Bildungsgutschein

Bildungsgutschein

Der Bildungsgutschein ist ein Konzept zur staatlichen Kostenübernahme für Bildung und Betreuung in Einrichtungen jeder Stufe – von der Kinderkrippe bis zur Hochschule und Weiterbildung. Studienkonten sind eine besondere Form von Bildungsgutscheinen.

Inhaltsverzeichnis

Das klassische Gutscheinmodell von Milton Friedman

Milton Friedman plädierte erstmals 1955 für eine alternative Bildungsfinanzierung durch die Einführung von Bildungsgutscheinen. Der Bildungsgutschein weist folgende Merkmale auf:

Das Steuergeld fließt den Bildungsträgern nicht mehr unmittelbar zu, sondern auf dem Umweg über die Schüler oder Auszubildenden (in einem allgemeinen Sinne). Dem Auszubildenden oder seinen Erziehungsberechtigten wird ein Gutschein ausgehändigt, mit dem er sich bei einem Bildungsträger bewerben und dessen Leistungen bezahlen kann. Der Bildungsgutschein ist auf den Namen des Auszubildenden ausgestellt und nicht übertragbar. Der Auszubildende gibt den Bildungsgutschein einer frei wählbaren und staatlich anerkannten Bildungseinrichtung. Diese löst den Gutschein bei der Staatskasse gegen Geld ein, mit dem sie ihre Personal-, Raum- und sonstigen Sachkosten im Rahmen eines selbst verwalteten Haushalts bezahlen kann. Alle Auszubildenden erhalten einen staatlich festgelegten Grundwert, der unabhängig vom elterlichen Einkommen ist; dieses Finanzierungsverfahren tritt an die Stelle der traditionellen Unentgeltlichkeit staatlicher Bildungseinrichtungen und der staatlichen Direktsubventionen an private Bildungseinrichtungen.

Herstellung von Chancengleichheit und pädagogischem Wettbewerb

Der Bildungsgutschein stellt nach Ansicht seiner Befürworter einen effektiveren ökonomischen Beitrag des Staates zur Verwirklichung des Bürgerrechts auf Bildung dar. Der Staat finanziert nicht mehr die Schule (Objektförderung), sondern den Schüler (Subjektförderung). Die Einnahmen der Schulen bzw. anderer Bildungseinrichtungen sind aufgrund der Wahlfreiheit von Schülern bzw. Eltern davon abhängig, Schüler aufzunehmen und an sich zu binden. Dem Ruf einer Schule kommt im Wettbewerb um fähige Schüler und um kompetente Lehrkräfte eine wesentliche Bedeutung zu. Ein funktionierender Wettbewerb unter Bildungseinrichtungen erfordert Transparenz im Hinblick auf Qualität und Kosten, ein ausreichendes Alternativangebot und ein ausreichendes Maß an pädagogischer Freiheit der Bildungseinrichtungen in Bezug auf Bildungsziele und Bildungsmethoden. Schulen müssen sich verstärkt um ein überzeugendes pädagogisches Konzept, um einen pädagogischen Konsens aller an ihr Beteiligten, um eine wirksame praktische Umsetzung ihres Konzepts und um wirksames Marketing und Medienpräsenz bemühen.

Ob eine stärkeren Privatisierung der Schulbildung, die durch einen weitläufigen, allgemeinen Einsatz von Bildungsgutscheinen im Bereich der Schulbildung stattfinden könnte, sinnvoll wäre, ist gesellschaftlich sehr umstritten. Befürworter eines Systems, das auf Schulbildungsgutscheinen aufbauen würde, sehen in einem solchen System einen Anreiz für Schulen, effizienter zu arbeiten.[1] Gegner eines solchen Systems sehen darin einen Auslöser für eine stärkere soziale Segregation.[1]

Das Erfordernis, jedem schulpflichtigen Kind und Jugendlichen einen Platz zur Verfügung zu stellen, und das öffentliche Interesse an Bildung, das dieser Schulpflicht zu Grunde liegt, stehen mit einem völlig freien Markt zu einem gewissen Grad im Widerspruch. Studien zufolge führt eine freie Schulwahl zu einer Präferenz für solche Schulen, deren Schülerschaften einen höheren sozioökonomischen Status aufweisen, und bei uneingeschränkter Wahlfreiheit ergibt sich aus dieser Dynamik eine Hierarchie der Schulen. Darüber hinaus bestehen für Schulen in einem freien Wettbewerb starke Anreize, selektiv nur leistungsfähige Schüler aufzunehmen. Die Strategie einer Schülerselektion ist dabei für eine Schule unter Umständen ökonomisch attraktiver als ein Anwachsen der Schülerzahl, so dass auch erfolgreiche Schulen wenig Anreiz haben zu expandieren. Zugleich ist eine Schließung erfolgloser Bildungseinrichtungen, wie sie nach Marktprinzipien erforderlich wäre, im Falle drohender Versorgungsengpässe aufgrund der Schulpflicht gegebenenfalls nur schwer möglich.[2]

Um welche Höhe es beim Wert von Schulbildungsgutscheinen im Falle ihres allgemeinen Einsatzes in der schulischen Bildung in Deutschland gehen könnte, zeigen die Kostenermittlungen, die die baden-württembergische Landesregierung ihrem Landtag alle drei Jahre vorlegen muss. Danach kostete an öffentlichen Schulen ein Grundschüler die Kommunen (im Jahre 2004) und das Land (2005) zusammen 3.362 €, ein Hauptschüler 5.236 €, ein Realschüler 4.105 € und ein Gymnasiast 5.132 € (Landtagsdrucksache 14-623). Dabei würde sich die Frage stellen, in wie weit verschiedene Schultypen gleich oder unterschiedlich zu behandeln wären.

Im Juli 2010 kündigte Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen an, in einer anstehenden Hartz-IV Reform einen Teil der Leistungen für Kinder mit Anspruch nach Hartz-IV auf Gutscheine umzustellen. Dies solle sicherstellen, dass Kindern aus prekären Verhältnissen die staatlichen Leistungen wirksam zugute kommen.[3] Angedacht sind Gutscheine für einzelne Bildungs- und Freizeitangebote.

Praktische Anwendung von Bildungsgutscheinen

In den Vereinigten Staaten sind viele Experimente mit Bildungsgutscheinen durchgeführt worden, in denen es nicht um die Einführung einer freiheitlichen Ordnung für das gesamte Bildungswesen ging, sondern nur um mehr Zugangsgerechtigkeit für ärmere Bevölkerungsschichten zu besseren Schulen – und das meist nur halbherzig, wie die nachfolgenden Berichte zeigen. Dazu muss man bedenken, dass in den USA staatliche Zuschüsse an private Schulen wegen des Verfassungsgebots der strikten Trennung von Staat und Kirche nicht möglich sind, während in Deutschland an den privaten allgemeinbildenden Schulen 60 bis 90% der Kosten durch staatliche Subventionen gedeckt werden, die in den meisten Bundesländern schon pro Kopf des Schülers gegeben werden. Neuerdings haben Schulevaluationen in den angelsächsischen Ländern auch unerwartet große Qualitätsunterschiede zwischen den öffentlichen Schulen aufgedeckt und das Verlangen vieler Eltern geweckt, ihr Kind in eine andere öffentliche Schule schicken zu dürfen. Über die Schule, die das Kind besuchen wird, soll nicht mehr beim Wohnungsmakler entschieden werden, hat Tony Blair verlangt und die Schulbezirke aufgehoben sowie die Schulwege subventioniert.

Im Rahmen des New York City School Voucher Experiment wurden an einkommensschwache Familien Bildungsgutscheine verteilt. Mit diesen Gutscheinen konnten sie sich Nachhilfe und Bildung an einer privaten High School ihrer Wahl kaufen. Da es mehr Bewerber als Gutscheine gab, musste eine Lotterie veranstaltet werden, um die Gutscheine auszuteilen. Der Rest der Familien bildete die Kontrollgruppe. Nach vier Jahren wurden die Gutscheingruppe und die Kontrollgruppe verglichen:

  • Bei Weißen, Hispanics und Asiaten gab es zwischen den Gruppen keinen Unterschied in den Matheleistungen und Leseleistungen
  • Schwarze Schüler aus der Gutschein-Gruppe schnitten bei den Leseleistungen etwas besser ab als schwarze Schüler aus der Kontrollgruppe. Bei den Mathematik-Leistungen gab es keinen Unterschied.

Gutschein-Experimente in Dayton, Milwaukee scheinen das Ergebnis zu bestätigen. Deswegen sehen viele Wissenschaftler Bildungsgutscheine nicht als geeignetes Mittel an, um die Schulleistungen benachteiligter Gruppen zu verbessern.[4][5][6]

In Chile sind Bildungsgutscheine ab 1981 weiträumig eingesetzt worden und haben zur Schaffung von über 1000 Privatschulen geführt. Eine 2005 veröffentlichte Studie über die Folgen zeigte nicht eine objektive Verbesserung der Lernergebnisse, sondern eine deutliche Trennung der Schülerschaft auf.[7]

Bildungsgutscheine der Bundesagentur für Arbeit

Der Bildungsgutschein ist nach § 77 Abs. 4 SGB III eine von der Bundesagentur für Arbeit einem Arbeitnehmer oder einem Arbeitslosen ausgestellte Bescheinigung, dass die Voraussetzungen für die Förderung einer beruflichen Weiterbildung vorliegen. Er ist eine Zusicherung im Sinne des § 34 SGB X und somit eine Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen. Der Bildungsgutschein dient zur Vorlage bei dem vom Arbeitnehmer ausgewählten Träger der Weiterbildung. Dieser hat den Bildungsgutschein der Agentur für Arbeit vor Beginn der Maßnahme vorzulegen. Bildungsgutscheine werden für eine maximale Gültigkeitsdauer von drei Monaten ausgegeben[8]. Sie können regional und auf bestimmte Bildungsziele beschränkt werden.

Auf die Förderung der beruflichen Weiterbildung durch die Bundesagentur für Arbeit besteht kein Rechtsanspruch. Es handelt sich vielmehr um eine so genannte Kann-Leistung, deren Gewährung im Ermessen der Behörde liegt. Grundsätzlich wird die Ausgabe eines Bildungsgutscheins aus Kostengründen durch die Bundesagentur zunehmend restriktiv gehandhabt. Alternativ können kürzere Bildungsmaßnahmen bis zu 12 Wochen Dauer als Trainingsmaßnahmen gefördert werden.

Wer an einer geförderten Bildungsmaßnahme teilnimmt, behält seine Ansprüche auf Arbeitslosengeld. Wenn zu Beginn der Maßnahme Anspruch auf 30 Tage Arbeitslosengeld oder weniger besteht, bleibt dieser Anspruch während der Maßnahme eingefroren. Wenn zu Beginn der Maßnahme mehr als 30 Tage Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht, wird pro zwei Tage der Maßnahme der Anspruch um einen Tag vermindert, höchstens jedoch auf 30 Tage reduziert. Für Inhaber eines Bildungsgutscheins werden die Kosten für den Lehrgang, erforderliche Lernmittel, Arbeitskleidung, Prüfungsstücke, gesetzlich geregelte oder allgemein anerkannte Zwischen- und Abschlussprüfungen sowie für eine notwendige Eignungsfeststellung übernommen. Falls der Teilnehmer außerhalb seines Wohnortes übernachten muss, können die Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Bildungsstätte erstattet werden. Muss der Teilnehmer auswärts übernachten, bekommt er die Kosten für die An- und Abreise sowie die Kosten für eine Fahrt zur Familie oder für den Besuch des Partners oder Kindes einmal pro Monat erstattet. Hierbei handelt es sich um eine Entfernungspauschale die 0,36 € pro Kilometer für die ersten 10 Km und für jeden weiteren Kilometer von 0,40 € beträgt.

Siehe auch

Referenzen

  1. a b Charles F. Manski: Educational choice (vouchers) and social mobility. In: Economics of Education Review, Vol. 1, Nr. 4, 1992, S. 351-369. Pergamon Press Ltd, abgerufen am 4. August 2010 (PDF, engl.). S. 357
  2. Helen F. Ladd: Comment on Caroline M. Hoxby: School choice and school competition: Evidence from the United States. In: Swedish Economic Policy Review Nr. 10, 2003. Abgerufen am 4. August 2010 (PDF, engl., Seiten 67-76). S. 68-70
  3. Bildungsgutscheine für Hartz-IV-Kinder: Von der Leyens Elternpeitsche. In: Stern Online. 2. August 2010, abgerufen am 4. August 2010.
  4. Mayer, Daniel P., Paul E. Peterson, David E. Myers, Christina Clark Tuttle, William G. Howell: School Choice in New York City After Three Years: An Evaluation of the School Choice Scholarships Program. Mathematica; February 19, 2002.
  5. Krueger, Alan and Pei Zhu: Another Look at the New York City School Voucher Experiment. American Behavioral Scientist, vol 47, no. 5, April 2003, S. 658-699.
  6. Peterson, Paul E. and William G. Howell. “Latest Results from the New York City Voucher Experiment.” November 3, 2003
  7. Chang-Tai Hsieh, Miguel Urquiola: The effects of generalized school choice on achievement and stratification: Evidence from Chile’s voucher program. In: Journal of Public Economics Nr. 90, 2006, S. 1477–1503. Elsevier, abgerufen am 4. August 2010 (PDF, engl.).
  8. Geschäftsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit Förderung der beruflichen Weiterbildung §§ 77 – 87, 324, 327 und 337 SGB III, Ziffer 77.42. Stand 1. Januar 2010

Weblinks

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