- Zentrales Anticholinerges Syndrom
-
Klassifikation nach ICD-10 T44 Vergiftung durch primär auf das autonome Nervensystem wirkende Arzneimittel T44.8 Zentral wirkende und adrenerge Neuronenblocker, anderenorts nicht klassifiziert T62 Toxische Wirkung sonstiger schädlicher Substanzen, die mit der Nahrung aufgenommen wurden T62.1 Verzehrte Beeren T62.2 Sonstige verzehrte Pflanze(n) oder Teil(e) davon ICD-10 online (WHO-Version 2006) Anticholinerges Syndrom ist ein krankhafter Zustand des vegetativen Nervensystems, bei dem der Nervus vagus (Parasympathikus) in seiner bremsenden und dämpfenden Funktion weitgehend ausgeschaltet wurde.
Meist tritt das Syndrom im Rahmen von Vergiftungen mit Atropin bzw. Hyoscyamin, Antidepressiva, Neuroleptika, Antihistaminika oder nach Einnahme von giftigen Pflanzen aus der Familie der Nachtschattengewächse (Tollkirsche, Bilsenkraut, Stechapfel, Engelstrompete) auf.
Entgegen oft gehörten Behauptungen wirken die Inhaltsstoffe des Fliegenpilzes und des Pantherpilzes (nämlich Ibotensäure und Muscimol) nicht anticholinerg und verursachen daher kein anticholinerges Syndrom.
Pathophysiologie
Der cholinerge Neurotransmitter Acetylcholin ist zerebral an verschiedenen Funktionen beteiligt, hierzu gehört unter Anderem das Bewusstsein. Wird dieser Effekt durch anticholinerge Substanzen, wie beispielsweise die oben genannten, antagonisiert führt dies zu einer Reihe neurologischer Symptome. Dieser antagonistische Effekt wird durch eine kompetitive Verdrängung vom Acetylcholinrezeptor erzielt.
Symptome
Man unterscheidet periphere von zentralen Symptomen. Zentrale Symptome sind diejenigen, die das Zentrale Nervensystem (Gehirn) betreffen. Es können zwei Verlaufsformen unterscheiden werden.
1. Delirante Form mit
- Angst, Unruhe
- Verwirrtheit, Desorientiertheit
- visuelle oder auditive Halluzinationen
- Bewegungsstörungen (Myoklonien, Dysarthrie)
- Krampfanfälle
2. Somnolente Form
- verzögertes Erwachen nach der Narkose
- Schläfrigkeit (Somnolenz) bis hin zum Koma
- im Extremfall bis hin zum Atemstillstand
Bei beiden Verlaufsformen können die folgenden peripheren Symptome auftreten:
- trockene, heiße, gerötete Haut durch
- Verminderte Schweißproduktion
- Fieber (Hyperthermie)
- Weite Pupillen (Mydriasis)
- Glaukomanfall
- Störungen der Akkommodation, das heißt im Wesentlichen verschwommenes Sehen, besonders in der Nähe
- Mundtrockenheit, Durst durch
- Verminderte Speichelproduktion
- Verminderte tracheobronchiale Sekretion
- Schluckstörungen
- Herzrhythmusstörungen
- Zu schneller Puls (Tachykardie)
- Supraventrikuläre Extrasystolen
- Selten (bei hoher Dosis) AV-Überleitungsstörungen
- Magen-Darm-Atonie
- Harnverhaltung (durch Blasenatonie)
Therapie
Patienten mit einem anticholinergen Syndrom müssen auf einer Intensivstation überwacht werden. Bei Unruhe und Halluzinationen ist eine Fixierung notwendig. Physostigmin wird auf Grund der Induktion von massiven Herzrhythmusstörungen nicht mehr gegeben. Manchmal wird versucht durch eine forcierte Diurese eine schnellere Ausscheidung aus dem Körper zu erreichen. Magenspülungen werden nur in Ausnahmefällen empfohlen, da die Aspirationsgefahr den Nutzen überwiegt, des Weiteren ist sie beim bewusstseinsgetrübten Patienten ohne künstliche Beatmung (Intubation) kontraindiziert. Eine besondere Rolle in der Therapie spielt die Aktivkohle, die als Adsorbens verabreicht wird, um die Giftaufnahme im Verdauungstrakt zu verhindern.
Bitte beachte den Hinweis zu Gesundheitsthemen!
Wikimedia Foundation.