Brüssel-I-Verordnung

Brüssel-I-Verordnung

Die EG-Verordnung Nr. 44/2001, im Wortlaut Verordnung des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, Kurzbezeichnungen EuGVVO, EuGVO oder Brüssel-I-Verordnung, vom 22. Dezember 2000 (veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 12/01 S. 1) regelt die internationale Zuständigkeit der Gerichte gegenüber einem Beklagten, der seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat der EG hat, sowie die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen aus anderen Mitgliedstaaten.

Inhaltsverzeichnis

Normgenese

Die EuGVVO ist am 1. März 2002 in Kraft getreten und ersetzte insoweit das bis dahin als völkerrechtlicher Vertrag geltende Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen im Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ). Da Dänemark zunächst vom Anwendungsbereich der EuGVVO ausgenommen war (Art. 1 Abs. 3 EuGVVO), galt in dieser Beziehung das EuGVÜ weiter. Die EuGVVO gilt nur in Bezug auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Für die EFTA-Staaten (also Island, Norwegen, Schweiz, aber nicht Liechtenstein) gilt das inhaltlich fast wörtlich mit der EUGVÜ übereinstimmende Lugano-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (LGVÜ).[1] Dieses soll im Zuge einer Revision [2] an die EuGVVO angeglichen werden.

Dänemark hat mit der Gemeinschaft am 19. Oktober 2005 völkerrechtlich vereinbart (ABl. Nr. L 299 vom 16. November 2005, S. 62), dass die EuGVVO auch für und im Verhältnis zu Dänemark Anwendung findet. Dieses Abkommen ist am 1. Juli 2007 in Kraft getreten (ABl. Nr. L 94 vom 4. April 2007, S. 70). Späteren Änderungen und Abkommen, die aufgrund der EuGVVO geschlossen werden, werden für Dänemark nicht automatisch bindend, sondern erst nach erneutem Abschluss eines Abkommens.

Auslegungsfragen

Die EuGVVO (Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung) wird grundsätzlich allein durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) ausgelegt. Letztinstanzlich entscheidende Gerichte der Mitgliedstaaten müssen daher Fragen der Auslegung dem EuGH gemäß Art. 68 , Art. 234 Abs. 1 EG-Vertrag vorlegen.

Nationales Recht

Nationales Recht wird von der EuGVVO verdrängt. Nur wenn der Anwendungsbereich der EuGVVO nicht eröffnet ist, greifen nationale Vorschriften ein. Dies ergibt sich aus dem grundsätzlichen Anwendungsvorrang des supranationalen Europarechts.

Regelungen

Übersicht

  • Kapitel I regelt in Art. Art. 1 den Anwendungsbereich,
  • Kapitel II die Zuständigkeit in folgenden Abschnitten:
    • Abschnitt 1: Allgemeine Vorschriften (Art. Art. 2 – 4)
    • Abschnitt 2: Besondere Zuständigkeiten (Art. Art. 5 – 7)
    • Abschnitt 3: Zuständigkeit für Versicherungssachen (Art. Art. 8 – 14)
    • Abschnitt 4: Zuständigkeit für Verbrauchersachen (Art. Art. 15 – 17)
    • Abschnitt 5: Zuständigkeit für individuelle Arbeitsverträge (Art. Art. 18 – 21)
    • Abschnitt 6: Ausschließliche Zuständigkeiten (Art. Art. 22 )
    • Abschnitt 7: Vereinbarung über die Zuständigkeit (Art. Art. 23 – 24)
    • Abschnitt 8: Prüfung der Zuständigkeit und Zulässigkeit des Verfahrens (Art. Art. 25 – 26)
    • Abschnitt 9: Rechtshängigkeit und im Zusammenhang stehende Verfahren (Art. Art. 27 – 30)
    • Abschnitt 10: Einstweilige Maßnahmen einschließlich solcher, die auf eine Sicherung gerichtet sind (Art. Art. 31 )
  • Kapitel III regelt die Anerkennung und Vollstreckung (Art. Art. 32 ) in folgenden Abschnitten:
    • Abschnitt 1: Anerkennung (Art. Art. 33 – 37)
    • Abschnitt 2: Vollstreckung (Art. Art. 38 – 52)
    • Abschnitt 3: Gemeinsame Vorschriften (Art. Art. 53 – 56).
  • Kapitel IV regelt öffentliche Urkunden und Prozessvergleiche in Art. Art. 57 – 58.
  • Kapitel V enthält allgemeine Vorschriften (Art. Art. 59 – 65),
  • Kapitel VI Übergangsvorschriften (Art. Art. 66 ) und
  • Kapitel VII regelt das Verhältnis zu anderen Rechtsinstrumenten (Art. Art. 67 – 69).

Besonderheiten gegenüber bisheriger Rechtslage

Nach Art. Art. 5 Nr. 1 EuGVVO kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden,

a) wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre;

b) im Sinne dieser Vorschrift — und sofern nichts anderes vereinbart worden ist — ist der Erfüllungsort der Verpflichtung — für den Verkauf beweglicher Sachen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen; für die Erbringung von Dienstleistungen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen;

Mit der rein faktischen Bestimmung des Erfüllungsorts für den Verkauf beweglicher Sachen und für die Erbringung von Dienstleistungen (und nur für diese!) in Art. 5 Nr. 1b weicht die EuGVVO von der sog. Tessili-Entscheidung des EuGH zum EuGVÜ ab, in der dieser für die Ermittlung des Erfüllungsorts noch das Internationale Privatrecht der lex fori zugrundelegte.


Literatur

Lehrbücher

  • Peter G. Mayr, Dietmar Czernich: Europäisches Zivilprozessrecht. 1. Auflage. WUV, Wien 2006, ISBN 3-85114-971-8. 

Kommentare

  • Reinhold Geimer, Rolf A. Schütze: Europäisches Zivilverfahrensrecht. 2. Auflage. C. H. Beck, München 2004, ISBN 3-406-51015-9. 
  • Jan Kropholler: Europäisches Zivilprozessrecht. Kommentar zu EuGVO, Lugano-Übereinkommen und Europäischem Vollstreckungstitel. 8. Auflage. Verlag Recht und Wirtschaft, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3800514230. 
  • Dietmar Czernich, Stefan Tiefenthaler, Georg E. Kodek: Kurzkommentar. Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht. EuGVO und Lugano-Übereinkommen. 2., aktualisierte Auflage. LexisNexis ARD Orac, Wien 2003, ISBN 3-7007-2231-1. 

Zeitschriftenartikel

Einzelnachweise

  1. Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, admin.chVorlage:§§/Wartung/alt-URL
  2. http://www.ejpd.admin.ch/ejpd/de/home/themen/wirtschaft/ref_gesetzgebung/ref_lugano_uebereinkommen.html

Weblinks

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