Belem (Schiff)

Belem (Schiff)
Bark Belem unter Marssegeln
Bark Belem unter Segeln nahe der Belle-Île

Die Belem ex Giorgio Cini ex Fantôme II ex Belem ist eine 1896 in Nantes gebaute Bark, die als Frachtschiff gebaut, später britische Luxusjacht und italienisches Segelschulschiff wurde, seit 1979 wieder unter französischer Flagge fährt.

Geschichte und Beschreibung

Die Belem lief am 10. Juni 1896 als Fracht- und Personentransportschiff auf der Werft Adolphe Dubigeon in Chantenay-sur-Loire (heute zu Nantes) für die Nanteser Reederei Société Denis Crouan & Cie. vom Stapel. Sie war als so genannter Glattdecker ohne Mittschiffsdeck konzipiert, hatte ein großes Deckhaus mit Kombüse hinter dem Fockmast, ein kleines vor dem Besanmast, dazu den damals weit verbreiteten offen Ruderstand am Heck hinter dem großen Oberlicht auf dem Poopdeck. Die Bark mit ursprünglich schwarzem Rumpf und umlaufendem Goldband galt als robustes, doch schnelles Schiff ihrer Größe und hatte ein auffälliges Rigg, da sie den Besan als Dreieckssegel ohne Gaffel und Besantoppsegel fuhr, was ihr den Namen "Crouans Jacht" einbrachte. Sämtliche Masten und Spieren waren mit Ausnahme des auf F. Crouans Wunsch aus Stahl gebautem Bugspriet und Klüverbaum, ursprünglich aus Holz gefertigt, die Rahmasten aus Untermast, Mars- und Bramstenge aufgebaut, der Besanmast mit Stenge ohne Gaffel.

Sie war im Hinblick auf die Gründung der ersten brasilianischen Republik wenige Jahre vorher nach der nordbrasilianischen Stadt Belém benannt, in der die Reederei Crouan bereits seit 1817 ein Kontor betrieb. Dorthin führte sie auch die Jungfernrückreise nach Übernahme von 121 Maulesel in Montevideo. Ein Brand brach im Hafen von Belem aus, an dem fast alle Tiere erstickten. Nach Rückkehr in den Heimathafen musste die Bark zur Beseitigung der Brandschäden einer größeren Reparatur unterzogen werden. Die Belem fuhr zunächst zwischen Frankreich, überwiegend Nantes, und Südamerika, vorwiegend Brasilien und Französisch-Guayana, im Kakaohandel und war auch zum Personentransport eingerichtet. Bis 1907 segelte die Bark unter der roten Crouanschen Reedereiflagge mit dem weißen, fünfzackigen Stern. Nach dem Tod des Reeders Fernand Crouan ging sie für zwei Jahre erst an die Reederei Demange Frères, die sie mit einem grauen Rumpf mit Portenband versahen, 1909 dann an die Société des Armateurs Coloniaux (H. Fleuriot & Cie.) (Gesellschaft kolonialer Reeder) und wurde nun im Handel zu den französischen Überseekolonien eingesetzt. 1902 entkam das Schiff noch unter seinem ersten Reeder auf einer Reise zu den Antillen knapp dem verheerenden Pelée-Ausbruch, der Saint Pierre auf Martinique völlig zerstörte, da sie aus Platzmangel auf der Reede von St. Pierre in einer weiter weg gelegenen Bucht vor Anker ging, in der sie vor dem Vulkanausbruch sicher war.

1914 wurde die Bark von Hugh Grosvenor, 2. Duke of Westminster, gekauft, der Heimathafen - bisher Nantes - wechselt nun nach Southampton, England. Der letzte und längstgediente französische Kapitän Julien Chauvelon überführte die Belem und übergab sie persönlich dem neuen Eigner, der ihn mit einer goldenen Taschenuhr ehrte. Im Zuge der Umwandlung des Frachtschiffes in eine Luxusjacht wurden zwei schwedische Bolinder-Hilfsdieselmotoren nebst zwei Propellern eingebaut, das Poopdeck aufgestockt, die Laderäume großteils in Luxusgemächer umgewandelt, das Heck mit einer weißen Holzreling versehen, ferner die drei Holzmasten durch Stahlmasten ersetzt und andere Deckaufbauten angebracht. Der Besanmast wurde mit Gaffel, Standard-Besan und Besantoppsegel geriggt, der Rumpf unter Beibehaltung der aufgemalten Stückpforten wieder schwarz gefärbt.

1922 kaufte der Brauereibesitzers und Urenkel des Brauereigründers Sir Arthur Ernest Guinness (1876-1949) die Jacht und benannte sie in Fantôme II um. Wiederum wurden Änderungen an den Schiffsaufbauten und im Inneren durchgeführt. Sir A. E. Guinness machte mit dem Schiff zwischen 1923 und 1924 eine Weltumsegelung via Panamakanal und Suezkanal. Dabei entkam das Schiff im Pazifik einer weiteren Katastrophe, einem Erdbeben in Japan, das den Hafen von Jokohama zerstörte. Weitere Fahrten führten bis nach Spitzbergen, Marseille und den Guadalquivir hinauf nach Sevilla. 1930 machte die Fantôme II nach langer Zeit in Nantes fest, und ihr alter Kapitän Julien Chauvelon wurde auf sein früheres Schiff - nun eine Luxusjacht - eingeladen. Er staunte sehr über die prächtigen "Änderungen". 1937 segelt die Fantôme II zu den Krönungsfeierlichkeiten Georgs VI. nach Montréal. 1939 starb der Eigner, das Schiff verholte vor Kriegsausbruch auf die Reede von Cowes, Insel Wight für zwölf Jahre, in denen es kurzzeitig französischen Offizieren als Unterkunft diente. Während einer Bombardierung erlitt das Schiff Schäden an der Takelage, woraufhin das Schiff abgetakelt wurde.

Nach erneutem Verkauf im Jahr 1951 nach Italien folgte der Umbau zum Segelschulschiff mit Umriggung zur Barkentine und weiterem Namenswechsel. Unter dem Namen Giorgio Cini, benannt nach dem 1949 tödlich verunglückten Sohn des neuen Eigentümers Graf Vittorio Cini (offizieller Eigner: Fondazione Giorgio Cini - Stiftung Giorgio Cini), fuhr die Barkentine als Segelschulschiff vorwiegend in der Adria und westlichem Mittelmeer zur Ausbildung von Handelsmarinekadetten. 1965 wurde sie in Venedig aufgelegt, weil sie für den weiteren Einsatz als zu alt galt. Eine erneute Flottmachung im Jahr 1972 scheiterte an den Kosten, doch konnte der Umbau zur Bark 1976 durchgeführt werden. Erst 1979 konnte das Vorhaben in Nantes (Frankreich) umgesetzt werden. Seit dem Abschluss der Umbau- und Reparaturarbeiten im Jahre 1983 fungiert das Schiff mit Heimathafen Nantes wieder unter seinem alten Namen Belem mit Barkrigg als Segelschiff für zahlende Gäste.

Schiffsdaten

  • Konstruktion: Stahlrumpf als Glattdecker; Stahlmasten mit Untermasten, Mars-/Bramstenge ein Stück; untere Rahen Stahl, obere Holz; Deckhäuser mittschiffs, auf Poopdeck (1979-)
  • Rigg (1896): Barkrigg, Holzmasten mit Mars-/Bramstenge, doppelte Mars-, einfache Bramrahen, Royalsegel, Besanmast mit Stenge ohne Gaffel für Dreieck-Besan; Stahlpfahlbugsprit
  • Rigg (1914): Barkrigg mit Stahlmasten, Untermasten mit Stenge (Mars- / Bramstenge ein Stück), doppelte Mars-, einfache Bramrahen, Royalrahen, Besanmast mit Stenge / Gaffel
  • Rigg (1951): Barkentinentakelung, doppelte Mars-, einfache Bramrahen, Royalrahen am Fockmast, Groß- und Besanmast als Schratmasten mit Stengen und Gaffeln
  • Rigg (1976): Barkrigg wie 1914, etwas kürzerer Pfahlbugsprit als ursprünglich
  • Stapellauf: 10. Juni 1896; Vertrag: 23. Dezember 1895, Kiellegung: 30. Dezember 1895
  • Jungfernfahrt: 31. Juli 1896 nach Montevideo (Uruguay) und Belém (Brasilien)
  • Anzahl der Decks: zwei durchgehende Stahldecks, dazu Poop und Back; oberstes Deck mit Holzbeplankung
  • Mastfolge: Fockmast, Großmast und Besanmast (Bark und Barkentine)
  • Unterscheidungssignal: H L P N (1896)
  • Bauwerft: Chantiers Adolphe Dubigeon, Nantes, Frankreich
  • Konstrukteur: Adolphe Dubigeon
  • Reederei: Société Denis Crouan & Cie., Nantes
  • weitere Reedereien/Eigner: Demange Frères (1907-1909); Société des Armateurs Coloniaux (H. Fleuriot & Cie.) (1909-1914); Hugh Grosvenor, 2. Duke of Westminster (1914-1922); Sir Arthur E. Guinness (1922-1951); Fondazione Giorgio Cini (Vittorio Cini) (1951-1979); Fondation Belem / Société Nantaise de Navigation (seit 1979)
  • Heimathafen: Nantes (1896); Southampton (1914); Dublin (1922); Venedig (1951); Nantes (1979)
  • weitere Namen: Fantôme II (1922); Giorgio Cini (1951), Belem (1979)
  • Galionsfigur: nein; Schild mit dem brasilianischen Nationalmotto "Ordem e progresso" ("Ordnung und Fortschritt", frz. "Ordre et progrès")
  • Länge über alles: 58 m
  • Länge Galion-Heck (Rumpflänge): 51 m
  • Länge auf Deck: 49,5 m
  • Länge zwischen den Loten (LzL, LPP): 48 m
  • Breite: 8,8 m
  • Raumtiefe: 4,6 m
  • Seitenhöhe: 4,6 m
  • Tiefgang: 3,6 m
  • Vermessung: 534 BRT (Bruttoregistertonnen) / 406 NRT (Nettoregistertonnen)
  • Verdrängung: 1025 t (1896) / 750 t (Schiffsmasse und Ladung)
  • Ladekapazität/Tragfähigkeit: 675 t (1896) / 400 t (1979) (1 ton = 1,016 t)
  • Segelfläche 1896: 1.200 m² (20 Segel: 10 Rahsegel, 1 Dreiecks-Besan ohne Gaffel, 9 Stagsegel)
  • Segelfläche 1914: 1.200 m² (21 Segel: 10 Rahsegel, 2 Besane, 9 Stagsegel)
  • Segelfläche 1951: 1.000 m² (16 Segel: 5 Rahsegel, 2 Großgaffelsegel, 2 Gaffeltoppsegel, 7 Stagsegel)
  • Segelfläche 1976: 1.150 m² (22 Segel: 10 Rahsegel, 2 Besane, 10 Stagsegel)
  • Masthöhe: 34 m (Flaggenknopf – Wasserlinie); 31 m (Flaggenknopf – Deck)
  • Hilfsmaschine: keine; 1914 Einbau von Dieselmotoren (2 x 300 PS); 1971 Einbau von 2 Dieselmotoren "Fiat-Iveco" mit 300 HP pro Maschine, 2 vierflügelige Propeller (Cantieri Navali e Officine Meccaniche of Venice)
  • Klassifikation: Bureau Véritas 1. Rang / entspr. +100A1 (Lloyd's)
  • Erster Schiffsführer: M. Lemerle (Jungfernreise, 1896-1897)
  • weitere Kapitäne: François Rioual (2. Reise, 1897), M. Dolu (3.-5. R., 1897-1899), Julien Chauvelon (6., 8.-33. R., 1899-1914); Le Dantec (7.-8. R., 1899-1900);
  • Besatzung: 13 Mann (Kapitän, 2. Kapitän (nur auf frz. Schiffen), 2 Offiziere, 9 Seeleute) (1896);
                     16 Mann (Kapitän, 2. Kapitän, 2 Offiziere, Maschinist, 2 Köche, Bootsmann, Zimmermann, 7 Seeleute) + 48 zahlende Gäste (1979); + 60 Kadetten (1951)
  • Höchstgeschwindigkeit: 9 kn mit Dieselmotoren, 12 kn unter Segel
  • Besonderheiten: seit 1979: drei hydraulische Gangspille, 2 kleine mittschiffs, ein großes auf der Poop

Weblinks

 Commons: Belem (ship, 1896) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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