- Brief Jeremias
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Der Brief des Jeremia ist eine ursprünglich selbständige, auf Griechisch überlieferte Schrift des palästinischen Judentums. Das älteste bekannte Fragment davon (7Q2) stammt aus dem 1. vorchristlichen Jahrhundert und wurde unter den Schriftrollen vom Toten Meer (Qumran) entdeckt.
Stellung im christlichen Bibelkanon
Der Brief folgte in der griechischen Septuaginta auf die Klagelieder Jeremias und wurde in der lateinischen Vulgata als 6. Kapitel des etwa 100 Jahre später entstandenen Buches Baruch – zu dem er keinerlei formale und inhaltliche Beziehung hat – in den Kanon des Alten Testaments, nicht aber in den Kanon des hebräischen Tanach aufgenommen. Damit gehört er zu jenen jüdischen Apokryphen, die nicht in allen Bibelausgaben des Christentums enthalten sind.
Inhalt
Der Traktat wurde als Pseudoepigraph zum Buch Jeremia verfasst und gibt sich einleitend als Anweisung dieses Propheten an die in die Babylonische Gefangenschaft deportierten Jerusalemer Juden aus. Damit schließt er formal an die in Jer 29 EU überlieferte Korrespondenz an.
Wegen ihrer Sünden habe Gott die Juden nach Babel geführt, wo sie „für lange Zeit, bis zu sieben Generationen“ (6,2 EU) bleiben müssten. Dort würden sie „Götterbilder aus Silber, Gold und Holz sehen, die man auf den Schultern trägt und die den Völkern Furcht einflößen“. Doch sie sollten sich davon nicht ergreifen lassen, sondern das 1. Gebot achten (6,5f EU): „Wenn ihr seht, wie die Menge sich vor und hinter ihnen niederwirft; sprecht vielmehr im Herzen: Herr, dir allein gebührt Anbetung. Denn mein Engel ist bei euch; er wird über euer Leben wachen.“
Der folgende Hauptteil warnt die Deportierten – tatsächlich also ihre seit gut 400 Jahre in der babylonischen Diasporagemeinde ansässigen Nachfahren – vor dem Abfall zu den glänzenden, äußerlich überlegenen Fremdgottheiten des babylonischen Kultes. Dabei verwendet er in zehn durch Stichworte miteinander verbundenen Abschnitten sarkastische Polemik gegen die babylonischen Götter, die er als unwirksame, zum Helfen unfähige Götzen verspottet und immer wieder dazu aufruft, sie nicht zu fürchten und ihrem angeblichen Gottsein keinerlei Glauben zu schenken. Alle diese Götter, so wird ausführlich argumentiert, seien machtlose und vergängliche Werke der Menschen, die mit ihrer Nichtexistenz weder schaden noch nützen könnten. Der Brief schließt mit einer Art „Moral“ (6,68-72 EU): „So ist uns auf keine Weise sichtbar, dass sie Götter sind [...]. Besser ist also ein gerechter Mann, der keine Götterbilder hat, denn er ist sicher vor dem Gespött.“
Damit aktualisiert er das biblische Bilderverbot gegen die damals wohl akute Herausforderung durch den Hellenismus mit seinem kulturellen Pluralismus und Synkretismus. Dabei schließt er sprachlich und inhaltlich an biblische Götzenpolemik an, wie sie in Jes 44,9-20 EU, 46,5ff EU und Jer 10,1-16 EU, aber auch in den Psalmen Ps 115,4-8 EU und 135,15-18 EU vorgeformt war. Diese Polemik hat weitere jüdische Schriften wie den Aristeasbrief, das Jubiläenbuch, und einige Autoren des Neuen Testaments beeinflusst. Stellen wie Röm 1-3 EU, 1 Thess 1,9 EU, 1 Joh 5,21 EU und Apg 14,15 EU setzen eventuell voraus, dass der Jeremiabrief den Urchristen bekannt war.
Literatur
- Ivo Meyer: Das Buch Baruch und der Brief des Jeremia. In: Erich Zenger u.a. (Hrsg.): Einleitung in das Alte Testament. 6. Auflage. Kohlhammer, Stuttgart 2006, ISBN 978-3-17-019526-4, S. 488
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