Bund Deutscher Jugend

Bund Deutscher Jugend

Der Bund Deutscher Jugend (BDJ) war ein 1950 gegründeter politisch aktiver Jugendverband mit rechtsextremer und antikommunistischer Ausrichtung. Anfang 1953 wurden der BDJ und dessen Teilorganisation Technischer Dienst wegen „Beteiligung an einer Geheimorganisation“ (Partisanenausbildung) als rechtsextreme Organisation verboten.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Gegründet wurde der BDJ am 23. Juni 1950 in Frankfurt am Main. Gründer und Chefdenker, später auch Vorsitzender des BDJ war Paul Lüth.

Im April 1951 wurde der Technische Dienst auf der programmatischen Basis der Partisanenschriften von Paul Lüth als geheime Unterorganisation des BDJ gegründet mit dem Ziel, eine bewaffnete Widerstandsbewegung gegen den „Bolschewismus“ aufzubauen.

Der Hintergrund seiner Gründung ist, dass Geheimdienste der USA in den ersten Nachkriegsjahren des Zweiten Weltkrieges in Deutschland und Osteuropa Einheiten aufzustellen suchten, die nach dem Ausbruch eines atomaren Krieges mit der Sowjetunion eine amerikanische Machtübernahme in Osteuropa und der UdSSR unterstützen sollten (siehe Gladio). Die amerikanischen Geheimdienste CIC und CIA nutzten den BDJ als Möglichkeit eines verdeckten Guerilla-Trainings. Viele der Angehörigen des BDJ waren Veteranen der Wehrmacht oder der Waffen-SS.[1][2][3]

Inhaltliches Profil

Die Satzung und das offizielle Programm des BDJ verrieten wenig über die tatsächlichen politischen Ziele. Bewusst waren traditionelle rechtsextreme Denkmuster aus Programmatik und Selbstverständnis herausgehalten worden. Die politischen Leit- und Richtlinien für die Tagespolitik leitete der BDJ aus der 78-seitigen vertraulichen Denkschrift „Bürger und Partisan“ von Paul Lüth ab. Nach Lüth befand sich die Welt seit 1939 „im Abwehrkampf gegen den Totalitarismus“.

„Am Ende soll sich ergeben, dass kein Grund besteht zu fürchten, es könnte Stalin gelingen, was so vielen anderen vor ihm nicht gelang, die doch an Geist und Energie keineswegs unter ihm standen. Widerstand ist immer möglich, und zum Schluss ist noch immer die Diktatur unterlegen “

Paul Lüth: 1951, S. 7

In seiner Denkschrift legte sich Lüth auf die konspirative Partisanentätigkeit als präferierte Widerstandsform fest und propagierte konspirative Methoden politischer Untergrundtätigkeit. Erörtert wurde in diesem Zusammenhang beispielsweise die Unterwanderung bestehender Parteien. In einer zweiten Denkschrift Lüths, welche 1951 als „streng vertrauliche Denkschrift“ für die Funktionäre des BDJ erschien, fokussierte er sich auf rein strategische Fragen, auf „die rein technischen Mittel der Abwehr des Bolschewismus“.

Im Kontrast zu der Vorbereitung der Funktionäre von Bürgern zu Partisanen wurde nach außen hin ein andere Sprache und Selbstdarstellung präsentiert. So waren die Zeitschriften des BDJ geprägt vom Selbstverständnis der autonomen Jugendbewegung der 1950er Jahre, welche auf die Vorkriegstraditionen der Bündischen Jugend und des Wandervogel rekurrierten. Diese Doppelstrategie, Vorbereitungen auf Untergrundarbeit nach innen und Präsentation als Teil der bürgerlichen Jugendbewegung nach außen war nur möglich aufgrund der straffen hierarchischen Organisation.

Aus Anlass der Wahlerfolge der Sozialistischen Reichspartei (SRP) erschien Mitte 1952 unter dem Titel „...und morgen die ganze Welt! Der Neofaschismus und die Neofaschisten“ eine offizielle Kritik und Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus. Argumentiert wurde hier überwiegend totalitarismustheoretisch, indem Faschismus und Bolschewismus gleichgesetzt wurden. Im Bestreben nach Neutralisierung der Bundesrepublik sah der BDJ Interessensidentität zwischen SRP und Sowjetunion, ein Bestreben, welches die Einbeziehung der Bundesrepublik in das westliche Bündnis behinderte.

Organisation

Der Vorstand des BDJ setzte sich aus Bundesführer, Stellvertretender Bundesführer, Schriftführer und Kassenwart zusammen. Die Organisation selbst war in fünf Hauptabteilungen gegliedert (Politik, Organisation, Verwaltung, Jugendfragen und Sozialarbeit), wobei jede Hauptabteilung mindestens drei Unterabteilungen aufwies.

Der BDJ gab drei Publikationen heraus, den Informationsdienst, die Arbeitshefte des BDJ und Unsere Generation. Man unterschied bei der Mitgliedschaft zwischen Junggruppen (14-17 Jahre) und Mädel- und Jungengruppen (über 18 Jahre).

Landesverbände bestanden in Bayern, Bremen, Franken, Hamburg/Schleswig-Holstein, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Württemberg-Baden.

Eine Auswertung der biografischen Daten des Führungskaders durch das Autorenpaar Peter Dudek und Hans-Gerd Jaschke ergab ein für eine Jugendgruppe bemerkenswert hohes Alter der BDJ-Funktionäre. Auffällig war demnach auch eine Überdominanz ehemaliger Offiziere, von denen nach 1945 keiner in seinem alten Beruf weiterarbeiten konnte. Der Historiker Ernst Nolte schätzte den BDJ als „eine antikommunistische Organisation in der ehemalige Offiziere, ehemalige Nationalsozialisten und auch einige Kommunisten sich zusammengefunden hatten, um ein Gegengewicht gegen die in den frühen Fünfzigerjahren sehr starke und aktive «Freie Deutsche Jugend» zu bilden“.[4]

Nach Eigendarstellungen des BDJ war die Gesamtmitgliederzahl im September 1950 16.000, Anfang 1951 17.500. Das Hessische Innenministerium sprach dagegen von einer Mitgliedstärke von rund 700. Das hessischen Landesamt für Verfassungsschutz stellte im Dezember 1950 fest, dass die größte Resonanz des BDJ in akademischen und ehemaligen Offizierskreisen der jüngeren Generation bestanden hätte.

Einer der bekanntesten Rekrutierer für den BDJ war Klaus Barbie.[5]

Finanzierung

Beim Eintrag in das Vereinsregeister am Amtsgericht in Frankfurt 1950 wurde ein Vereinsvermögen von 1,7 Millionen DM angegeben.

Zur Finanzierung des BDJ und seines Technischen Dienstes stellte der damalige Hessische Innenminister fest, dass er in erster Linie und im erheblichen Umfang durch amerikanische Dienststellen erfolgte. Darüber hinaus weitgehend durch Firmen, die mit amerikanischen Kapital arbeiteten und durch amerikanische Armee-Stellen beeinflusst wurden. Bei monatlichen Einnahmen von 80.000 DM im Jahr 1950 schloss das Innenministerium, unter Abzug der Mitgliedsbeiträge auf Spenden in Höhe von monatlich 40 bis 50.000 DM.

Insgesamt wurde drei Quellen der Fremdfinanzierung identifiziert. Neben US-Dienststellen und Industriekreise auch Bundesbehörden. So erhielt der BDJ vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen 1952 rund 20.000 DM.

Politische Aktivitäten

Analog der von Lüth propagierten Partisanentaktik gab es eine Zweiteilung im politischen Tagesgeschäft. Eine Mehrheit der BDJ-Mitglieder engagierte sich nach traditionellen Prinzipien bündischer Jugendarbeit, ohne Wissen der konpirativen Bestrebungen einer Führungselite, die eine rechtsextreme Partisanenorganisation mit Strukturmerkmalen der Freikorps aufbaute. Dazu gehörten Freizeitaktivitäten wie Zeltlager, Sport oder Musizieren sowie die Organisation von Fahrten und die Teilnahme an den Weltjugendfestspielen. Hinzu kam die Teilnahme beziehungsweise Durchführung von Kundgebungen und die Verteilung von Hand- und Klebezettel. Auf der ersten Jahreshauptversammlung des BDJ am 6. Mai 1951 wurde verkündet, dass der Bund innerhalb von elf Monaten bundeweit 2,4 Millionen Flugblätter und Klebezettel verteilt und 215.000 Plakate geklebt hätte.

Bundesweite Resonanz gab es auf Zwischenfälle auf das BDJ Pfingsttreffen vom 31. Mai bis zum 2. Juni 1952 in Frankfurt. Bei Auseinandersetzungen mit der Polizei wurden zehn Teilnehmer festgenommen, unter ihnen der BDJ-Funktionär Friedhelm Busse.

Zum konspirativen Tagesgeschäft gehörte die unmittelbare Partisanen-Ausbildung, welche in enger Zusammenarbeit mit amerikanischen militärischen Dienststellen erfolgte. So fanden etwa Lehrgänge auf dem amerikanischen Truppenübungsplatz Grafenwöhr statt, die militärische Ausbildung, politische Schulung und den Umgang mit Waffen beinhalteten. Der Technische Dienst unterhielt außerdem einen Nachrichtendienst, der Listen und Karteien über politische Gegner und Politiker anlegte. Der Präsident des Bundesverfassungschutzamtes konstatierte im November 1952, dass die Personenblätter „in Anlage und Aufbau jenen glichen, wie sie das Bundesamt für Verfassungsschutz verwende“.

Verbotsverfahren

Bei einer Razzia örtlicher Polizeieinheiten in den Räumen des BDJ stellte sich 1952 heraus, dass die USA die Organisation mit einer monatlichen Summe von 50.000 DM finanzierten sowie mit Waffen, Munition und Sprengstoff beliefert hatten. Im Odenwald bei Frankfurt am Main fand man ein Waffenlager mit Maschinengewehren, Granaten, leichten Artilleriegeschützen und Sprengstoff.[6] Die Auswertung der beschlagnahmten Unterlagen förderte zudem eine Attentatsliste mit 40 deutschen Führungspersönlichkeiten – hauptsächlich Politiker der SPD – zutage, die man als nicht zuverlässig antikommunistisch eingestuft hatte. Unter ihnen befanden sich der damalige SPD-Parteichef Erich Ollenhauer, der hessische Innenminister Heinrich Zinnkann und die Oberbürgermeister von Hamburg und Bremen. Um im Ernstfall eine möglichst effiziente Ausführung der Attentate zu ermöglichen, hatte der BDJ bereits Mitglieder in die SPD geschleust.[7][8]

Der CIC übernahm die von der deutschen Polizei inhaftierten BDJ-Mitglieder und verweigerte im Folgenden den Zugriff der deutschen Behörden, die beabsichtigten, Anklagen aufgrund unerlaubten Waffenbesitzes und geplanten Mordes zu erheben. CIC-Agenten beschlagnahmten weiterhin alle noch verfügbaren Unterlagen und verweigerten die Übergabe an die deutschen Behörden. Infolge der in Deutschland eingeleiteten Untersuchungen des Falles gestanden US-Behörden ein, den BDJ für die Ausbildung von Guerilla-Kämpfern für einen eventuellen Krieg mit der Sowjetunion finanziert und unterstützt zu haben.[9][10]

Literatur

  • Peter Dudek, Hans-Gerd Jaschke: Der Bund Deutscher Jugend (BDJ) - Ein Produkt des Kalten Krieges. In: Peter Dudek, Hans-Gerd Jaschke (Hrsg.): Entstehung und Entwicklung des Rechtsextremismus in der Bundesrepublik. Band 1, Westdeutscher Verlag, Opladen 1984, ISBN 3-531-11668-1, S. 356–388.
  • Christopher Simpson: Guerrillas for World War III. In: Blowback. America's recruitment of nazis and its effects on the Cold War. Collier/Macmillan, 1988, ISBN 0-02-044995-X, S. 146–148 (Auszüge, abgerufen am 21. Juli 2008).
  • Angreifen und Zerstören. In: Der Spiegel. Nr. 48, 1990, S. 73 (online).
  • Römer unseres Jahrhunderts. In: Der Spiegel. Nr. 9, 1951, S. 7 (online).
  • Alles für Deutschland. In: Der Spiegel. Nr. 42, 1952, S. 6 (online).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Geheimorganisation des Bundes Deutscher Jugend in Hessen ausgehoben. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Frankfurt 9. Oktober 1952 (nicht eingesehen).
  2. Oberbundesanwalt fordert BDJ-Akten. In: Frankfurter Rundschau. Frankfurt 14. Oktober 1952 (nicht eingesehen).
  3. Alleged Secret Organization: Guerilla Training in Germany. In: The Times. London 9. Oktober 1952 (nicht eingesehen).
  4. Ernst Nolte, Deutschland und der Kalte Krieg, Piper 1974, S. 460
  5. Jürgen Bevers, Der Mann hinter Adenauer: Hans Globkes Aufstieg vom NS-Juristen zur Grauen Eminenz der Bonner Republik, Ch. Links Verlag 2009, S. 139
  6. Partisans in Germany: An Arms Dump in the Odenwald. In: The Times. London 11. Oktober 1952 (nicht eingesehen).
  7. German Says U.S. Set Up Saboteurs. In: New York Times. New York 9. Oktober 1952 (nicht eingesehen, Online).
  8. More Germans Hit U.S. Sabotage Plan. In: New York Times. New York 12. Oktober 1952 (nicht eingesehen, Online).
  9. German Saboteurs Betray U.S. Trust. In: New York Times. New York 10. Oktober 1952 (nicht eingesehen, Online).
  10. Zitat: „Zu den CIA Operation die General Truscott abblies, gehörte auch die Unterstützung der Gruppe namens "Bund der Deutschen Jugend". […] Bis 1952 war die Zahl der Mitglieder auf mehr als 20000 gestiegen. Begeistert nahmen sie Waffen, Funkgeräte, Kameras und Gelder der CIA und vergruben es im ganzen Land […] stellten eine Liste von Politikern der Mehrheitsparteien auf […] die umgebracht werden sollten, wenn die Zeit reif war […]“ |Quelle=Gespräch mit Tom Polgor und McMahon mit Tim Weiner Autor von: CIA. Die ganze Geschichte. S. Fischer, Frankfurt a.M. 2008 (Originaltitel: Legacy of ashes, übersetzt von Elke Enderwitz), ISBN 978-3-10-091070-7, S. 106.

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