World City Hypothese

World City Hypothese

Die 1986 erstmals veröffentlichte Weltstadthypothese (orig. World City Hypothesis) von John Friedmann gilt als Begründung der modernen Weltstadt-Forschung, die von einer Einteilung der Weltstädte in verschiedene Bedeutungsklassen ausgeht.

Diese in sieben Thesen gegliederte Hypothese wurde 1986 vom Geographen und Raumplaner John Friedmann gemeinsam mit Goetz Wolff erstellt und veröffentlicht. Die Hypothese beinhaltete auch eine Liste der 30 Weltstädte dieser Zeit aus Sicht der Autoren. Diese Liste wurde in den folgenden Jahren regelmäßig nach neuen Entwicklungen und Erkenntnissen anderer Geographen und Ökonomen aktualisiert und in Buchbeiträgen und Vorlesungen veröffentlicht.

Inhaltsverzeichnis

Definition einer Weltstadt nach der Weltstadthypothese

Die Weltstadthypothese definiert Weltstädte durch ihre Bedeutung als vernetzte Wirtschaftszentren. Sie üben Einfluss auf die umliegende Region aus, deren Wirtschaft sie mit dem globalen Akkumulationsraum verbindet. Den Versuch eine definitive Hierarchie der Weltstädte aufzustellen hält John Friedmann für eine vergebliche Mühe. Vielmehr soll man vorhandene Rangunterschiede zwischen Städten erkennen, ohne diese jedoch näher zu definieren. Eine Einteilung der Weltstädte in bestimmte Kategorien – weltweite finanzielle Artikulationen, multinationale Artikulationen, wichtige nationale Artikulationen und subnationale/regionale Artikulationen – hält er daher für sinnvoller.

Hierarchische Beziehungen bezeichnet er in erster Linie als Machtbeziehungen zwischen rivalisierenden Städten, deren Politik unzertrennbar mit der Konkurrenz-Angst verbunden ist. Je stärker ein bestimmter Erdteil, respektive eine (Welt-)Stadt von der globalen Ebene abhängig wird, umso weniger ist es lokalen Regierungen möglich, Einfluss auf die grundlegenden Mechanismen zu nehmen, die den Alltag der Bevölkerung bestimmen. Die internationalisierte Wirtschaft hebe die traditionellen Strukturen gesellschaftlicher und politischer Kontrolle über Entwicklungsprozesse, Arbeit und Verteilung aus den Angeln (in Berufung auf Manuel Castells, 1989)

Den theoretischen Gegenstand der Weltstadtforschung definiert John Friedmann daher wie folgt[1]:

  1. Weltstädte stellen die Artikulation her zwischen den regionalen, nationalen und internationalen Ökonomien und der Weltwirtschaft. Sie dienen als organisatorische Knoten des Weltwirtschaftssystems.
  2. Es gibt einen globalen Kapitalakkumulationsraum, aber er umfasst nicht die ganze Welt. Ganze Weltregionen und deren Bevölkerungen sind gegenwärtig praktisch aus diesem Raum ausgeschlossen und leben in einer permanenten Subsistenzwirtschaft.
  3. Weltstädte sind grosse, verstädterte Räume intensiver ökonomischer und gesellschaftlicher Beziehungen.
  4. Weltstädte können in eine hierarchische Ordnung gebracht werden, die ungefähr der Wirtschaftskraft, die von diesen Städten kontrolliert wird, entspricht. Weltstädte sind Städte, welche die regionalen, nationalen und internationalen Ökonomien mit dem globalen kapitalistischen Akkumulationssystem artikulieren. Der Rang in der Hierarchie der Weltstädte ergibt sich letztlich aus der Fähigkeit einer Stadt, globale Investitionen anzuziehen. Ihre diesbezüglichen Erfolgsaussichten sind ebenso veränderlich wie ihre Fähigkeit, von außen kommende Schläge aufzufangen, die von technologischen Innovationen und politischen Veränderungen herrühren. Städte können in die Kategorie der Weltstädte aufsteigen, ihren Rang dort verbessern, aber auch Plätze einbüssen und aus dieser Eliteklasse absteigen.
  5. Die gesellschaftliche Schicht, die die Weltstädte kontrolliert, wird als transnationale kapitalistische Klasse bezeichnet. Sie ist am reibungslosen Funktionieren des globalen Akkumulationssystems interessiert, ihre Kultur ist kosmopolitisch, und ihre Ideologie ist konsumorientiert. Ihr Vorhandensein löst oft ernsthafte Konflikte mit subalternen Klassen aus, die eher lokal definierte territoriale Interessen verfolgen und deren Aufstieg in die transnationale Klasse blockiert ist.

Weltstädte gemäß der Hypothese

Folgende Liste der 30 Weltstädte wurde 1986 erstmals definiert und 1991 aktualisiert. Sie enthält Zusatzangaben zur Bevölkerungsgrößenkategorie, dazu, ob eine Stadt auch weiteren Artikulationen entspricht, und ob sie ein wichtiges Einwanderungsziel darstellt[1]:

1.) Weltweite finanzielle Artikulationen:

  • London (wichtiges Einwanderungsziel, Hauptstadt, 10-20 Mio. Einwohner, auch nationale Artikulation)
  • New York (wichtiges Einwanderungsziel, 10-20 Mio. Einwohner)
  • Tokio (wichtiges Einwanderungsziel, Hauptstadt, 10-20 Mio. Einwohner, auch multinationale Artikulation: Südostasien)

2.) Multinationale Artikulationen:

  • Miami (multinationale Artikulation in Karibik, Lateinamerika; wichtiges Einwanderungsziel, 1-5 Mio. Einwohner)
  • Los Angeles (Pazifischer Raum; wichtiges Einwanderungsziel, 10-20 Mio. Einwohner)
  • Frankfurt (Westeuropa; wichtiges Einwanderungsziel, 1-5 Mio. Einwohner)
  • Amsterdam (wichtiges Einwanderungsziel; 1-5 Mio. Einwohner oder Randstad 5-10 Mio. Einwohner)
  • Singapur (Südostasien; Hauptstadt, 1-5 Mio. Einwohner)

3.) Wichtige nationale Artikulationen (1989 BSP 200 Mrd. US-Dollar):

  • Paris (wichtiges Einwanderungsziel; Hauptstadt, 5-10 Mio. Einwohner)
  • Zürich (wichtiges Einwanderungsziel; 1-5 Mio. Einwohner)
  • Madrid (Hauptstadt, 1-5 Mio. Einwohner)
  • Mexiko-Stadt (Hauptstadt, 10-20 Mio. Einwohner)
  • Sao Paulo (10-20 Mio. Einwohner)
  • Seoul (Hauptstadt, 10-20 Mio. Einwohner)
  • Sydney (wichtiges Einwanderungsziel; 5-10 Mio. Einwohner)

4.) Subnationale / regionale Artikulationen:

Quellen

  1. a b John Friedmann: Ein Jahrzehnt der World City Forschung. In: Hitz, Keil, Lehrer, Ronneberger, Schmid, Wolff: Capitales Fatales. Rotpunktverlag, Zürich 1995, S. 22-27

Weblinks

  • Research Bulletin der Globalization and World Cities Group (GaWC) an der britischen Loughborough University über Weltstädte, bezugnehmend auf John Friedmanns Weltstadthypothese - veröffentlicht in Mitteilungen der Österreichischen Geographischen Gesellschaft, 145 (2003), S. 35-55

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • World City Hypothesis — Die 1986 erstmals veröffentlichte Weltstadthypothese (orig. World City Hypothesis) von John Friedmann gilt als Begründung der modernen Weltstadt Forschung, die von einer Einteilung der Weltstädte in verschiedene Bedeutungsklassen ausgeht. Diese… …   Deutsch Wikipedia

  • Hypothese Gaia — Hypothèse Gaïa Pour les articles homonymes, voir Gaïa (homonymie). L hypothèse Gaïa, appelée également hypothèse biogéochimique[1], est une hypothèse controversée d écologie profonde initialement avancée par l écologiste anglais James Lovelock en …   Wikipédia en Français

  • Hypothèse Gaia — Hypothèse Gaïa Pour les articles homonymes, voir Gaïa (homonymie). L hypothèse Gaïa, appelée également hypothèse biogéochimique[1], est une hypothèse controversée d écologie profonde initialement avancée par l écologiste anglais James Lovelock en …   Wikipédia en Français

  • City of Edinburgh — Édimbourg 56°56′58″N 03°09′37″O / 56.94944, 3.16028 …   Wikipédia en Français

  • Weltstadt-Hypothese — Die 1986 erstmals veröffentlichte Weltstadthypothese (orig. World City Hypothesis) von John Friedmann gilt als Begründung der modernen Weltstadt Forschung, die von einer Einteilung der Weltstädte in verschiedene Bedeutungsklassen ausgeht. Diese… …   Deutsch Wikipedia

  • Attentat d'Oklahoma City — Le bâtiment Alfred P. Murrah deux jours après l attentat Localisation Oklahoma City, Oklahoma Cible …   Wikipédia en Français

  • Attentats du World Trade Center — Attentats du 11 septembre 2001 …   Wikipédia en Français

  • Liberty Enlightening the World — Statue de la Liberté Monument national de la statue de la Liberté Catégorie III de la CMAP (Monument naturel) …   Wikipédia en Français

  • John Friedmann (Raumplaner) — John Friedmann (* 16. April 1926 als Hans Friedmann in Wien) ist ein US amerikanischer Stadt und Regionalplaner österreichischer Herkunft. Wegen der zunehmenden Judenverfolgung in den 1930er Jahren emigrierte er mit seinen Eltern in die… …   Deutsch Wikipedia

  • Weltstadthypothese — Die 1986 erstmals veröffentlichte Weltstadthypothese (orig. World City Hypothesis) von John Friedmann gilt als Begründung der modernen Weltstadt Forschung, die von einer Einteilung der Weltstädte in verschiedene Bedeutungsklassen ausgeht. Diese… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”