tudy in Cornwall als Geburtsort.[1]

Karriere als Seeoffizier

Möglicherweise ging Bligh schon im Alter von 7 Jahren als Kapitänsdiener auf der Monmouth zur See. Seine ersten nachgewiesenen Erfahrungen als Seemann machte er mit 15 Jahren als Kadett auf der Hunter.

Die Ermordung Kapitän Cooks 1779, die Bligh miterlebte

Mit 21 Jahren erhielt Bligh die Chance, als Navigator der Resolution an James Cooks dritter Südsee-Expedition von 1776 bis 1779 teilzunehmen. Die von Bligh dabei angefertigten Seekarten und Aufzeichnungen waren von derart hoher Genauigkeit, dass einige davon noch im 20. Jahrhundert verwendet wurden. Bligh war 1779 Augenzeuge von Cooks Ermordung auf Hawaii. Anschließend führte er die Resolution nach England zurück.

Nach seiner Heimkehr heiratete Bligh Elizabeth Betham. Im gleichen Jahr, 1781, wurde er zum Leutnant befördert. Als solcher nahm er in den folgenden zwei Jahren am Krieg gegen Frankreich und die nach Unabhängigkeit von Großbritannien strebenden 13 amerikanischen Kolonien teil. Nach Kriegsende nahm er seinen Abschied von der Marine und befehligte vier Jahre lang ein Handelsschiff, das im Rum- und Zuckergeschäft zwischen England und Westindien verkehrte. Dabei lernte er Fletcher Christian kennen, den späteren 2. Offizier der Bounty und Anführer der Meuterer, mit dem ihn anfangs eine enge Freundschaft verband.

Die Bounty-Expedition

Auf Betreiben seines Förderers, des Naturforschers Sir Joseph Banks, kehrte Bligh 1787 in den Dienst der Admiralität zurück und erhielt das Kommando über HMAV (His Majesty’s Armed Vessel) Bounty. Das Schiff sollte Ableger des Brotfruchtbaums von Tahiti zu den Westindischen Inseln bringen, um die Sklaven auf den dortigen Zuckerrohr-Plantagen mit einem preiswerten Nahrungsmittel zu versorgen. Aus Kostengründen wurde Bligh nicht zum Kapitän befördert; er wurde an Bord nur aus Höflichkeit so genannt. Dies und die Weigerung der Admiralität, ihm Marinesoldaten mit an Bord zu geben, sollte sich als problematisch für die Aufrechterhaltung der Disziplin erweisen.

Sir Joseph Banks, Förderer Blighs und Initiator der Bounty-Expedition

Am 23. Dezember 1787 stach die Bounty von Spithead aus in See. Die Reise verlief weitgehend problemlos, obwohl die Bounty durch schwere Stürme an der geplanten Umrundung von Kap Hoorn gehindert wurde. Bligh entschied sich daher für die östliche Route um das Kap der guten Hoffnung. Am 27. Oktober 1788 ging die Bounty mit etlichen Monaten Verspätung in der Matawai-Bucht von Tahiti vor Anker. Da Bligh auf der Rückfahrt die Endeavour-Straße erkunden sollte, musste er auf Tahiti den nächsten Ost-Monsun abwarten, der nicht vor April einsetzen würde. Das Verladen der Brotfruchtbäume nahm wenig Zeit in Anspruch, so dass die Mannschaft den fünfmonatigen Landaufenthalt weitgehend frei von den Pflichten des Schiffsalltags verbringen konnte.

Entgegen einer weit verbreiteten Meinung und zahlreicher literarischer und filmischer Darstellungen war Bligh kein besonders grausamer Kommandant; er hielt Auspeitschungen und Skorbut für Kennzeichen eines schlecht geführten Schiffes. Seeleute unter seinem Kommando wurden erheblich seltener ausgepeitscht als die Besatzungsmitglieder anderer Schiffe[2]. Gegenüber einem Offizier, der ihm den Gehorsam verweigert hatte, sprach er statt der üblichen Sanktion, die damals durchaus auch die Todesstrafe hätte sein können, nur eine Verwarnung aus.

Die Meuterei

Bligh und achtzehn Mann werden ausgebootet

Am 5. April verließ die Bounty Tahiti wieder und nahm westlichen Kurs auf die Endeavour-Straße. Drei Wochen später, am 29. April 1789 kam es südlich von Tofua (Tongainseln) zu der bekannten Meuterei unter Führung des 2. Offiziers Fletcher Christian.

Am Abend zuvor hatte es zwischen Bligh und ihm einen Streit wegen einiger fehlender Kokosnüsse gegeben, die Bligh hatte rationieren lassen, um während der Rückfahrt über vitaminreiche Nahrung für die Mannschaft zu verfügen. Christian hatte sich anschließend betrunken und gegenüber einigen Mannschaftsmitgliedern den Wunsch geäußert, mit einem Floß die Bounty zu verlassen und nach Tahiti zurückzukehren. Auslöser der Meuterei dürfte nicht der unbedeutende Streit gewesen sein, sondern die Tatsache, dass Christian mit seinen Äußerungen bei einigen Besatzungsmitgliedern auf offene Ohren stieß. Sie konnten sich nach dem langen Aufenthalt auf Tahiti nur schwer wieder an die Disziplin an Bord des Schiffes gewöhnen und überzeugten schließlich Christian, der die Morgenwache hatte, von der Idee, die Bounty an sich zu bringen.

Bligh schilderte den Beginn der Meuterei später so:

Kurz vor Sonnenaufgang, als ich noch schlief, kamen Herr Christian, der Waffenmeister Churchill, der Konstablersmaat John Mills und der Matrose Thomas Burkett in meine Kajüte, ergriffen mich, banden mir die Hände mit einem Strick auf den Rücken und drohten, mich augenblicklich töten zu wollen, wenn ich nur den geringsten Lärm machen würde. Ungeachtet dieser Drohung, rief ich so laut, daß jedermann im Schiff alarmiert werden mußte, aber die Empörer hatten sich der Offiziere, die nicht auf ihrer Seite standen, bereits dadurch versichert, daß Wachen vor ihren Kajüten aufgestellt waren. [3]

In den frühen Morgenstunden brachten die Meuterer das Schiff vollständig unter ihre Kontrolle und setzten Bligh mit 18 Getreuen in einer kleinen, offenen Barkasse aus.

Die Fahrt in der Barkasse

Die Routen der Bounty und der Barkasse durch die Südsee

Die Ausgebooteten setzten erst Kurs auf die nächstgelegene Insel, Tofua, mussten dort aber vor der feindlich gesinnten einheimischen Bevölkerung fliehen. Dabei wurde ein Mann, der Quartiermeister John Norton, getötet. Bligh, ein Meister der Navigation, schaffte es, das kleine, völlig überladene Boot durch die kaum erforschte Torresstraße zwischen Australien und Neuguinea bis zu der ca. 5.800 km entfernten Insel Timor zu bringen. Nach mehr als sechswöchiger, entbehrungsreicher Fahrt erreichte die Barkasse der Bounty am 12. Juni die holländische Faktorei Kupang. Dieser östlichste, Bligh bekannte Außenposten einer europäischen Kolonialmacht in Asien war der einzige Ort, von dem aus er und seine Männer hoffen konnten, wieder nach England zu gelangen. Von der 1788 erfolgten Gründung der britischen Sträflingskolonie bei Sydney erfuhr er erst nach seiner Ankunft in Kupang. Auf dem Weg nach Timor entdeckte er als erster Europäer mehrere Inseln der Fidschigruppe und der nördlichen Neuen Hebriden. Die Fahrt der Barkasse gehört zu den längsten Seereisen, die je in einem offenen Boot unternommen wurden. Das Meeresgebiet nördlich der Fidschi-Insel Viti Levu, das dabei durchquert wurde, erhielt den Namen „Bligh Water“.[4]

Rückkehr nach England

Das Wohnhaus von William Bligh in der Lambeth Road 100/London

Nach der Ankunft in Kupang und später in Batavia verstarben noch mehrere Begleiter Blighs an der dort verbreiteten Malaria oder an den Folgen der entbehrungsreichen Fahrt mit der Barkasse. Unter den Toten befand sich auch der Gärtner David Nelson, der für die Brotfrucht-Pflanzen verantwortlich gewesen war. Von den 19 Insassen der Barkasse überlebten jedoch 12 und kehrten, nachdem sie sich erholt hatten, auf verschiedenen Schiffen nach England zurück. Bligh verließ Kupang am 20. August 1789 und segelte nach Batavia, um von dort aus mit einem Postschiff der Niederländischen Ostindienkompanie am 16. Oktober die Heimreise anzutreten. Nach einem weiteren Aufenthalt am Kap der Guten Hoffnung, ging er am 13. März 1790 auf der Isle of Wight an Land. Zuvor hatte er bei den niederländischen Gouverneuren in Batavia und am Kap Haftbefehle gegen die Meuterer erwirkt und auch eine entsprechende Mitteilung an den Gouverneur der neuen britischen Kolonie in Sydney geschickt, für den Fall, dass die Bounty dort auftauchen sollte.

Durch Briefe, die Bligh und seine Begleiter nach Hause geschickt hatten, war das Schicksal der Bounty in England bereits bekannt geworden, bevor sie selbst dort eintrafen. So wurde Bligh bereits bei seiner Heimkehr nach England am 13. März 1790 als Held gefeiert. In einem Verfahren vor der Admiralität wurde er von jeder Schuld an der Meuterei und am Verlust der Bounty freigesprochen. Er veröffentlichte einen Bericht über die Reise mit der Bounty, der 1791 und 1793 von Georg Forster in dem Magazin von merkwürdigen neuen Reisebeschreibungen als deutsche Übersetzung erschien. Die detaillierten Schilderungen William Blighs bilden bis heute die Grundlage für die zahlreichen literarischen und filmischen Bearbeitungen des „Bounty“-Stoffes.

Spätere Karriere

Als Seeoffizier

William Bligh, 1792

Zum Kapitän befördert, erhielt Bligh im Jahr nach seiner Heimkehr erneut den Befehl, Ableger des Brotfruchtbaums von Tahiti nach Westindien zu bringen. Er kommandierte die HMS Providence und hatte Begleitung von der HMS Assistant, die von Lt. Portlock geführt wurde, mit dem Bligh sehr zufrieden war. Diese zweite Fahrt in die Südsee 1791-1793 verlief erfolgreich und ohne Zwischenfälle - abgesehen von Blighs schwerer Erkrankung, die ihn wochenlang am Kap festhielt. (Wahrscheinlich hatte er sich mit Malaria infiziert, als er 1789 in Batavia Rast machen musste.) Bligh nutzte zudem die Gelegenheit, die Torresstraße weiter zu erforschen. Später diente er als Seeoffizier in den Napoleonischen Kriegen und nahm 1801 unter Admiral Horatio Nelson an der Schlacht von Kopenhagen teil.

Zuvor, 1797, hatte William Bligh auf HMS Director, die in der Themsemündung lag, seine zweite Meuterei erlebt. Sie betraf den ganzen Flottenverband, zu dem die Director gehörte, und richtete sich nicht gegen ihn persönlich, sondern gegen die Admiralität. Diese Meuterei verlief insgesamt glimpflicher als die erste und die noch folgende dritte.

Als Gouverneur von New South Wales

Gegen Bligh gerichtete propagandistische Darstellung seiner Verhaftung während der Rum-Rebellion. Tatsächlich hatte er sich keineswegs unter einem Bett versteckt.

1805 wurde William Bligh zum Gouverneur der britischen Kolonie New South Wales im heutigen Australien ernannt. Hier wurde er in die sogenannte Rum-Rebellion verwickelt, einen Aufstand korrupter Offiziere.

Rum besaß in der Sträflingskolonie einen besonders hohen Wert und wurde auch als Zahlungsmittel eingesetzt. Unter anderem wurde jedem Sträfling regelmäßig eine Wochenration Rum zugestanden. Das Handelsmonopol auf Rum lag jedoch allein beim Militär. Dies nutzten korrupte aktive und inaktive Offiziere aus und betrieben den Verkauf des „flüssigen Goldes“ zu horrenden Preisen. Die Hauptverantwortlichen waren Colonel George Johnston und John Macarthur.

Da Bligh im Ruf stand, hart durchgreifen zu können, sollte er den als schwach geltenden Gouverneur Philip Gidley King ersetzen. Als er 1808 in New South Wales eintraf, ging er gegen die Machenschaften der Offiziere vor. Dies löste schon bald eine bewaffnete Rebellion aus, in deren Verlauf Bligh auf die vor der Küste liegende HMS Porpoise verbannt wurde, die er bis 1810 nicht mehr verlassen sollte. Anders als er den Rebellen zugesagt hatte, segelte er nicht nach England zurück, sondern befahl dem Kapitän des Schiffes, die Stadt Sydney zu beschießen. Da dieser sich weigerte, nutzte Bligh die Zeit, um die Küste Tasmaniens zu kartographieren.

Johnston und Macarthur wussten, dass ihre selbsternannte Regierung nicht von Dauer sein konnte. Daher begaben sie sich 1809 freiwillig nach England. Aufgrund ihrer guten Beziehungen kamen sie glimpflich davon. Mit frisch eingetroffenen britischen Truppen setzte Bligh 1810 die korrupte Regierung ab.

Ruhestand und Tod

1811 kehrte William Bligh nach England zurück, wo er zum Konteradmiral und 1814 zum Vizeadmiral ernannt wurde. Seine Frau Elizabeth war bereits 1812 nach 31 Ehejahren verstorben. Nach seinem Abschied aus dem aktiven Dienst lebte er mit seinen Töchtern auf einem Landsitz in Kent. Am 7. Dezember 1817, im Alter von 63 Jahren, brach er auf dem Weg zu seinem Arzt in London auf offener Straße zusammen und starb. Die Todesursache war wahrscheinlich Magenkrebs. Bligh wurde an der Seite seiner Frau und seiner zwei Söhne, die beide schon kurz nach ihrer Geburt gestorben waren, auf dem Friedhof der Gemeindekirche von Lambeth begraben. Die Grabstätte – an der Ostseite der Kirche gelegen, an der Ecke Lambeth Road/Lambeth Palace Road – geriet zunächst in Vergessenheit, wurde aber in den 1980er Jahren wiederentdeckt und restauriert.

Nachleben

Der Ruhm Blighs als einer der fähigsten Seefahrer und Navigatoren seiner Zeit verblasste schon zu seinen Lebzeiten. Er wurde überlagert von verfälschenden Darstellungen der Meuterei und des Charakters von Bligh, die vor allem auf die Familien der Meuterer zurückgingen. Diese hatten ein Interesse daran, ihre Angehörigen und damit ihre Familienehre reinzuwaschen, und versuchten, Bligh als übermäßig strengen, knauserigen und zur Menschenführung ungeeigneten Offizier darzustellen, der durch sein tyrannisches Regiment die Meuterei herausgefordert habe.

Diese Argumente fielen durch einen historischen Zufall auf fruchtbaren Boden: Denn im selben Jahr, in dem die Meuterei in England bekannt wurde, ereignete sich die Französische Revolution, deren Ideen auch in England viele Anhänger fanden. Diese interpretierten die Meuterei wie die Revolution als Aufstand von Unterdrückten gegen die Willkür eines Einzelnen.

Die Rufmord-Kampagne Edward Christians

Insbesondere der Jurist Edward Christian, der ältere Bruder des Anführers der Meuterer, tat sich dabei hervor, Blighs Ruf in Zweifel zu ziehen. Er stellte ein inoffizielles Komitee zusammen, das die Meuterei und ihre Ursachen untersuchen sollte. Dieses bestand überwiegend aus überzeugten Abolitionisten, die Blighs Brotfrucht-Expeditionen, die der Sklavenwirtschaft auf den karibischen Inseln dienen sollte, von Anfang an kritisch gegenüberstanden. Der Bericht, den das Komitee schließlich während Blighs Abwesenheit veröffentlichte, zeichnete zum ersten Mal das Zerrbild von dem Kapitän als „verabscheuungswürdigem Schurken“.

Was ihn bei einzelnen Besatzungsmitgliedern tatsächlich unbeliebt gemacht hatte, war eine gewisse Strenge, mit der er bei Offizieren und Mannschaften die Einhaltung der Regeln durchsetzte, von denen in seinen Augen das Überleben aller abhing. So hielt er die Matrosen täglich zu Sport an, indem er einen eigens dazu an Bord genommenen Geiger zum Tanz aufspielen ließ. Zudem achtete er stets darauf, genügend Trinkwasser und frische Nahrung an Bord zu haben, insbesondere Sauerkraut, um den Ausbruch von Skorbut zu verhindern. Letzteres erklärt die Heftigkeit des Streits um die Kokosnüsse am Vorabend der Meuterei. Es scheint bei dieser Gelegenheit zu einem der seltenen Ausbrüche von Jähzorn gekommen zu sein, wie sie Bligh überfielen, wenn er sich mit Disziplinlosigkeit oder Unfähigkeit konfrontiert glaubte.

All dies fällt jedoch kaum ins Gewicht, angesichts der damals üblichen Verhältnisse in der britischen Kriegsmarine, in der Prügelstrafen, eine mangelhafte Arbeitsorganisation sowie schlechte Verpflegung und medizinische Versorgung die Regel waren. Nach allen historischen Quellen, die nicht aus dem Umfeld der Meuterer und ihrer Familien stammen, war William Bligh nicht nur ein umsichtiger und erfahrener, sondern sogar ein für seine Zeit überaus fürsorglicher Seeoffizier, der - durch James Cook beeinflusst - seinen Ehrgeiz darein setzte, alle Besatzungsmitglieder heil und gesund nach England zurückzubringen. Beispielsweise überließ er bei stürmischer See seine Kajüte den Matrosen zum Ausruhen. Der beste Beweis für seine Haltung ist die Tatsache, dass fast alle Insassen der offenen Barkasse die überaus gefährliche und strapaziöse Reise lebend überstanden. Historiker verweisen auch regelmäßig auf Blighs Logbücher, die aufgrund der damals geltenden Vorschriften in der britischen Marine als äußerst zuverlässige Quellen gelten. Ihnen zufolge verhängte Bligh weniger und mildere Strafen, als sie in der englischen Marine damals üblich oder sogar rechtlich geboten waren. Drakonische Strafen, wie das Auspeitschen, verhängte er weit seltener als sein Vorbild James Cook.

Zudem kann Bligh als Vorreiter auf dem Gebiet der modernen Arbeitsorganisation gelten, da er das in der Royal Navy gängige Zwei-Schicht-System auf ein modernes Drei-Schicht-System umstellte. Statt des harten Wechsels von vier Stunden Wachdienst, gefolgt von vier Stunden Schlaf, genoss die Mannschaft unter Bligh nach vierstündiger Wache eine achtstündige Ruhe- oder Schlafphase. Kurz: Sowohl sein Führungsverhalten als auch seine Neuerungen in den Arbeitsabläufen an Bord lassen ihn als außerordentlich modern erscheinen.[5]

Dennoch zeigte die Kampagne Edward Christians Wirkung: Als Bligh 1793 von seiner zweiten Brotfrucht-Expedition zurückkehrte, bekam er bereits die veränderte Stimmung in der Marineleitung zu spüren. Der Erste Lord der Admiralität weigerte sich monatelang, ihn zu empfangen. Denn anders als Bligh, der aus einfachen Verhältnissen stammte, verfügten die Familien einiger Meuterer, z.B. die von Fletcher Christian, Edward Young und Peter Heywood, über Beziehungen, die bis in höchste Regierungskreise reichten. Erst auf Drängen seines Freundes und Förderers Sir Joseph Banks entschloss sich Bligh, auf die öffentlich gemachten Vorwürfe zu reagieren.

Mit einer eigenen Darstellung und eidesstattlichen Erklärungen ehemaliger Besatzungsmitglieder der Bounty widerlegte er Punkt für Punkt das Bild, das Edward Christians Komitee von ihm gezeichnet hatte. Diese Bemühungen schienen zunächst von Erfolg gekrönt. So schrieb etwa die Zeitschrift British Critic:

Wir haben den unabweisbaren Eindruck, dass die Freunde Christians am klügsten daran täten, das Geschehen, bei dem dieser junge Mann eine so herausragende und so verbrecherische Rolle spielte, so weit wie möglich der Vergessenheit zu überlassen.[6]

Bligh kümmerte sich danach nicht mehr um sein Bild in der Öffentlichkeit. In der historischen Forschung – etwa bei seinen Biografen Mackaness und Kennedy – blieb dieses überwiegend positive Bild auch bis heute weitgehend ungetrübt. Ganz anders verhielt es sich dagegen schon zu Blighs Lebzeiten mit der öffentlichen Meinung und romantischen, fiktionalen Darstellungen. Blighs Biografin Caroline Alexander erklärt deren Wirkung so:

Bligh (...) verstand nicht, dass er gegen eine Kraft ankämpfte, die stärker war als jeder Feind auf See - die Macht einer guten Story.“[7]

Blighs Bild in Romanen und Filmen

Solche guten, aber faktisch falschen Geschichten lieferten im 20. Jahrhundert Romane wie „Meuterei auf der Bounty“ von Charles Bernard Nordhoff und James Hall, sowie die darauf basierenden Filme. Die Verfilmung des Bounty-Stoffes von Frank Lloyd aus dem Jahre 1935 mit Clark Gable und Charles Laughton in den Rollen von Christian und Bligh beschreibt Letzteren als komplexbeladenen Neurotiker. Auch in Lewis Milestones Verfilmung von Nordhoffs Roman aus dem Jahre 1962 mit Marlon Brando als Christian wird Bligh, gespielt von Trevor Howard, als sadistischer, menschenverachtender Kapitän dargestellt. Um ein historisch etwas genaueres Bild bemühte sich 1984 Die Bounty von Regisseur Roger Donaldson nach dem Buch Captain Bligh and Mr Christian von Richard Hough, in dem Mel Gibson als Christian und Anthony Hopkins als Bligh auftraten.

Im Gegensatz zur überwiegend positiven Bewertung durch die historische Forschung, entspricht Blighs Ansehen in der breiten Öffentlichkeit bis heute dem verzerrten Bild, das die Rufmordkampagne Edward Christians und anderer von ihm gezeichnet hat.

Manipulierte Logbücher der Bounty

Bei einer Restauration der Bounty-Logbücher entdeckte der australische Restaurator Anthony Zammit im Jahr 2007 Indizien für Manipulationen am 2. Band: Die Seite, auf der Bligh den Tag der Meuterei geschildert hat, muss nachträglich ausgetauscht worden sein. Auf den vorhergehenden und nachfolgenden Seiten befindet sich ein durchgehender Tee- oder Kaffeefleck, und die Tinte, mit der sie beschrieben wurden enthält Spurenelemente von Vulkanasche, wie sie in der Südsee vorkommt. Beides fehlt auf der Seite, die die Ereignisse des 28. Aprils 1789 festhält. Weitere Anhaltspunkte lieferten eine pH-Analyse sowie unterschiedliche Wasserzeichen im Papier. Da das Schriftbild jedoch auf allen Seiten durchgängig das gleiche ist und nachweislich von William Bligh stammt, muss er von der Manipulation zumindest gewusst haben. Wann und warum sie erfolgte – ob Bligh z. B. seine eigene Rolle positiver darstellen wollte oder die von Schützlingen einflussreicher Förderer, die sich unter den Meuterern befanden – ist heute nicht mehr zu ermitteln.[8] Letztlich konnte in mehr als 200 Jahren nie bis ins letzte geklärt werden, wie die Meuterei im Einzelnen tatsächlich ablief und was genau sie auslöste.

Werke

  • Narrative of the mutiny on board H.M. ship Bounty. London (1790)
  • A Voyage to the South Sea
    undertaken by command of His Majesty, for the purpose of conveying the breadfruit tree to the West Indies, in His Majesty's Ship the Bounty, commanded by Lieutenant William Bligh. Including an account of the mutiny on board the said ship, and the subsequent voyage of part of the crew, in the ship's boat, from Tofoa, one of the Friendly Islands, to Timor, a Dutch settlement in the East Indies. Published by permission of the Lords commissioners of the admirality.
    London, (1792)
  • Logbuch der Bounty: Von William Bligh, Captain der Großbritanischen Flotte, im Jahre 1793 aus dem Englischen übertragen und mit Anmerkungen begleitet von Georg Forster, Verlag Die Brigantine, Hamburg, 1963 (deutsche Version von A Voyage to the South Sea)

Literatur

  • Caroline Alexander: Die Bounty. Die wahre Geschichte der Meuterei auf der Bounty, Berlin 2004; ISBN 3-8270-0625-2
  • Hermann Homann (Hrsg.): Meuterei auf der Bounty. Berichtet von William Bligh / Piratenjagd auf der Fregatte „Pandora“. Aufzeichnungen des Dr. George Hamilton 1787–1792, Stuttgart 1983
  • Richard Hough: Captain Bligh and Mr Christian, London 1972
  • Gavin Kennedy: Bligh, London 1978
  • Gavin Kennedy: Captain Bligh: The Man and his Mutinies, London 1989
  • George Mackaness: The Life of Vice-Admiral William Bligh, R.N., F.R.S., Neudruck Sidney 1951
  • Markus Pohlmann: Die Meuterei auf der Bounty - Über Revolutionen und einige der Mythen, die sich um sie ranken, in: Ingrid Artus/Rainer Trinczek (Hrsg.): Über Arbeit, Interessen und andere Dinge. Phänomene, Strukturen und Akteure im modernen Kapitalismus. München und Mering: Rainer Hampp Verlag, 2004
  • Christiane Conway: Letters from the Isle of Man – The Bounty-Correspondence of Nessy and Peter Heywood, The Manx Experience, Isle of Man 2005. ISBN 1-873120-77-X

Einzelnachweise

  1. Sttudy.org.uk: Bligh
  2. ZDF.de Terra-X zur Meuterei auf der Bounty
  3. zit. nach Hermann Homann (Hg.), Meuterei auf der Bounty. Berichtet von William Bligh / Piratenjagd auf der Fregatte "Pandora". Aufzeichnungen des Dr. George Hamilton 1787-1792, Stuttgart 1983, S. 142.
  4. Die Fahrt wurde kartographisch unter anderem dokumentiert von Daniel Friedrich Sotzmann in der Karte "Fahrt des Lieut. William Bligh von Tofoa nach Timor im Jahr 1789 in dem Boote der Bounty" (Staatsbibliothek Berlin SBB_IIIC_Kart. T 12610)
  5. Markus Pohlmann: Die Meuterei auf der Bounty. Über Revolutionen und einige der Mythen, die sich um sie ranken, S. 83
  6. Alexander, Bounty, S. 437
  7. Alexander, Bounty, S. 437f.
  8. ZDF.de Terra-X: Logbuch Bounty - Das Rätsel der Meuterei - Manipulierte Seiten

Weblinks


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