Zollverein-Kubus

Zollverein-Kubus
Der Zollverein-Kubus

Der Zollverein-Kubus ist ein 2006 errichtetes, architektonisch innovatives Hochschulgebäude in Essen. Nach der ursprünglichen Verwendung sowie nach den Architekten werden teilweise auch die Namen „Zollverein School“, „Sanaa-Kubus“ und „Sanaa-Gebäude“ verwendet.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung und Nutzung

Entworfen wurde das Gebäude von der japanischen Architektin Kazuyo Sejima und ihrem Kollegen Ryue Nishizawa des Tokioter Architektenbüros SANAA, Träger des Pritzker-Preises 2010. Sie gewannen 2002 mit ihrem Entwurf den Gestaltungswettbewerb. Ausgeführt wurde der Bau von dem Essener Architekten Heinrich Böll.

Der Zollverein-Kubus befindet sich im Stadtteil Essen-Stoppenberg, auf wenige Meter angrenzend an die Stadtteile Katernberg und Schonnebeck. Er steht am Eingang der Hauptzufahrt zum Gelände des Weltkulturerbes Zeche Zollverein. An dieser Stelle sah der Masterplan für das Gelände von Rem Koolhaas/OMA einen städtebaulichen Attraktor vor, einen zusätzlichen Publikumsmagneten, der zum Wahrzeichen avancieren sollte. Das Bauwerk steht damit streng genommen nicht auf dem historischen Zechengelände, wird aber zum Gesamtensemble gezählt.[1]

Zur Errichtung wurde ein vor dem Ersten Weltkrieg von der Süddeutschen Eisenbahn-Gesellschaft errichtetes Straßenbahndepot abgerissen, das zuletzt von der Schraubenfabrik Wilhelmi genutzt worden war.

Das Gebäude wurde für die inzwischen wieder geschlossene Privathochschule Zollverein School of Management and Design errichtet und 2006 eröffnet. Trotz einer staatlichen „Anschubfinanzierung“ von 6,8 Millionen €, aus der auch das Gebäude bezahlt wurde, konnte die Privathochschule kaum Studierende gewinnen und erzielte niemals nennenswerte Einnahmen.[2] Im Jahr 2007 räumte sie 5.400 der insgesamt 5.700 Quadratmeter des Gebäudes,[3] 2008 wurde die Abwicklung beschlossen.[4]

Anfang des Jahres 2010 gab nach einem nicht öffentlich gemachten Entscheidungsprozess die Folkwang Universität bekannt, dass sie mit sofortiger Wirkung das Gebäude für ihren Fachbereich Gestaltung nutzen wird, der derzeit noch in Räumen der Universität Duisburg-Essen untergebracht ist. Zur Deckung des Raumbedarfs für den gesamten Fachbereich wurde ein weiterer Neubau in Sichtweite auf dem Zechengelände ausgeschrieben.[5]

Fassade

Vorderseite von der Gelsenkirchener Straße
Rückseite von der Zeche Zollverein
Fenster-Detail
Essen Zollverein School.jpg

Während im Wettbewerbsentwurf aus dem Jahre 2005, der noch ein feinmaschiges Fensterraster vorsah, 3500 unterschiedlich große Fenster die Fassaden zierten, sind es im realisierten Entwurf lediglich 132 und nur vier unterschiedliche Größen. Die Fassade musste dabei vor allem aus konstruktiven Aspekten abgeändert werden.

Auffälliges Merkmal des Gebäudes ist weiterhin die Konzentration der Fenster zu den gegenüberliegenden Ecken (Südwesten und Nordosten) und die nicht ablesbare Geschossigkeit. Anders als die Erscheinung vermuten lässt, sind die Fenster nicht rein nach ästhetischen Gesichtspunkten platziert sondern entstammen einer Tageslichtsimulation, die unter anderem die Grundrissnutzung (Bibliothek, Computerarbeitsplatz, Seminarraum etc.), die Ausrichtung und die Geschosshöhe berücksichtigte. Erst dann verfeinerten Sanaa die Positionierungen noch geringfügig, dabei wurde noch zusätzlich auf die Ausblicke geachtet, die das Gebäude bieten könnte. So befinden sich die meisten Fenster an der südwestlichen Ecke, also in Richtung des Geländes der Zeche Zollverein. Aus dem Gebäude bieten sich so immer neue Ausblicke und eingerahmte Impressionen der Umgebung. Betont durch die Fensterrahmen, auf die von außen verzichtet wurde um ein reineres Gesamtbild zu erreichen. Auch die Türöffnungen nach außen sind alle quadratisch und nicht in einheitlicher Größe. Um deren optische Abweichung so gering wie möglich zu halten, wurde auf sonst übliche Inszenierung der Eingänge verzichtet. Lediglich Kieswege deuten die Positionen der Türen an.

Konstruktion

Der Fast-Kubus (Grundfläche 35 auf 35 Meter, 34 Meter Höhe) ist in seinem inneren Aufbau großzügig und transparent. Aufenthaltsräume, Bibliothek und Seminar-Räume verteilen sich jeweils auf eigene Ebenen. Einzige durchgängige Elemente sind dabei drei frei stehende Kerne unterschiedlicher Größe und zwei notwendige Stahlstützen um die Spannweiten der Decken zu verringern. Die fünfzig Zentimeter starke Flachdecke überspannt so zwischen den vier Außenwänden, den drei Kernen und den beiden Stützen maximal sechzehn Meter. Zur Verringerung der Deckeneigenlast um 30% wurden kugelförmige Kunststoffhohlkörper in die Bewehrung eingelegt. Auch sämtliche Technik des Gebäudes verläuft durch die Decken.

Eine weitere Besonderheit des Gebäudes ist seine aktive Wärmedämmung. In die gerade Mal fünfundzwanzig Zentimeter dicken Wände ist ein 3000 Meter langes Schlauchsystem einbetoniert. Durch dieses Rohrsystem läuft ca. 28 Grad warmes Wasser, welches auf dem Gelände der Zeche ohnehin täglich hochgepumpt werden muss, da der gesamte Bereich sonst mit Wasser voll laufen würde. Über einen Wärmetauscher erwärmt dieses Wasser den Wasserkreislauf der Schule. Die Erwärmung der Wände dient dabei nicht zur Beheizung des Gebäudes, sondern zur aktiven Wärmedämmung. Die monolithische Wandbauweise ist dabei als Verweis auf die Bestandsbauten auf dem Gelände zu verstehen, die in einschaligem Mauerwerk umgesetzt sind.

Innere Aufteilung

Die 5.700 Quadratmeter des Gebäudes verteilen sich auf fünf Geschosse: Im Erdgeschoss befindet sich neben einem schlichten Empfangstresen und einer Cafeteria noch ein freistehender, rundum doppelverglaster, gestaffelter Hörsaal, wobei zwischen den Glasscheiben ein Vorhang verläuft. Die innere Glasschicht ist dabei zusätzlich nach innen geneigt um eine bessere Akustik zu gewährleisten. Eben diese ist im restlichen Teil des Erdgeschosses sehr schlecht, weil sämtliche Oberflächen die Schallwellen stark reflektieren. Das Erdgeschoss ist entgegen der Planung die einzige öffentlich zu betretende Etage des Gebäudes, alle oberen Geschosse darf man nur als Mitarbeiter, Student oder über Führungen betreten.

Die höheren Geschosse erreicht man über einen der Aufzüge im größten oder über die Treppen in den anderen beiden Kernen. Das zweite Geschoss ist mit seiner Deckenhöhe von zehn Metern das Herzstück des Gebäudes. Im Gegensatz zur Akustik im Erdgeschoss schafft hier grauer Teppich eine ruhigere Atmosphäre. Die Etage ist mit Ausnahme von wenigen, ausgewählten Möbelstücken leer. Sie ist als Multifunktionsraum zu verstehen. So befinden sich überall im Fußboden Anschlüsse für Strom und Internet, gleichzeitig kann jede angestrebte Nutzung flexibel ausgestattet werden. Dieser Raum kann tageweise für Veranstaltungen gemietet werden oder wird im Zusammenhang mit der Ausbildung kreativ genutzt.

Im zweiten Geschoss befindet sich die eigentliche Etage der Studenten. Eingestellte weiß verputzte und damit von den Sichtbetonkernen abgesetzte Quader beherbergen die ebenfalls zu mietenden Seminarräume. Zusätzliche Wände gibt es auch hier nicht.

Das dritte Geschoss dient der Organisation. Vollverglaste Büros, erreichbar über einen umlaufenden Gang und untereinander verbunden über quadratische Innenhöfe, bieten Raum für die Professoren und die Verwaltung. Die Innenhöfe lassen auf das darüberliegende Dachgeschoss schließen.

Die Höfe gehören zum Außenraum und gestalten sich in der obersten Etage als Einblick gewährende Bodenöffnungen. Ansonsten hat die oberste Ebene einen sehr skulpturalen Charakter. Drei große Öffnungen im Dach verglasten Fensteröffnungen schaffen private Außenräume. In der eigentlichen Planung sollte dieses Dachgeschoss öffentlich zugänglich sein, was aus rechtlichen Gründen bisher nicht möglich ist. Ebenfalls abweichend von der Planung ist die fehlende Bepflanzung innerhalb der Innenhöfe des Verwaltungsgeschosses und auf der obersten Ebene.

Architekturpreis

Der Bund Deutscher Architekten zeichnete das vom Tokioter Architekturbüro SANAA entworfene Gebäude 2010 mit dem Architekturpreis Nike „für die beste städtebauliche Symbolik“ aus. Die Jury würdigte, dass der Bau Bezug nehme auf den Maßstab der Zeche Zollverein. „Zugleich reagiert der Entwurf durch Zurücksetzen des Baukörpers auf die kleinteilige Struktur der Bebauung im angrenzenden Straßenraum.“[6]

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Lageplan des Weltkulturerbes Zollverein (PDF)
  2. Wer will die Design School in Essen? In: Die Welt, 16. März 2008
  3. Keinen Betonwürfel mehr am Hals. In: Neue Ruhr Zeitung Essen, 15. November 2007
  4. School’s out. In: Neue Ruhr Zeitung Essen, 18. September 2008
  5. Folkwang bezieht das Sanaa-Gebäude und benennt sich um in Folkwang Universität, Pressemitteilung der Folkwang-Universität, 9. Januar 2010
  6. Nike für die beste städtebauliche Symbolik. BDA
    Neues Museum. In: Süddeutsche Zeitung, 10. Mai 2010, S. 11
51.4881427.047671

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