Bruno Thüring

Bruno Thüring

Bruno Jakob Thüring (* 7. September 1905 in Warmensteinach im Fichtelgebirge; † 6. Mai 1989 in Karlsruhe) war ein deutscher Physiker und Astronom. Er war ein Anhänger der philosophischen Schule Hugo Dinglers.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Bruno Thüring studierte von 1924 bis 1928 zunächst Philosophie, später Astronomie, Mathematik und Physik, und zwar an den Universitäten Bamberg, Erlangen und München, wo er 1928 zum Dr. phil promovierte. Von 1934 bis 1935 war er Assistent von Heinrich Vogt an der Universität Heidelberg, wo er sich 1935 habilitierte. Ende 1935 wurde er Observator an der Sternwarte München. In München arbeitete er eng mit dem Astronomen Wilhelm Führer zusammen. Ab 1937 war Thüring auch als Dozent an der Universität München tätig.

Wie sein Münchner Arbeitskollege Führer war Thüring seit Beginn der NS-Zeit ein überzeugter und politisch aktiver Nationalsozialist. Bereits 1930 war er – als 25jähriger – in die NSDAP eingetreten. 1933 trat er in die SA ein.

Als überzeugter Anhänger der philosophischen Lehre Hugo Dinglers stand Thüring den oppositionellen Wissenschaftlern der Deutschen Physik um die beiden bereits betagten Nobelpreisträger Philipp Lenard und Johannes Stark nahe, die mit den revolutionären Entwicklungen der modernen Physik haderten, insbesondere mit der von Hendrik Antoon Lorentz, Henri Poincaré, Albert Einstein, David Hilbert und anderen entwickelten Relativitätstheorie, die u.a. die klassische Elektrodynamik der bewegten Körper ablöste. Für besondere Aufmerksamkeit sorgte in diesem Zusammenhang eine Polemik, die Thüring 1941 in einer rassistischen Fachzeitschrift des Nationalsozialismus zum Besten gab.

1939 stand Thüring auf der Wunschliste des NS-Dozentenbunds, insbesondere seines Studienkollegen Wilhelm Führer, als neuer Direktor der Hamburger Sternwarte. Der frühere Direktor Richard Schorr und die Einsprüche Walter Baades konnten dies verhindern[1].

Am 1. September 1941 wurde Thüring Professor für Astronomie an der Universität Wien und gleichzeitig Direktor der dortigen Universitätssternwarte. Er entließ dort den vorherigen Leiter der Sternwarte, Kasimir Graff, der bereits von den Nationalsozialisten in der Universitäts-Hierarchie herabgestuft worden war. 1945, nach Ende des Zweiten Weltkriegs, wurde Graff wieder als Direktor eingesetzt und entließ nun seinerseits Bruno Thüring.

Im Zusammenhang mit seinen politischen Aktivitäten während der NS-Zeit wurde Thüring 1949 von der Bayerischen Spruchkammer als „Minderbelasteter“ und als „Mitläufer“ eingestuft. Gegen ihn hatten darüber hinaus keine rechtlichen Beanstandungen vorgelegen.

Thüring war nach 1945 in Karlsruhe freiberuflich tätig. Er verfasste u.a. ein Werk über das Programmieren elektronischer Rechenanlagen.

Bruno Thüring verstarb am 6. Mai 1989 in Karlsruhe.

Der Nachlass Bruno Thürings wird im Philosophischen Archiv der Universität Konstanz verwahrt, umfasst etwa 3,50 laufende Meter und enthält Manuskripte, Korrespondenz, biographische Dokumente sowie Sonderdrucke eigener und fremder Arbeiten.

Siehe auch

Schriften

  • Albert Einsteins Umsturzversuch der Physik und seine inneren Möglichkeiten und Ursachen. In: Forschungen zur Judenfrage. 4, 1941, S. 134–162.
  • Galileo Galilei. In: Zeitschrift für die gesamte Naturwissenschaft. 8, 1942, S. 1–4.
  • Nikolaus Kopernikus: Bilder eines grossen Deutschen. Neue Arbeiten zur Kopernikus-Forschung mit Auszügen aus kopernikanischen Schriften in deutscher Sprache. München, Berlin 1943.
  • Fundamental-System und Inertial-System. In: Methodos. Mailand 1950, S. 265–283.
  • Methodologisches und Historisches zum allgemeinen Gesetz der Gravitation. In: W. Krampf (Hrsg.): Hugo Dingler – Gedenkbuch zum 75. Geburtstag. München 1956, S. 189–209.
  • Dr. Hugo Dingler, Universitätsprofessor, München. In: Aschaffenburger Jahrbuch für Geschichte, Landeskunde und Kunst des Untermaingebietes. 3, 1956, S. 408–411.
  • Die Gravitation und die philosophischen Grundlagen der Physik. Berlin 1967, ISBN 342801541X.
  • Fundamentalfragen der exakten Wissenschaften. In: Wetter, Boden, Mensch. Nr. 20. 1974, S. 1274–1289.
  • Neue Bestimmungen der Präzession nach dem Prinzip der Maximalmenge von Sternen ohne meßbare Eigenbewegung. In: Astronomische Nachrichten. 296, Heft 2. 1975, Heft 2, S. 84–94.
  • Einführung in die Protophysik der Welle. Kymometrie. In: Erfahrung und Denken. Schriften zur Förderung der Beziehungen zwischen Philosophie und Einzelwissenschaften. 52. Berlin 1978, ISBN 3428041364.
  • Methodische Kosmologie – Alternativen zur Expansion des Weltalls und zum Urknall. Frankfurt am Main 1985, ISBN 3-89184-014-4.

Literatur

  • Franz Kerschbaum, Thomas Posch und Karin Lackner: Bruno Thürings Umsturzversuch der Relativitätstheorie. Beitrag zum Kolloquium des Arbeitskreises Astronomiegeschichte Entwicklung der Astrophysik im Rahmen der Tagung der Astronomischen Gesellschaft in Köln. 26. September 2005. In: G. Wolfschmidt (Hrsg.): Nuncius Hamburgensis – Beiträge zur Geschichte der Naturwissenschaften. 4, 2006. (online, PDF, 184 kB)
  • Franz Kerschbaum, Thomas Posch und Karin Lackner: Die Universitätssternwarte Wien und Bruno Thüring. In: Beiträge zur Astronomiegeschichte. 8, 2006, S. 185–202. (online, PDF, 165 kB)
  • Freddy Litten: Astronomie in Bayern 1914–1945. Dissertation 1991. In: Texte und Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik und der Naturwissenschaften. XXX. Boethius, Stuttgart 1992, ISBN 3-515-06092-8.

Einzelnachweise

  1. J. Schramm, Sterne über Hamburg - Die Geschichte der Astronomie in Hamburg, 2. überarbeite und erweiterte Auflage, Kultur- & Geschichtskontor, Hamburg 2010, ISBN 978-3-9811271-8-8

Weblinks


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