Étienne Davignon

Étienne Davignon

Vicomte Étienne Davignon (* 4. Oktober 1932 in Budapest, Ungarn) ist ein belgischer Politiker und Geschäftsmann. Er war Vizepräsident der Europäischen Kommission und ist Ehrenpräsident der Bilderberg-Konferenz. Bekannt wurde er insbesondere durch den Davignon-Bericht, der 1970 die Einrichtung der Europäischen Politischen Zusammenarbeit vorschlug.

Werdegang

Davignon studierte in Brüssel und Löwen zunächst Jura, Philosophie und Wirtschaftswissenschaft, bevor er 1959 in den diplomatischen Dienst seines Landes in Afrika als Attaché eintrat. In der Regierung des Sozialisten Paul-Henri Spaak wurde er 1964 Kabinettschef im belgischen Außenministerium. Diese Funktion behielt er auch während der Amtszeit des belgischen Außenministers und späteren Regierungschefs Pierre Harmel. Er war an der Abfassung des Harmel-Berichts zur Zukunft der NATO beteiligt, der die Entspannungspolitik zwischen den Militärblöcken einleitete. 1970 legte er als Ausschussvorsitzender der politischen Direktoren der Europäische Wirtschaftsgemeinschaft den „Davignon-Bericht“ zur Weiterentwicklung und politischen Einigung der Europäischen Gemeinschaften vor, in dem er einen Informations- und Konsultationsmechanismus auf dem Gebiet der Außenpolitik der damals noch sechs Staaten vorschlug. 1973 spielte er für sein Land bei der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa in Helsinki eine wichtige Rolle.

Zu Beginn der ersten Ölkrise wurde er 1974 zum ersten Präsidenten der Internationalen Energieagentur berufen. Dieses Amt bekleidet er bis 1977. Von 1977 bis 1985 war Davignon als Kommissar für Binnenmarkt, Verwaltung der Zollunion und der industriellen Angelegenheiten Mitglied der Europäischen Kommission. In dieser Eigenschaft war Davignon maßgeblich für die Schritte der Montanunion zur Beilegung der Stahlkrise zuständig. Von 1981 bis 1985 fungiert Davignon dabei als Vizepräsident der Europäischen Kommission. Das Angebot seiner christlich-sozialen Partei PSC (heute cdH) auf dem Höhepunkt des flämisch-wallonischen Konflikts zur Führung in Brüssel nahm er nicht an.

Nach dem Ende seiner politischen Karriere 1989 trat Davignon in den Verwaltungsrat der Société Générale de Belgique (SGB) ein, präsidierte am Runden Tisch europäischer Industrieller (ERT) und saß der Union Minière vor, einem traditionsreichen belgischen Bergbauunternehmen im Besitz der SGB, das in der kongolesischen Provinz Katanga tätig ist. Davignon ist Vizepräsident des Hotelbetreibers Accor und beim mit der SGB verbundenen, belgischen Energieversorger Tractebel, fungierte als Vizepräsident des Luxemburger Stahlproduzenten Arbed und von Fortis Belgien. Er ist Aufsichtsratmitglied der Anglo American Mining, beim italienischen Autohersteller Fiat, beim französisch-belgischen Versorger Suez, der mit der belgischen Bank SGB fusionierte, dem deutschen Chemieriesen BASF, dem belgischen Salz- und Chemieproduzenten Solvay, Gilead, dem britischen Chemiegiganten Imperial Chemical Industries, Pechiney, Foamex, Sofina, Recticel und CMB. Nach dem Bankrott des belgischen Luftfahrtunternehmens Sabena Ende 2001 setzte sich Davignon erfolgreich für die Gründung der Nachfolgegesellschaft SN Brussels Airlines ein.

Seit 1991 ist Davignon Präsident der Association pour l’union monétaire en Europe, Vorsitzender der Stiftung Fondation Paul Henri Spaak und Präsident des Royal Institute for International Relations.

Seit 1974 nimmt Davignon an den jährlichen Treffen der Bilderberg-Konferenz teil, deren Präsident er 2005 wurde. Er ist Mitglied der Trilateralen Kommission und der Fondation Ditchley. Am 26. Januar 2004 erhielt er den Ehrentitel eines Staatsministers, der ihm einen Sitz im belgischen Kronrat sichert. 2000 wurde Davignon mit dem Hans-Böckler-Preis ausgezeichnet[1].

Bereits sein Großvater Julien Davignon war 1914 bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs Außenminister Belgiens.

Einzelnachweise

  1. http://www.boeckler.de/76_12795.html

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Etienne Davignon — Étienne Davignon Le vicomte Étienne Davignon est un homme d État et homme d affaires belge né le 4 octobre 1932 à Budapest (Hongrie). Sommaire 1 Biographie 2 Fonctions et mandats 3 Bibliographie …   Wikipédia en Français

  • Étienne Davignon — Étienne, Viscount Davignon (born October 4, 1932) is a Belgian politician, businessman, and former vice president of the European Commission.After receiving a Doctorate of Law from the Université catholique de Louvain, Davignon joined the Belgian …   Wikipedia

  • Etienne Davignon — Vicomte Étienne Davignon (* 4. Oktober 1932 in Budapest, Ungarn) ist ein belgischer Politiker und Geschäftsmann. Er war Vizepräsident der Europäischen Kommission und ist Ehrenpräsident der Bilderberg Konferenz. Werdegang Davignon studierte in… …   Deutsch Wikipedia

  • Étienne Davignon — Le vicomte Étienne Davignon est un homme d État et homme d affaires belge né le 4 octobre 1932 à Budapest (Hongrie). Son surnom est Steevie. Sommaire 1 Formation 2 Biographie 3 …   Wikipédia en Français

  • Étienne Davignon — Vizconde Étienne Davignon Vicepresidente de la Comisión Europea …   Wikipedia Español

  • Davignon — ist der Name folgender Personen: Jacques Henri Charles François Davignon (1887–1965), belgischer Botschafter Étienne Davignon (* 1932), belgischer Politiker und Geschäftsmann Diese Seite ist eine Begriffsklärung zur Unters …   Deutsch Wikipedia

  • Davignon-Bericht — Der Davignon Bericht (auch Luxemburger Bericht)[1] vom 27. Oktober 1970[2] war Grundlage für die Schaffung der Europäischen Politischen Zusammenarbeit, die anlässlich der Kopenhagener Gipfelkonferenz der Staats und Regierungschefs der… …   Deutsch Wikipedia

  • Davignon — Cette page d’homonymie répertorie les différents sujets et articles partageant un même nom. Étienne Davignon est un homme d État belge né le 4 octobre 1932 à Budapest (Hongrie). Henry Davignon (1846 1917) général français Jean Davignon est un… …   Wikipédia en Français

  • Davignon report — The Davignon report, published October 27, 1970, was a report on the future foreign policy of European Economic Community member nations. It was written by a council chaired by Étienne Davignon of the Belgian Foreign Office. The committee was… …   Wikipedia

  • Narjes — Karl Heinz Narjes auf dem CDU Bundesparteitag 1973 Karl Heinz Narjes (* 30. Januar 1924 in Soltau) ist ein deutscher Politiker (CDU). Er war von 1969 bis 1973 Minister für Wirtschaft und Verkehr des Landes …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”