Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde

Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde

Der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. (BLL) ist ein Spitzenverband der Lebensmittelwirtschaft.
Von der Landwirtschaft über die Verarbeitung bis hin zum Handel und zu Angehörigen beratender Berufe sind zahlreiche Wirtschaftsbereiche, die sich mit Lebensmitteln beschäftigen, über Verbände oder direkte Mitgliedschaften im BLL vertreten.

Inhaltsverzeichnis

Profil

Zu den BLL-Mitgliedern zählen rund 90 Verbände, ca. 300 Unternehmen und ca. 100 Einzelmitglieder. Sie kommen aus den Bereichen Landwirtschaft, Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie, Lebensmittelhandel, Zulieferbereiche, Verpackungsindustrie, Chemische Industrie, private Untersuchungslaboratorien, Anwaltskanzleien und Verlage. Die Mitglieder der Verbände eingerechnet, vertritt der BLL rund 500.000 Unternehmen mit etwa 330 Milliarden Euro Jahresumsatz. [1] Die Finanzierung erfolgt durch die Mitglieder aus der Lebensmittelindustrie, es werden jedoch keine Zahlen bekanntgegeben. Die Mitarbeiter werden auf der Homepage vorgestellt [2]

In den BLL-Büros in Berlin und Brüssel arbeiten Juristen und Naturwissenschaftler interdisziplinär zusammen. Dadurch ist der BLL in der Lage, den vielschichtigen Fragestellungen rund um Lebensmittel umfassend zu begegnen. Um auf dem jeweils neuesten Stand der Entwicklung zu sein, verfügt der BLL über zahlreiche Informationskanäle auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene und steht in ständigem aktiven Austausch mit der Politik, mit Behörden, wissenschaftlichen Instituten, Unternehmen und Verbänden. Außerdem steht ein wissenschaftlicher Beirat dem BLL als beratendes Gremium zur Seite.

Sein Aufgabengebiet umfasst die Entwicklung des europäischen, deutschen und internationalen Lebensmittelrechts sowie die aktive Begleitung der einschlägigen naturwissenschaftlichen Disziplinen. Hinter den abstrakten Begriffen "Lebensmittelrecht" und "Lebensmittelkunde" verbirgt sich eine Vielzahl von Themenfeldern, mit denen sich der BLL in seiner Arbeit beschäftigt. Lebensmittelhygiene, Kennzeichnung, nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben, Zusatzstoffe, Gentechnik, Qualitätssicherung, Nahrungsergänzungsmittel oder Öko-Lebensmittel sind nur ein kleiner Auszug aus dem Spektrum.

Mitglieder des Verbandes arbeiten regelmäßig an der Fortentwicklung des Deutschen Lebensmittelbuches mit dessen Vorschriften eine entscheidende Grundlage für die operative Tätigkeit der meisten Verbandsmittglieder darstellen.[3]. Dieses

Ein weiterer Schwerpunkt des BLL ist die regelmäßige Kommunikation mit Politik, Verwaltung, Wissenschaft, Verbraucherorganisationen und Medien im Sinne eines interessengeleiteten Lobbying.

Kontroverse

Der Verband steht seit langem in einer Kontroverse um die Einschätzung der Legitimität seiner Aktivitäten. Hierbei stehen sich in der Regel Kritik an der Transparenz und klaren Interessenvertretung in seinem Handeln einerseits und die Beurteilung seiner wirtschaftspolitischen Bedeutung und wissenschaftlichen Seriosität andererseits gegenüber.

Skeptische Positionen

Verbraucherverbände wie foodwatch werfen dem BLL vor, als "unsichtbare Lebensmittel Loge" Stimmung für Gentechnik zu machen und die Gesetzgebung beispielsweise beim Verbraucherinformationsgesetz massiv zu beeinflussen. Greenpeace bekam zum Thema Gentechnik ein brisantes Papier zugespielt, das die Beteiligung des BLL an Pro-Gentechnik-Kampagnen zeigt. [4], [5]

Das kritische Fernsehmagazin Kontraste zeigte in einer Sendung vom 15. Januar 2004 die Einflussnahme des BLL auf die Gesetzgebung:

„Die Verbraucherschutzkommission in Brüssel hat gerade mit einem Gesetzesentwurf versucht, Kinder-Werbung einzuschränken.
Thomas Isenberg, Verbraucherzentrale Bundesverband:
"Die ersten Entwürfe der Europäischen Kommission hatten einen entsprechenden Passus, der eine Werbung, die an Kinder gerichtet ist, bezüglich dieser Gesundheitsauslobung verboten hätte. Das war nicht mehrheitsfähig. Auf Druck der Lobbyinteressen. So dass es in dem jetzigen Entwurf nicht mehr vorhanden ist." Der Verband der Lebensmittelhersteller gibt seine Einflussnahme in Brüssel offen zu.
Prof. Matthias Horst, Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde:
"Wir sind zu den Vorentwürfen natürlich gefragt worden im Rahmen unseres europäischen Verbandes und da haben wir dagegen argumentiert. Klar."
Frage:
"Mit Erfolg?"
Prof. Matthias Horst, Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde:
"Mit Erfolg." [6]

Die Lebensmittelchemiker Udo Pollmer und Eva Kapfelsperger schrieben über den BLL:

„Die Interessen der Lebensmittelindustrie gegenüber dem Gesetzgeber nimmt der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) wahr. Unter dem Motto »Recht korrigieren und interpretieren« lobt das Fachblatt »Ernährungswirtschaft«: Der BLL »in Bonn spielt eine in der Öffentlichkeit wenig auffällige, für den Verbraucher kaum wahrnehmbare, von der Lebensmittelindustrie dankbar anerkannte ... Rolle«. Er »begleitet jede auch nur in Ansätzen erkennbare gesetzgeberische Initiative mit ... Argwohn« und »wirkt auf die Gesetzgebung ein und korrigiert, wo es nötig ist ...«. So erfreulich diese Tätigkeit für die Ernährungsindustrie ist, so steht ihr kein gleichmächtiger Partner gegenüber, der einer Gesetzgebung im Stile des BLL Paroli bieten könnte. [7]

Herbert Schäfer schrieb über den BLL:

„Am Beispiel der "Attacke seitens des BLL auf eine vorschnelle bundeseinheitliche Hygieneverordnung" wird belegt, mit welchem Engagement zugunsten der Wirtschaft die Vereinigung "politischem und juristischem Gesetzeseifer" entgegentrete - nicht selten mit Erfolg. So habe der BLL seinerzeit vorgeschlagen, "den Entwurf einer Hygieneverordnung so lange zurückzustellen, bis eine materielle Zusammenstellung des Inhalts erfolgt sei. Dieses Angebot wurde auch von der Regierung angenommen." Eine der wichtigsten Aufgaben des BLL: "Abwehr von Verängstigungskampagnen, auch durch manche Medien." Nicht zu vergessen die Ausstellung von Persilscheinen für die Firmen "wann immer ein Unternehmen seine Unterstützung benötigt, sei es durch eine Unbedenklichkeitsbestätigung zugunsten eines Produktes, durch wissenschaftlich begründete Argumente gegen eine Kampagne oder durch gezielte oder allgemeine Imagepflege für die gesundheitlich unbedenkliche und hohe Qualität des Angebots der deutschen Ernährungsindustrie". Führende Köpfe der Organisation wirken am regierungsamtlichen Ernährungsbericht mit, den die Bundesregierung alle vier Jahre vorlegt, wodurch wiederum der starke Einfluss der Ernährungswirtschaft auf die Bonner Gesundheitspolitik deutlich wird. Dazu die Zeitschrift natur (2/85): "Sehr stark, wenn nicht entscheidend beeinflusst wurde der Ernährungsbericht durch eine siebenköpfige Seilschaft des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde, der die bundesdeutsche Nahrungsmittelindustrie [...] vertritt [...]. Da kann man nur noch sagen: Es ist ungesund sich solchen Ernährungsfilz wie den Ernährungsbericht 1984 zu Gemüte zu führen." Die Einschätzung der Grünen im Bundestag zum Ernährungsbericht '88: "Auch nach diesem Ernährungsbericht ist weder eine fortschrittliche, von Industrieinteressen unabhängige Informationspolitik zu erwarten noch effektive Verbesserungen im Bereich gesetzlicher Schutz." Die Grünen sehen einen Grund in der personellen Verflechtung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) und den Autoren des Ernährungsberichtes mit dem BLL, "der Lobby der Ernährungsindustrie". [8]

Unterstützende Positionen

Der ehemalige Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und Professor für Physiologie, Physiologische Ernährung und Ernährungsphysiologie an der Universität Kiel Helmut Erbersdobler schreibt in der Ernährungs-Umschau:

„Der BLL galt und gilt als der wissenschaftlich ausgerichtete Dachverband der Lebensmittelwirtschaft in Deutschland – selbstverständlich Partei ergreifend, aber immer seriös. Seine Hauptaufgabe ist es, Kontakte zur Politik herzustellen, zu pflegen und bei der Entwicklung des Lebensmittelrechts die Interessen der Wirtschaft konstruktiv einzubringen. [...] Als Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des BLL seit über 30Jahren konnte ich immer feststellen, dass es möglich ist, eigene, auch konträre Ansichten zu vertreten und damit im Diskurs zur Entwicklung der Lebensmittelbranche beizutragen. [9]

Quellen

  1. http://www.bmelv.de/nn_749110/DE/12-Presse/Reden/2006/04-27-Seehofer__Lebensmittelrecht.html__nnn=true
  2. http://www.bll.de/bll/organigramm/geschaeftsstelle.html
  3. vgl. Z.B. Peter Mühlbauer: Geheimsache Fruchtkremfüllung. Telepolis, 10. März 2010
  4. http://www.heise.de/tp/r4/artikel/15/15902/1.html
  5. http://www.nadir.org/nadir/aktuell/2003/10/26/18444.html
  6. http://www.rbb-online.de/_/kontraste/beitrag_jsp/key=rbb_beitrag_1137121.html
  7. Eva Kapfelsperger; Udo Pollmer: Iß und stirb, Chemie in unserer Nahrung. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1992, ISBN 3-462-02187-7. Seite 265
  8. Herbert Schäfer: Tatort Lebensmittelmarkt, Wie auf dem Nahrungssektor gelogen und betrogen wird. Orac, Wien 1993, ISBN 3-7015-0268-4. Seite 32f.
  9. http://www.ernaehrungs-umschau.de/archiv/editorial/?id=2073

Weblinks


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