- Brevet (Fahrrad)
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Ein Brevet bezeichnet im Amateur-Radsport eine Langstreckenveranstaltung, bei der eine vorgegebene Strecke innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu fahren und durch Kontrollstempel nachzuweisen ist. Der Umfang der Organisation ist dabei absichtlich sehr gering.
Inhaltsverzeichnis
Begriff
Der Begriff Brevet (franz. für Prüfung) wird mindestens seit 1921 im Zusammenhang mit Langstreckenfahrten verwendet, die nach dem Reglement des Audax Club Parisien ausgerichtet werden. Er bezeichnet eine „Kilometerprüfung“, auf der ein Radfahrer zeigt, dass er eine vorgegebene Strecke aus eigenen Kräften innerhalb eines festgelegten Zeitraums ohne fremde Hilfe zurücklegen kann. Im französischen und im englischen Sprachraum ist der Begriff Randonnée (franz. für Wanderung) verbreitet. Allerdings wird in einigen englischsprachigen Ländern, speziell Großbritannien und Australien, der Begriff Audax verwendet. Außerhalb dieser Länder steht dieser Begriff für Fahrten in geschlossenen Gruppen (siehe Audax).
Teilnehmer an Brevets werden Randonneure genannt.
Organisatorischer Ablauf
Brevets werden im öffentlichen Straßenverkehr ausgerichtet. Im Gegensatz zu Radrennen wird die Strecke nicht für den öffentlichen Verkehr gesperrt und nicht ausgeschildert. Ähnlich wie bei einer RTF gibt es einen relativ kurzen Startzeitraum; bei Brevets mit geringen Teilnehmerzahlen ist es üblich (aber keineswegs obligatorisch) gemeinsam zu starten und mindestens bis zur ersten Kontrolle zusammen zu bleiben.
Jeder Teilnehmer erhält vor dem Start einen Streckenplan sowie eine Kontrollkarte. Der Streckenplan enthält oftmals lediglich die Orte, die zu durchfahren sind. Geht es durch größere Orte, stehen detaillierte Abbiegeinformationen im Plan. Manche Veranstalter geben zusätzlich einen Kartenausschnitt aus, in dem die abzufahrende Route eingezeichnet ist. Teilweise werden die Strecken auch auf Webseiten vorab veröffentlicht oder zum Download für GPS-Empfänger angeboten.
Auf der Kontrollkarte sind diejenigen Stellen vermerkt, an welchen sich der Teilnehmer die Durchfahrt mit einem Stempel in seine Kontrollkarte bestätigen lassen muss. Datum und Uhrzeit trägt der Teilnehmer selbst ein. In Deutschland werden Kontrollstellen oft fest vorgegeben, z. B. eine bestimmte Tankstelle oder Gaststätte. In Belgien, Frankreich und Luxembourg wird oft lediglich ein Ort als Kontrolle genannt; der Bestätigungsstempel kann dann in einem beliebigen Geschäft am Ort oder einer anderen Einrichtung eingeholt werden, z. B. von einer Touristen-Information oder einem Polizeiposten. Früher musste man aus jedem Kontroll-Ort eine Postkarte abschicken. In der Schweiz wurden zeitweise Bahnhöfe als Kontrollpunkte festgelegt. Dort musste der Teilnehmer einen passend zurechtgeschnittenen Papierstreifen in den Entwerter stecken, der Datum und Uhrzeit auf den Papierstreifen stempelt.
Um Abkürzungen der vorgegebenen Strecke zu verhindern gibt es bei längeren Brevets manchmal vorher nicht angekündigte Kontrollen durch den Veranstalter, Geheimkontrollen.
Charakter der Veranstaltung und Abgrenzung zu Radrennen
Trotz des sportlichen Charakters sind Brevets ausdrücklich keine Rennen. Die meisten Teilnehmer wollen lediglich die Strecke innerhalb des Zeitlimits schaffen, sie legen keinen Wert auf schnelle Zeiten. Viele Fahrer nutzen Brevets auch, um sich während der Fahrt und der Pausen mit Gleichgesinnten zu unterhalten. Insgesamt ist die Atmosphäre in der Regel deutlich entspannter als bei Radtouristikfahrten.
Bei Brevets legt jeder Fahrer seine Geschwindigkeit, Pausenzeiten und — bei langen Fahrten — seine Schlafpausen selbst fest. Diese Fahrweise wird französisch Allure Libre genannt. Das Gegenstück zum Brevet ist der Audax, bei dem im geschlossenen Verband gefahren wird.
Verwendete Fahrräder
Grundsätzlich sind (fast) alle Fahrräder zugelassen, auf denen sich der Radfahrer ausschließlich aus eigener Muskelkraft fortbewegt.
Die meisten Teilnehmer verwenden eine Variante des Rennrads, welches über einen Gepäckträger verfügt, der üblicherweise eine kleine Tasche mit Regenkleidung und etwas Proviant trägt. Dazu kommen Licht (oftmals mit Nabendynamo) und je nach Jahreszeit Schutzbleche. Dieser Fahrradtyp wird Randonneur genannt. Häufig sind auch die für Langstrecken gut geeigneten Liegeräder anzutreffen. Besonders auf flachen Strecken fahren vermehrt die aerodynamischen (aber vergleichsweise schweren) Velomobile mit.
Streckenlängen und Zeitlimits
Folgende Streckenlängen und Zeitlimits sind üblich:
- 200 km, 13,5 Stunden (14,8 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit)
- 300 km, 20 Stunden (15,0 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit)
- 400 km, 27 Stunden (14,8 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit)
- 600 km, 40 Stunden (15,0 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit)
- 1.000 km, 75 Stunden (13,3 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit)
- 1.200 km, 90 Stunden (13,3 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit)
Neben dem Zeitlimit für das Ziel gibt es auch Limits für die Durchfahrt der einzelnen Kontrollstellen. Sie orientieren sich an den oben angegebenen Durchschnittsgeschwindigkeiten. Bei langen Brevets ist eine Verspätung an einer Kontrollstelle erlaubt, wenn diese an der folgenden Kontrolle wieder aufgeholt wird.
Bei abweichenden Längen werden die Zeiten nicht angepasst. Ist beispielsweise ein 600er-Brevet tatsächlich 640 km lang, haben die Fahrer dennoch nur 40 Stunden Zeit.
Besondere Brevets
Die Königsveranstaltung ist die 1.200 km lange Radfahrt Paris–Brest–Paris (PBP), die der Audax Club Parisien nur alle vier Jahre jeweils im August organisiert, zuletzt 2011. Eine Besonderheit von Paris-Brest-Paris ist, dass die Strecke vollständig ausgeschildert ist. Regelmäßig nehmen mehr als 4000 Radsportler an der Veranstaltung teil, für 2011 wurden 6.000 Radsportler erwartet. Zur Qualifikation muss man im selben Kalenderjahr wie PBP Brevets mit 200, 300, 400 und 600 km absolvieren. Dabei ist die Reihenfolge einzuhalten, aber jedes Qualifikations-Brevet darf durch ein längeres ersetzt werden.
Alle Qualifikations-Brevets werden als BRM (Brevet Randonneur Mondiaux) bezeichnet. Zusätzlich gibt es Brevets, die nicht für die PBP-Qualifikation verwendet werden können, aber sonst nach denselben Regeln ausgetragen werden.
In Europa ist außerdem das 1.400 km lange Brevet London–Edinburgh–London (mit 600 Teilnehmern 2009) von Bedeutung. Es findet alle vier Jahre statt, mit jeweils zwei Jahren Abstand zu Paris-Brest-Paris. Populär ist auch 1001 Miglia Italia, der mit 1.600 km längste Brevet Europas.
Andere Brevets mit mindestens 1200 km sind:
- Boston-Montréal-Boston (USA und Kanada)
- Cascade 1200, (Washington, USA)
- Gold Rush Randonee (Kalifornien, USA)
- Great Southern Randonnee (Victoria, Australien)
- Colorado Last Chance 1200km Randonnee (Colorado, USA)
- Madrid-Gijón-Madrid (Kastilien-León und Asturien, Spanien)
- Perth-Albany-Perth (Western Australia, Australien)
- Rocky Mountain 1200 (British Columbia und Alberta, Kanada)
- VanIsle 1200 (Vancouver Island, Kanada)
- Sofia-Varna-Sofia (Bulgarien)
- Super Brevet Scandinavia (Dänemark, Norwegen und Schweden)
- Hamburg-Berlin-Köln-Hamburg (Deutschland)
- Bonifay Cheaha Challenge (Florida und Alabama, USA)
- Shenandoah 1200K (Colorado, USA)
Die größten Teilnehmerzahlen finden sich bei London-Edinburgh-London, Sofia-Varna-Sofia und Boston-Montréal-Boston.
Siehe auch
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