11. Plenum des ZK der SED

11. Plenum des ZK der SED

Das 11. Plenum des ZK der SED (16. bis 18. Dezember 1965) bedeutete eine Zäsur in der Entwicklung der DDR. Der ursprünglich als Wirtschaftsplenum (Beschluss der zweiten Etappe des „Neuen ökonomischen Systems der Planung und Leitung“, NöSPL) konzipierte Gipfel entwickelt sich zu einer „Kahlschlag-Diskussion“ der Jugend- und Kulturpolitik. Eingeleitet wurde dies schon auf dem 9. ZK-Plenum von Walter Ulbricht.

Im Mittelpunkt der Anklage stehen die Künstler der DDR, aber auch das „Versagen“ der Kontrollgremien wird angeprangert. Als Wortführer entpuppt sich Erich Honecker, der den Kreativen u. a. „Nihilismus“, „Skeptizismus“ und „Pornographie“ vorwirft. Das Plenum hat einschneidende Wirkungen auf die Kulturszene: Es werden zahlreiche Filme, Theaterstücke, Bücher und Musikgruppen verboten. U.a.: Das Kaninchen bin ich von Kurt Maetzig, Denk bloß nicht, ich heule von Frank Vogel, Der Bau von Heiner Müller, oder auch Stefan Heyms Der Tag X. Als bekanntestes Beispiel gilt sicherlich Frank Beyers Spur der Steine. Die mit Aufführungsverbot belegten Filme wurden inoffiziell als Kellerfilme bezeichnet, da sie allesamt im Archiv verschwanden.

Von den anwesenden Schriftstellern meldeten sich fünf zu Wort: Wolfgang Joho, Anna Seghers, Kurt Barthel, Helmut Baierl und Christa Wolf. Sie übte Kritik an der Kulturabteilung, indem sie sagte, dass nicht die Literatur an der Unmoral der Jugend Schuld wäre, sondern "eine Leere, in die unsere mangelnde geistige offensive Anziehungskraft Teile der Jugend geführt hat, durch die Hohlräume entstanden sind, in die jetzt selbstverständlich fremde, feindliche Ideologien eindringen." Sie kritisierte den vorherrschenden Ökonomismus, weil er keine anderen Ziele als Wohlstand propagierte. Außerdem plädierte sie für ein Dialog zwischen Ost und West. Das Plenum beendete eine kurze Phase der Liberalisierung nach dem VI. Parteitag der SED 1963. Das Umschwenken der DDR-Führung ist in einem engen Zusammenhang mit dem Machtwechsel in der Sowjetunion zu sehen (Leonid Iljitsch Breschnew).

Inhaltsverzeichnis

Stimmen zum Plenum

Erich Honecker:

„Unsere DDR ist ein sauberer Staat. In ihr gibt es unverrückbare Maßstäbe der Ethik und Moral, für Anstand und gute Sitte.“

Brigitte Reimann:

„Heute war die Rede Honeckers auf dem ZK-Plenum abgedruckt. Die Katze ist aus dem Sack: die Schriftsteller sind schuld an der sittlichen Verrohung der Jugend. Destruktive Kunstwerke, brutale Darstellungen, westlicher Einfluß, Sexualorgien, weiß der Teufel was - und natürlich die böse Lust am Zweifeln. Die Schriftsteller stehen meckernd abseits, während unsere braven Werktätigen den Sozialismus aufbauen. […]“[1]

Klaus Wischnewski, Chefdramaturg der DEFA:

„Mit so einem Plenum hat natürlich kein Mensch gerechnet. Man wußte aber schon kurze Zeit hinterher, dass hier der Esel gemeint war und der Sack gehauen wurde, also dass da Stellvertreterkriege geführt wurden. Es wurde ganz bewusst eine ideologische Schlammschlacht herbeigeführt.“

Jochen Mückenberger, Generaldirektor der DEFA:

„Dass es aber so radikal sein und man die halbe Jahresproduktion verbieten würde, das wusste ich zu diesem Zeitpunkt nicht. (…) Die Stimmung uns gegenüber war feindlich, als ob wir nicht dazugehörten. Es war eine Art Spießrutenlauf. (…) Die Meinungsäußerung war einhellig, mit einer einzigen Ausnahme. Christa Wolf versuchte mutig, den Anspruch der Kunst auf Wahrhaftigkeit zu verteidigen. Sie hat mir sehr imponiert.“

Abkürzungen

  • ZK = Zentralkomitee
  • SED = Sozialistische Einheitspartei Deutschlands

Einzelnachweise

  1. Brigitte Reimann, Tagebucheintrag vom 16. Dezember 1965, in: B.R., Alles schmeckt nach Abschied. Tagebücher 1964-1970, Berlin 1998, S.170.

Literatur

  • Werner Mittenzwei: Die Intellektuellen. Literatur und Politik in Ostdeutschland 1945-2000. Berlin, 2003.
  • Bericht des Politbüros an die 11. Tagung des Zentralkomitees der SED. Berichterstatter: Erich Honecker. Berlin, 1966.
  • Günter Agde (Hg.), Kahlschlag. Das 11. Plenum des ZK der SED. Studien und Dokumente. Berlin, 1991.
  • Ingrid Poss, Peter Warnecke [Hrsg.]: Spur der Filme, Zeitzeugen über die DEFA. Berlin, 2006.
  • Magenau, Jörg: Christa Wolf - Eine Biographie. 2. Aufl. Berlin: Kindler, 2002.

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