Überlebens-Protein

Überlebens-Protein

Survivin, auch als BIRC5 oder API4 bezeichnet, ist ein Apoptose-hemmendes Protein, welches im Wesentlichen von Krebszellen produziert wird. Das Tumor-Antigen[1] wird auch „Überlebens-Protein“ genannt. Daraus leitet sich auch der aus dem Englischen stammende Name – to survive (überleben) – ab.[2]

Da Survivin im adulten Körper im Wesentlichen nur in Malignomen und nicht im Normalgewebe zu finden ist und es eine große Bedeutung für die Apoptoseregulation in transformierten Zellen aufweist, wurde es schon kurz nach seiner Entdeckung als potenzieller Biomarker für die Diagnostik und Prognose von Krebserkrankungen, sowie als mögliches Target in der Krebstherapie vorgeschlagen.[3][4]

Inhaltsverzeichnis

Entdeckung

Survivin wurde erstmals 1997 von G. Ambrosini, C Adida und D.C. Altieri in verschiedenen malignen Zelllinien und einer Reihe von fetalen Geweben identifiziert.[5][6] Entdeckt wurde es mittels Hybridisierungsscreening einer humanen Genbank mit der cDNA des Faktor-Xa-Rezeptors EPR-1 (effector cell protease receptor-1).[7]

Vorkommen

Während der Embryonalentwicklung hat Survivin die Funktion, die korrekte Weitergabe der Chromosomen in den sich teilenden Zellen zu überwachen. Nach der Embryonalentwicklung ist dieses Protein in ruhenden gesunden Zellen kaum noch vorhanden. Dagegen produzieren die Zellen fast aller Tumoren Survivin, um unkontrolliert zu wachsen und sich gegen Therapien besser schützen zu können.[8]

Eigenschaften

Das für die Expression von Survivin verantwortliche Gen ist 14,7 kb groß und liegt auf dem Chromosom 17q25.[7] Es besteht aus drei Introns und vier Exons.[9] Das Gen kodiert für das Protein das aus 142 Aminosäuren besteht und eine molare Masse von 16.390 Da aufweist.[10] Als Klasse 3 IAP (inhibitor of apoptosis) verhindert Survivin nur die apoptische Funktion von essenziellen BIR-Domänen (baculovirus IAP repeats).[6][11][12]

Derzeit sind vier Spleiß-Varianten von Survivin bekannt:

  • wt-Survivin (142 Aminosäuren)
  • 2B-Survivin (165 Aminosäuren)
  • Survivin-Δ3 (137 Aminosäuren)
  • 3B-Survivin (kürzlich entdeckt).[7]

Survivin unterscheidet sich von anderen IAPs durch:

  • das Vorhandensein nur einer BIR-Domäne
  • das Fehlen einer CARD (caspase recruitment domain)
  • das Fehlen einer RING-Domäne (really interesting gene)
  • die geringe molare Masse von 16,5 kDa.[13]

Das Survivin-Protein ist ein bow-tieshaped-Dimer. Ein Survivin-Monomer besteht aus einer BIR-Domäne, die drei α-Helices und einem dreisträngigen β-Faltblatt. Größtenteils wird die Form der Domäne durch einen Zink-Finger (mit vier Zink-Liganden) stabilisiert. Die Dimer-Formation wird durch Wasserstoffbrückenbindungen und van der Waals-Kräfte gebildet.[13][14]

Funktionsmechanismus

Die Mechanismen der anti-apoptotischen Funktion von Survivin sind noch nicht vollständig erforscht. Survivin soll den Mitochondrien-abhängigen, so genannten intrinsischen Apoptoseweg, antagonisieren.[15][16] Die inhibierende Wirkung von Survivin auf die Apoptosekaskade scheint über eine Inaktivierung der Zelltodprotease Caspase-9 vermittelt und von einem Kofaktor (HBXIP) abhängig zu sein.[17][6] Die vollständige Aufklärung des Funktionsmechanismuses von Survivin wäre insbesondere für mögliche Therapieansätze bei Krebserkrankungen von großem Interesse.

Diagnostische Anwendungen

Survivin lässt sich bei Harnblasenkarzinomen im Urin nachweisen. Zur Zeit laufen hierzu einige klinische Studien.[18][19]

Weitere diagnostische Anwendungen sind in der Entwicklung.

Mögliche Therapieansätze

Survivin eignet sich als Zielmolekül für therapeutische Entwicklungen.[20]

Nach seiner Produktion wird das Survivin in das Zytoplasma transportiert, was offensichtlich eine wichtige Rolle für die krebsfördernde Funktion von Survivin spielt. Bei einigen Patienten ist dieser Transport allerdings offensichtlich gestört und das Survivin befindet sich vorwiegend im Zellkern. Erste Studien zeigen, dass diese Patienten bessere Überlebenschancen haben.[8]

Dieser Mechanismus ist der Anknüpfungspunkt für neue Krebstherapien, die den Transport von Survivin in das Zytoplasma verhindern sollen. Damit sollen Tumorzellen empfindlicher gegenüber konventionellen Krebstherapien (Chemotherapie und Strahlentherapie) werden.[8][21] Die Firma Lilly hat ein Antisense-Oligonukleotid in der Entwicklung, welches Survivin blockieren soll.[22]

Sonstiges

Resveratrol, ein Polyphenol, das beispielsweise in Rotwein vorkommt, ist offensichtlich in der Lage Survivin zu inhibieren.[23]

Einzelnachweise

  1. uni-protokolle.de: Jürgen C. Becker prüft Immuntherapien gegen Krebs, abgerufen am 3. September 2007
  2. echo-online.de vom 31. August 2007: Zutritt verboten, abgerufen am 3. September 2007
  3. Altieri DC, Validating survivin as a cancer therapeutic target., in Nat Rev Cancer 3/2003, S.46–54.
  4. Schimmer AD, Inhibitor of apoptosis proteins: translating basic knowledge into clinical practice., in Cancer Res, 64/2004, S.7183–90.
  5. Ambrosini, G. et.al. (1997): A novel anti-apoptosis gene, survivin, expressed in cancer and lymphoma. In: Nature Medicine. Bd. 8, S. 917-921. PMID 9256286
  6. a b c Weikert, S.: Der Apoptose-Inhibitor Survivin: Ein Tumormarker mit dem Expressionsprofil eines Cancer/Testis-Antigens. Habilitationsschrift, FU Berlin, 2007.
  7. a b c Kappler, M.: Molekulare Charakterisierung des IAP Survivin in Weichteilsarkomen: Bedeutung für Prognose und Etablierung neuer Therapiestrategien. Dissertation, Universität Halle-Wittenberg, 2005.
  8. a b c curado.de vom 9. August 2007: Exportstopp gegen Krebswachstum, abgerufen am 3. September 2007
  9. F. Li, D. C. Altieri: The cancer anti-apoptosis mouse survivin gene: characterization of locus and transcriptional requirements of basal and cell-dependet expression. In: Cancer Res 59/1999, S. 3143–3151.
  10. UniProt O15392
  11. N. E. Crook u. a.: An apoptosis-inhibiting baculovirus gene with a zinc fingerlike motif. In: J Virol 67/1993, S. 2168–2174.
  12. R. J. Clem u. a.: Control of programmed cell death by the baculovirus genes p35 and iap. In: Mol Cell Biol 14/1994, S. 5212–5222.
  13. a b M. Müller: Survivin und seine alternativen Spleißvarianten: Untersuchungen zu ihrer Bedeutung für eine Zytostatika-induzierte Apoptose und ihren molekularen Interaktionspartnern. Dissertation, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, 2004.
  14. L. Chantalat u. a.: Crystal structure of human survivin reveals a bow tie-shaped dimer with two unusual alpha-helical extensions. In: Mol. Cell Bd. 6/2000, S. 183–189.
  15. Grossman, D. et.al. (2001): Transgenic expression of survivin in keratinocytes counteracts UVB-induced apoptosis and cooperates with loss of p53. In: J. Clin. Invest. Bd. 108, S. 991–999.
  16. Conway, E.M. et.al. (2002): Deficiency of survivin in transgenic mice exacerbates Fas-induced apoptosis via mitochondrial pathways. In: Gastroenterology. Bd. 123, S. 619–631.
  17. Marusawa, H. et.al. (2003): HBXIP functions as a cofactor of survivin in apoptosis suppression. In: Embo J. Bd. 22, S. 2729–2740.
  18. in focus Onkologie: Krebsverdacht bei Survivin im Urin, 9/2004, S.31.
  19. Shariat, S.F. et al. (2004): Urine detection of survivin is a sensitive marker for the noninvasive diagnosis of bladder cancer. In: J. Urol. Bd. 171, S. 626–630.
  20. swisscancer.ch: Survivin als Zielmolekül zur Förderung der Empfindlichkeit von Tumoren gegenüber Chemotherapie und Signaltransduktion via Death Receptor, abgerufen am 3. September 2007
  21. Lilly Onkologie-Forschung: Neue Perspektiven bei Krebs
  22. Susanne Heinzel (2004): Zielgerichtete Therapie noch nicht am Ziel. In: MMP. Bd. 27, S. 109.
  23. medizinauskunft.de vom 15. September 2005: Rotwein gegen Krebs, abgerufen am 3. September 2005.

Literatur

  • 3sat.de: Auf dem Weg zu möglicher Krebs-Impfung, abgerufen am 3. September 2007
  • orf.at: Hoffnung auf Impfung gegen Krebs, abgerufen am 3. September 2007
  • LaCasse, E.C. et.al. (1998): The inhibitors of apoptosis (IAPs) and their emerging role in cancer. In: Oncogene. Bd. 25, S. 3247–2359. PMID 9916987
  • Adida, C. et.al. (1998): Developmentally regulated expression of the novel cancer anti-apoptosis gene survivin in human and mouse differentiation. In: Am. J. Pathol. Bd. 152, S.43–49.
  • Kobayashi, K. et.al. (1999): Expression of a murine homologue of the inhibitor of apoptosis protein is related to cell proliferation. In: Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A. Bd. 96, S. 1457–1462.
  • Uren, A.G. et.al. (2000): Survivin and the inner centromere protein INCENP show similar cell-cycle localization and gene knockout phenotype. In: Curr. Biol. Bd. 10, S. 1319–1328.
  • Altieri, D.C. (2003): Survivin, versatile modulation of cell division and apoptosis in cancer. In: Oncogene. Bd. 22, S. 8581–8589.

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