Wolfgang Scheffler

Wolfgang Scheffler

Wolfgang Scheffler (* 22. Juli 1929 in Leipzig; † 18. November 2008 in Berlin) war ein deutscher Politologe und Historiker, der besonders mit Forschungen zum Holocaust hervorgetreten ist.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Wolfgang Scheffler wurde 1929 in Leipzig als Kind protestantischer Eltern geboren. Im Sinne der Werte der Bekennenden Kirche erzogen, waren seine Familie und er auf Distanz zum Nationalsozialismus. 1950 ging er nach West-Berlin, um an der Freien Universität zu studieren, wo er 1956 mit einer Dissertation über Parlamentarierdiäten abschloss.

Sein eigentliches Thema war aber die Judenverfolgung im Dritten Reich. 1960 veröffentlichte er eine Broschüre zum Thema Judenverfolgung. Diese Schrift wurde in ergänzter Form wiederholt neu herausgegeben und auch von mehreren Landeszentralen für Politische Bildung in hoher Auflage an Schulen und in der Öffentlichkeit verbreitet. 1961 wurde Scheffler vom Auswärtigen Amt als wissenschaftlicher Beobachter zum Eichmann-Prozess in Jerusalem entsandt. Ab 1965 trat er als historischer Sachverständiger in NS-Prozessen auf. Seine bekanntesten Fälle waren die Treblinka-Verfahren vor dem Landgericht Düsseldorf, der Prozess gegen den Reichsbahn-Staatssekretär Albert Ganzenmüller sowie der Prozess gegen John Demjanjuk.

Seit den 70er Jahren lehrte Scheffler als Lehrbeauftragter am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin. 1986 bekam er eine Professur am Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin. Wegen seiner wissenschaftlichen Beiträge und der Unterstützung diverser Gedenkprojekte ("Topographie des Terrors" und Gedenkstätte "Haus der Wannseekonferenz") wurde Scheffler verschiedentlich als „Nestor der deutschen Holocaustforschung“ bezeichnet.[1]

Zu einem heftigen Streit Schefflers mit Angehörigen von Überlebenden des Ghettos Riga, vertreten durch den Verein „Jewish Survivors of Latvia“ in New York, kam es Ende der neunziger Jahre. Eine bei ihm in Auftrag gegebene, privat finanzierte Erinnerungsschrift verzögerte sich immer wieder, und Scheffler geriet wegen der Entgegennahme von Honorarzahlungen sowie originaler Dokumente ins Zwielicht. Nach gerichtlichen Auseinandersetzungen zahlte er die Vorschüsse in voller Höhe zurück.[2] Erst 2003 erschien die gemeinsam mit seiner Mitarbeiterin Diana Schulle edierte Gedenkschrift (siehe „Werke“).

Wolfgang Scheffler starb im November 2008 im Alter von 79 Jahren in Berlin.[3]

Werke

  • Judenverfolgung im Dritten Reich, Berlin (Colloquium Verlag), 1960.
  • Judenverfolgung im Dritten Reich. Ergänzte und durchgesehene Neuauflage, Berlin (Colloquium Verlag), 1964 [zuletzt: Berlin 1990].
  • Helge Grabitz / Wolfgang Scheffler: Letzte Spuren. Ghetto Warschau, SS-Arbeitslager Trawniki, Aktion Erntefest. Fotos und Dokumente über Opfer des Endlösungswahns im Spiegel der historischen Ereignisse, Berlin (Ed. Hentrich), 1988.
  • Wolfgang Scheffler / Helge Grabitz: Der Ghetto-Aufstand Warschau 1943: aus der Sicht der Täter und Opfer in Aussagen vor deutschen Gerichten, München (Goldmann) 1993.
  • Helge Grabitz Justizbehörde Hamburg (Hg.): Täter und Gehilfen des Endlösungswahns. Hamburger Verfahren wegen NS-Gewaltverbrechen 1946-1996, Hamburg (Ergebnisse Verlag) 1999 (ISBN 3-87916-049-X) [Im Anhang S. 163-272 veröffentlichte Oberstaatsanwältin Grabitz vier wichtige zeithistorische gerichtliche Gutachten Wolfgang Schefflers).
  • Wolfgang Scheffler / Diana Schulle (Hrsg.): Buch der Erinnerung. Die ins Baltikum deportierten deutschen, österreichischen und tschechoslowakischen Juden, München (K. G. Saur) 2003 (ISBN 3-598-11618-7) (siehe die Rezension bei HSK).

Literatur

  • Helge Grabitz, Klaus Bästlein, Johannes Tuchel (Hrsg.): Die Normalität des Verbrechens. Bilanz und Perspektiven der Forschung zu den nationalsozialistischen Gewaltverbrechen. Festschrift für Wolfgang Scheffler zum 65. Geburtstag. Ed. Hentrich, Berlin 1994, ISBN 3-89468-142-X, (Deutsche Vergangenheit 112), (Ein Verzeichnis der Schriften Schefflers hier: S. 523 bis 529).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Die Welt vom 20. November 2008
  2. Historiker Scheffler muß zahlen. Prozeß um Ghetto-Buch, in: Berliner Zeitung vom 11. Oktober 1997, S. 5.
  3. Nachruf in der Berliner Zeitung vom 20. November 2008 und in der taz vom 21. November 2008

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