- Bullpup
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Unter Bullpup (Englisch „junge Bulldogge“[1]) versteht man eine Bauart für Sturmgewehre, aber auch Mehr- und Selbstladeflinten, Scharfschützengewehre und Maschinenpistolen, bei dem sich im Gegensatz zum herkömmlichen Konzept Verschluss und Magazin hinter dem Griffstück in der Schulterstütze befinden.
Inhaltsverzeichnis
Vor- und Nachteile
Durch die innovative Bauweise wird die volle Länge der Waffe effizient genutzt. Man kann entweder eine insgesamt kürzere Waffe bauen, was für Einsätze in beengten Räumen wie etwa beim Häuserkampf vorteilhaft ist, oder es lässt sich eine Waffe üblicher Gesamtlänge bauen, die über einen vergleichsweise deutlich längeren Lauf verfügt. Dies bringt zwar keine Präzisionsgewinne; das Energiepotential der Patrone wird je nach Art der Patrone jedoch voll ausgenutzt.
Ein Nachteil der Bullpup-Bauweise besteht in der veränderten Ergonomie: Das Waffengewicht verlagert sich auf den ursprünglichen Hinterschaft. Dadurch wandert der Schwerpunkt nach hinten, der Schaft hat die Tendenz, am Körper nach unten zu rutschen. Der Schütze kann die Waffe nicht ruhig im Schwerpunkt halten, sondern muss Gegenkraft aufbringen. Zudem muss das mögliche Zielfernrohr höher montiert werden, da der Kopf des Schützen beim Zielen auf dem System anliegt. Dadurch erhöht sich die Gefahr des Verkantens und damit eines Zielfehlers. Differenziert man Selbstladebüchsen und Repetierer in Bullpup-Bauweise, ist der Repetierer deutlich im Nachteil: die Repetierbewegung findet im Ablauf hinter der Waffe statt. Damit wird deutlich die Geschwindigkeit des Repetierens reduziert: die Waffe muss abgesetzt und aus der Ziellinie gebracht werden. Die Selbstladebüchse ist hier eindeutig im Vorteil.
Ein weiterer Nachteil der Bullpup-Bauweise ist das Problem des Hülsenauswurfes. Da die Patronenhülsen meist auf der rechten Seite unmittelbar auf Höhe der Wange ausgeworfen werden, kann die Waffe nicht von der linken Schulter abgefeuert werden, ohne dass der Schütze von der Patronenhülse im Gesicht getroffen wird. Dieses Problem wird meistens gelöst, indem man durch mechanische Verstellmöglichkeit an der Hülsenauswurföffnung oder am Verschluss Veränderungen vornimmt und so die Seite bestimmt, auf der die Hülsen ausgeworfen werden. Andere Entwürfe werfen die Hülsen nicht seitlich aus: Beim RFB des US-amerikanischen Waffenproduzenten Kel-Tec sowie beim Sturmgewehr FN F2000 werden die leeren Hülsen zuerst in ein Rohr parallel zum Lauf geschoben und dann nahe der Mündung ausgeworfen. Die Personal Defence Weapon FN P90 des gleichen Herstellers wirft ihre Hülsen durch das hohle Griffstück nach unten aus.
Geschichte
Die erste bekannte, vollwertige Bullpup-Waffe war der britische Thorneycroft-Karabiner aus dem Jahr 1901. Die Waffe hatte deutliche Vorteile bei der Gesamt- und der Lauflänge gegenüber dem Konkurrenzgewehr Lee-Enfield, besaß jedoch ein internes (also nicht abnehmbares) Magazin mit der halben Kapazität, was wohl einer der Gründe für die Ablehnung des Thorneycroft war. In den Jahren des Zweiten Weltkrieges taucht das Bullpup-Schema in Form der tschechischen Panzerbüchse MSS-41 auf. Das erste Bullpup-Sturmgewehr wurde 1943 vom Briten Stanley Thorpe entwickelt. Zu weiteren frühen militärischen Bullpups zählt das russische TKB-408 aus dem Jahr 1946, gefolgt von den britischen Nachkriegsprototypen Enfield EM-1 und EM-2, beides Gasdrucklader mit experimentellem Kaliber und optischer Zielvorichtung.
Modelle
Die Bullpup-Bauweise ist mittlerweile weit verbreitet. Zu den bekanntesten Vertretern zählen das österreichische Steyr AUG (Sturmgewehr 77 / StG 77), das französische FAMAS und das britische L85. Auch aus China (Type 95), Singapur (SAR-21) und Kroatien (HS Produkt VHS) kommen bemerkenswerte Modelle. Israel hat ein Sturmgewehr, das Tavor TAR-21 entwickelt. Neben weiteren Sturmgewehren existieren diverse, z. T. umgebaute Scharfschützenwaffen (QBU-88, Barrett M90 & 95, Steyr IWS 2000, Walther WA2000) und Maschinenpistolen (Steyr AUG para) im Bullpup-Design. Eine interessante Entwicklung ist auch die Pancor Jackhammer, eine vollautomatische Schrotflinte in Bullpup-Bauweise aus den 1980er Jahren.
International setzen zum Beispiel die Armeen Frankreichs, Großbritanniens, Österreichs und Australiens auf Bullpup, während zum Beispiel die Armeen der Vereinigten Staaten, der Schweiz und Deutschlands die konventionelle Bauart bevorzugen.
Bekannte Bullpup-Gewehre
Etymologie
Im Englischen ist bulldog u. a. eine humorvolle, wenn auch obsolete und etwas obskure, Bezeichnung für eine Feuerwaffe[2][3]. Demnach suggeriert ein bullpup („Bulldoggenwelpe“[1]) also eine Feuerwaffe mit kompakten Ausmaßen.
Literatur
- Thomas B. Dugelby: Modern military bullpup rifles. The EM-2 concept comes of age. Collector Grade Publications, Toronto u. a. 1984, ISBN 0-85368-659-9.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ a b The Chambers Dictionary, 1994, ISBN 0-550-10255-8: bullpup = a young bulldog
- ↑ Oxford English Dictionary, 1989, ISBN 0-19-861214-1: bulldog: 3. transf., applied humorously to a cannon or other firearm; in mod. use, a particular revolver
- ↑ Shorter Oxford English Dictionary, 1955: bulldog: 3. transf., applied joc. to firearms; in mod. use, a kind of revolver
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