Wolfgang Finkelnburg

Wolfgang Finkelnburg

Wolfgang Karl Ernst Finkelnburg (* 5. Juni 1905 in Bonn; † 7. November 1967 in Erlangen) war ein deutscher Experimentalphysiker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Wolfgang Finkelnburg studierte Physik und Mathematik ab 1924 an der Eberhard Karls Universität Tübingen und der Universität Bonn. 1928 wurde er bei Heinrich Konen mit einer Arbeit über das Spektrum des Wasserstoffmoleküls promoviert und wurde dessen Assistent. 1931 wurde er Assistent an der TH Karlsruhe, wo sich beim Theoretiker Walter Weizel habilitierte und wo er 1932 Privatdozent wurde. 1933 bis 1934 war er als Rockefeller Stipendiat bei Robert Millikan am Caltech. 1936 wurde er außerordentlicher Professor an der TH Darmstadt und von 1942 bis 1945 außerordentlicher Professor und Direktor des Physikalischen Instituts der Universität Straßburg, wo er sich u.a. mit kriegswichtiger Forschung über Kohleelektroden-Lichtbögen in Flakscheinwerfern befasste.[1].

Finkelnburg war seit 1937 Mitglied der NSDAP[2] und schloss sich dem NS-Dozentenbund an. Seit 1938 war er als Vertreter der TH Darmstadt Dozentenbundführer,[2] wo er allerdings als Gegner der von Philipp Lenard und Johannes Stark geforderten „Deutschen Physik“ auftrat. So organisierte er 1940 die „Münchner Religionsgespräche“ (in Anlehnung an die Augsburger Religionsgespräche). Darin ging es ihm darum, Rückendeckung für die von Vertretern der Deutschen Physik angegriffene moderne theoretische Physik (Quantenmechanik, spezielle Relativitätstheorie) im Unterricht zu schaffen. Die Gespräche zwischen Wissenschaftsphilosophen des Hugo Dingler-Kreises und Physikern, die Finkelnburg einlud (Hans Kopfermann, Otto Scherzer, Carl Friedrich von Weizsäcker, Otto Heckmann, Georg Joos), fanden am 15. November 1940 im Münchner Ärztehaus statt, und wurden im November 1942 in Seefeld in Tirol fortgesetzt[3]. Sie waren für Finkelnburg und die hinter ihm stehenden Physikerkollegen (u.a. Industriephysiker und Experimentatoren, für die die Nutzung der Quantenmechanik eine Selbstverständlichkeit war, aber auch die Heisenberg-Schule) erfolgreich. Carl Ramsauer, der Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, machte ihn 1941 zu seinem Stellvertreter (zusammen mit Georg Joos). 1942 wurde Finkelnburg ordentlicher Professor in Straßburg.

Nachdem er in Deutschland keine angemessene Stelle finden konnte[4], war er 1946 bis 1952 Gastdozent an der Catholic University of America in Washington D. C.. Ab 1952 war er dort in der Forschungsabteilung und ab 1955 Leiter der Abteilung für Kernreaktor-Entwicklung. Nebenbei arbeitete er in den Engineer Research and Development Laboratories im nahen Fort Belvoir der US-Armee. 1963 kehrte er nach Deutschland zurück und wurde Generalbevollmächtigter in der Zentralen Forschung und Entwicklung der Siemens AG in Erlangen und Abteilungsleiter in deren dortigen Forschungslaboratorien. Daneben war er Honorarprofessor an der Universität Erlangen-Nürnberg. 1966 bis 1967 war er Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft.

Neben schon erwähnten Gebieten der angewandten Physik (wie Reaktortechnik) befasste sich Finkelnburg mit Hochtemperatur-Gasentladungen (Plasmaphysik), Atom- und Molekülphysik, Kernphysik und Spektroskopie. Seine „Einführung in die Atomphysik“, die auch Kernphysik, Molekülphysik, Elementarteilchenphysik und Festkörperphysik einführend behandelt (also die gängigsten Anwendungen der Quantenmechanik), fand weite Verbreitung.

Schriften

  • Kontinuierliche Spektren. Springer, 1938.
  • Einführung in die Atomphysik. Springer, 1948. 12. Auflage 1967 (englisch Structure of Matter. Academic Press 1964.)
  • Hochstromkohlebogen. Physik und Technik einer Hochtemperatur-Bogenentladung. Springer, 1948.
  • Atomic Physics. McGraw-Hill, 1950.
  • Der Physiker. Moderne Industrie, 1967.

Literatur

  • Wilhelm Walcher: Wolfgang Finkelnburg 60 Jahre. In: Physikalische Blätter. Bd. 21, 1965.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. z.B. Finkelnburg “Physik hoher Temperaturen”, Naturwissenschaften, Bd. 32, 1944, S.105 und sein Buch Der Hochstromkohlebogen 1948, nachdem ein 1944 erschienenes Buch nur für den Dienstgebrauch war. Finkelnburg erreichte für die Forschungen die Höchste Dringlichkeitsstufe „D.E.“ und arbeitete mit den Siemens-Werken zusammen
  2. a b Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. 2. Auflage. Fischer, Frankfurt am Main 2005, S. 150.
  3. Thomas Powers: Heisenbergs Krieg. Hoffmann und Campe 1993, S. 439. Finkelnburg selbst schildert die Vorgänge in einem Manuskript von 1946 Der Kampf gegen die Parteiphysik, von dem eine Kopie im Nachlass Heisenbergs ist, abgedruckt in Klaus Hentschel (Hrsg.): Physics and National Socialism. Birkhäuser 1996, S. 339.
  4. Brief an Sommerfeld vom 28. Mai 1947, zitiert bei Horst Kant

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