Bildstabilisierung

Bildstabilisierung

Als Bildstabilisierung bezeichnet man in der Fototechnik Verfahren zur Vermeidung von Verwacklungsunschärfe.

Inhaltsverzeichnis

Grundlagen

Die sogenannte Freihandgrenze für das Fotografieren im Kleinbildformat liegt nach einer Faustregel beim Kehrwert der Brennweite des verwendeten Objektivs; bei ruhiger Hand sind bei einem 200-mm-Teleobjektiv also verwacklungsfreie Aufnahmen ab einer Verschlusszeit von 1/200 Sekunde möglich; für Superteleobjektive gilt diese Faustregel allerdings nur noch eingeschränkt.

Der praktische Gewinn einer Bildstabilisierung liegt – nach Herstellerangaben – bei bis zu vier Blendenstufen, sie ermöglicht demnach eine bis zu sechzehnfache Belichtungszeit gegenüber dem nicht stabilisierten System. Daher erweitert ein Bildstabilisator die Möglichkeiten der Freihandfotografie in Bezug auf die Verschlusszeit sowie auf die Brennweite des Objektivs. Dabei wird allerdings von unbewegten Motiven ausgegangen. Gegen Bewegungsunschärfe hilft nur eine kürzere Belichtungszeit. In der Sport- und Konzertfotografie beispielsweise ist der Nutzen einer Bildstabilisierung daher oft geringer als erhofft.

Einsatz des Anti-Shake-Systemes anstelle des Blitzes im Miniatur-Wunderland Hamburg, Die Fenster zeigen die Einstellungen der Kamera (1/10 s bei 104 mm Brennweite)

Funktionsprinzipien

Es werden drei Verfahren zur Bildstabilisierung unterschieden, die jeweils unter proprietären Bezeichnungen von der Fotowirtschaft angeboten werden.

Optische Bildstabilisierung

Der Mechanismus der Bildstabilisierung kann entweder im Objektiv oder beim Bildsensor untergebracht sein. Bildstabilisierungsobjektive werden von Canon, Leica, Nikon, Tamron, Sigma, Sony (NEX) und Panasonic angeboten, eine sensorbasierte Bildstabilisierung bieten unter anderem Pentax, Sony (vormals Konica Minolta), Olympus und Fujifilm. Bei der optischen Bildstabilisierung wird entweder der Bildkreis über dem Bildsensor (bei der Realisierung im Objektiv) oder der Bildsensor unter dem Bildkreis (bei der Realisierung im Gehäuse) verschoben.

Ein Vorteil bei einer Bildstabilisierung am Bildsensor liegt darin, dass der Mechanismus grundsätzlich allen verfügbaren Objektiven zugute kommen kann und nicht in jedem Objektiv implementiert zu werden braucht. Jedoch bieten bei Spiegelreflexkameras nur die in das Objektiv integrierten Stabilisatoren die Möglichkeit, bereits beim Blick durch den Sucher ein stabilisiertes Bild zu sehen. Bei Kompaktkameras lassen sich während der Motivsuche sowohl im elektronischen Sucher als auch auf dem Monitor stabilisierte Bilder darstellen. Stabilisierte Wechselobjektive lassen sich auch an analogen Spiegelreflexkameras verwenden.

Implementierung im Objektiv

Hier befinden sich die stabilisierenden Elemente – Prismen, Linsen oder andere optische Elemente – im Objektiv der Kamera; ein oder mehrere optische Elemente sind dabei beweglich und können anhand der Messungen von zwei oder drei Sensoren horizontal und vertikal gesteuert werden. Einer der Sensoren bestimmt die horizontale, der andere die vertikale Bewegung und der dritte die Position des Ausgleichselements.

Proprietäre Bildstabilisierungssysteme
  • Image Stabilizer (IS) von Canon:
    Es wird in Foto- und Video-Objektiven sowie Ferngläsern eingebaut. Es gibt je nach Objektiv bis zu vier unterschiedliche Betriebsmodi: a) Korrektur in horizontaler und vertikaler Richtung, b) Korrektur nur in horizontaler Richtung, c) Korrektur nur in vertikaler Richtung, d) ausgeschaltet. Die Modi b und c sind besonders für Fotos schnell bewegter Objekte (Mitziehen) geeignet.
  • Optical Image Stabilizer (O.I.S.) von Panasonic:
    Beim optischen Bildstabilisator (O.I.S.) von Panasonic wird eine kleine Linse im Objektiv durch zwei Linearmotoren horizontal verschoben; die Motoren werden anhand zweier Gyro-Sensoren (horizontal und vertikal) gesteuert. Es werden Schwingungen von etwa 1 bis 10 Hz kompensiert.
    Panasonic-Kameras neuerer Bauart kennen zwei Stabilisatormodi: Immer aktiv (Modus 1) und nur aktiv, wenn der Auslöser halb gedrückt ist (Modus 2). Im zweiten Fall wird nicht nur Strom gespart, sondern die beweglichen Linsen stoßen nicht so schnell an einen Anschlag, weil sie im inaktiven Zustand mittig gehalten werden. Dadurch kann das Zittern zuverlässiger kompensiert werden. Im Modus 1 kann es hingegen vorkommen, dass bei stärkeren Kamerabewegungen die Linse den Rand des horizontalen bzw. vertikalen Bewegungsbereiches erreicht. Dafür ist das Sucherbild ruhiger.
  • Optical Stabilizer (OS) von Sigma.
  • Vibration Compensation (VC) von Tamron.
  • Vibration Reduction (VR) von Nikon.

Implementierung in der Kamera

Die Bildstabilisierung in der Kamera funktioniert prinzipiell gleich wie die optische Bildstabilisierung im Objektiv, nur werden dabei keine optischen Ausgleichselemente bewegt, sondern direkt der Bildsensor. An einer Spiegelreflexkamera mit eingebauter Bildstabilisierung sind prinzipiell alle vorhandenen Wechselobjektive zur Bildstabilisierung kompatibel, es braucht also nicht die gesamte Objektivpalette ausgetauscht zu werden, zudem können auch Objektive von Fremdherstellern wie Tamron oder Sigma verwendet werden.

Proprietäre Bildstabilisierungssysteme

  • Image Stabilization (IS) von Olympus
  • Shake Reduction System (SR) von Pentax
    Im Moment der Auslösung wird der Sensor elektromagnetisch so bewegt, dass das Bild auf dem Sensor still steht. Als erstes Bildstabilisierungssystem kann es nicht nur horizontale und vertikale Bewegungen ausgleichen, sondern auch Rotation um die Bildachse. Der maximal mögliche Hub des Sensors entlang der Bildebene beträgt zwei bis drei Millimeter.
    Das System wurde im Jahr 2006 zunächst in der Kompaktkamera Pentax Optio A10 und anschließend in den digitalen Spiegelreflexkameras K100D und K10D eingesetzt.
    Für die K10D gibt Pentax eine Wirksamkeit der "Shake Reduction" von bis zu vier Lichtwerten an. Das heißt, dass im günstigsten Fall eine 16-fach längere Belichtungszeit verwacklungsfrei gehalten werden kann als ohne Stabilisierung. Die für die Stabilisierungsfunktion benötigte Information über die Brennweite wird der Kamera von neueren Objektiven automatisch mitgeteilt. Ist dies nicht der Fall, kann der Brennweitenwert über das Kameramenü eingegeben werden. Auf diese Weise lassen sich auch alte oder adaptierte Objektive an Kameras mit Shake Reduction stabilisiert verwenden.
  • SteadyShot Inside (SSI) von Sony, basierend auf dem Super SteadyShot-System von Sony, wurde ursprünglich als Anti-Shake-System (AS) von Konica Minolta entwickelt.
  • Super SteadyShot (SSS) von Sony, wurde ursprünglich als Anti-Shake-System (AS) von Konica Minolta entwickelt.
  • Vibration Correction von Ricoh

Mechanische Bildstabilisierung

Die mechanische Bildstabilisierung kann durch Aufstützen der Kamera, ein Stativ oder auch über einen Gyro-Stabilisator (Kreisel) durchgeführt werden. Speziell bei Bewegtbild-Aufnahmen dienen Steadicam-Systeme der mechanischen Stabilisierung einer handgeführten Kamera.

Elektronische Bildstabilisierung über Belichtungszeitanpassung

Die elektronische Bildstabilisierung wird hauptsächlich in Videokameras eingesetzt. Aber auch in den Fotoapparaten finden sich Umsetzungen, die meist auf dem Nachschärfen der Bilder oder auf einer automatischen Empfindlichkeitserhöhung des Sensors basieren.

  • electronic Vibration Reduction (e-VR) von Nikon, Coolpix S4
  • Anti-Shake-DSP in einigen Exilim-Modellen von Casio
  • Advanced Shake Reduction (ASR) von Samsung. Bei der ASR-Funktion werden eine unterbelichtete Aufnahme mit kurzer Verschlusszeit und eine korrekt belichtete mit entsprechend langer Verschlusszeit miteinander kombiniert. Die scharfe, unterbelichtete Version wird hierbei mit den Farbinformationen der verwackelten Aufnahme aufgehellt.

Einige Hersteller bezeichnen die automatische Erhöhung der Sensorempfindlichkeit bei schlechten Lichtverhältnissen als digitale Bildstabilisierung (z. B. Anti-Shake DSP). Dadurch sind kürzere Belichtungszeiten möglich, weshalb die Bilder weniger verwackelt werden. Die erhöhte Sensorempfindlichkeit führt jedoch durch erhöhtes Bildrauschen bzw. durch das notwendige Entrauschen zu einer schlechteren Bildqualität. Die Erhöhung der Sensorempfindlichkeit ist oft auch bei Kameras möglich, die nicht mit dieser Art der digitalen Bildstabilisierung werben. Diese Methode ist also keine echte Bildstabilisierung und dient meistens nur dem Marketing.

Bildstabilisierung beim Videografieren

Ein anderes Problem als bei Einzelbildern ergibt sich beim Aufnehmen von Videos, hier entstehen bei Freihandbedienung Wackeleffekte. Technisch bedeutet dies, dass sich das fotografierte Motiv zwischen aufeinanderfolgenden Einzelbildern scheinbar bewegt hat. Derartige Effekte lassen sich in Grenzen kompensieren, wenn die Videokamera in der Lage ist, die Wackelbewegungen, bestehend aus linearen Beschleunigungen und Verdrehungen, separat zu messen. Diese Beschleunigungen und Drehraten werden von Inertialsensoren gemessen und von einem Mikroprozessor erfasst und korrigiert. Das aufgenommene Bild wird entsprechend der (ungewünschten) Bewegung beschnitten und ggf. wieder interpoliert. Als unerwünschte Nebenwirkung kann jedoch dabei u.U. ein absichtlicher, langsamer Kameraschwenks zu einem unerwünschten Ruckeln verrechnet werden.

Geschichte und Entwicklung

Die erste Kamera mit einer Bildstabilisierungsfunktion stellte Nikon 1994 mit der Zoom 700VR vor.

1995 brachte Canon mit einem 75-300 mm-Telezoom das erste Wechselobjektiv für Kleinbildkameras mit einem optischen Bildstabilisator auf den Markt.

Der erste gehäuseintegrierte Bildstabilisator in einer digitalen Spiegelreflexkamera kam 2004 in Form des Anti-Shake Systems in der Konica Minolta Dynax 7D zum Einsatz. Diese Lösung stellte eine Weiterentwicklung der technisch vergleichbaren Systeme dar, die vormals in Minolta-Bridgekameras verwendet wurden.

Weitere Anwendungen

Seit einigen Jahren gibt es auch Ferngläser und Feldstecher mit mechanischer Bildstabilisierung (z. B. Zeiss 20x60S, Canon 15x50 IS, Fujinon Techno-Stabi 14x40 u. a.)

Synthetische Bildstabilisierung

Mit Hilfe der „Post Production Stabilizer“ ist eine synthetische Bildstabilisierung auch nach der Aufnahme eines Films möglich. Derartige Motion Tracking Software bietet beispielsweise Dynapel mit dem Produkt SteadyHand (früher SteadyMove) sowie Adobe mit Adobe After Effects an.

Weblinks


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