Kellerfilm

Kellerfilm

Kellerfilme oder Regalfilme, nach Kurt Maetzigs Das Kaninchen bin ich auch schmähend als Kaninchenfilme bezeichnet, waren im inoffiziellen Sprachgebrauch die Filme, die in der DDR produziert wurden und nach ihrer Fertigstellung durch staatliche Zensur keine Aufführungsfreigabe erhielten.[1] Ihren Namen erhielten sie aufgrund der Tatsache, dass sie im Staatlichen Filmarchiv der DDR gelagert wurden und auch Filmwissenschaftlern nicht zugänglich waren. Ein Großteil der Kellerfilme stammt aus den Jahren 1965 und 1966, als viele Kulturschaffende auf Liberalisierung hofften. Sie werden, da im Anschluss an XI. Plenum des ZK der SED verboten, auch als Plenumsfilme bezeichnet. Als populärster Kellerfilm gilt Frank Beyers Spur der Steine.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Als Mitte der 1960er-Jahre in der DDR die Hoffnung auf einen Liberalisierungsprozess aufkam, ging eine Reihe von Spielfilmen in Produktion, die sich kritisch mit dem DDR-Alltag beschäftigten und sich gegen engstirnige Dogmatik wandten, ohne jedoch die Ideenwelt des Sozialismus zu verlassen. Auf dem 11. Plenum des ZK der SED im Dezember 1965 setzten sich aber ideologische Hardliner durch und die Aufführung der Filme Das Kaninchen bin ich (Kurt Maetzig, 1965), Denk bloß nicht, ich heule (Frank Vogel, 1965) und Der Frühling braucht Zeit (Günter Stahnke, 1965) wurde untersagt. Maetzig hatte ein kritisches Bild eines opportunistischen Richters gezeichnet, Vogel einen gegen seine heuchlerische Umwelt opponierenden Jugendlichen portraitiert und Stahnke inkompetente Leitungsfiguren in der Wirtschaft thematisiert.

In der Folge betrafen weitere Verbote die Filme Karla (Herrmann Zschoche, 1966) über eine couragierte Lehrerin, Berlin um die Ecke (Gerhard Klein, 1965) über das Berliner Arbeitermilieu, die Komödien Wenn du groß bist, lieber Adam (Egon Günther, 1965) und Hände hoch oder ich schieße (Hans-Joachim Kasprzik, 1966) sowie die Ernst-Barlach-Biographie Der verlorene Engel (Ralf Kirsten, 1966). Mit Spur der Steine (Frank Beyer, 1966) hofften die Filmschaffenden, durch Beteiligung des populären Hauptdarstellers Manfred Krug die Zensur überwinden zu können. Der Film wurde kurzfristig aufgeführt, doch nach auf Ulbrichts Anweisung inszenierten Protesten in den Kinos wieder zurückgezogen. Auch der Film Jahrgang 45 (Jürgen Böttcher, 1966) wurde verboten, obwohl er keine politische Aussage machte, sondern im Stil der Nouvelle Vague die Irrwege eines jungen Mannes in Prenzlauer Berg beobachtete.

Manfred Krug (links) und Egon Krenz (rechts) bei der Wiederaufführung von Spur der Steine am 23. November 1989 im Kino International in Berlin

Auch später gab es gelegentlich Aufführungsverbote für Filme in der DDR, so etwa für Heiner Carows Die Russen kommen (1968), für Iris Gusners Die Taube auf dem Dach (1973) und für Rainer Simons Jadup und Boel aus dem Jahr 1981, der allerdings 1988 doch noch in die Kinos kam. Nach der Wende wurden die Kellerfilme aus dem Archiv geholt, teilweise vervollständigt und rekonstruiert und Anfang 1990 in der Akademie der Künste in Ostberlin und anlässlich der Berlinale dem Publikum zugänglich gemacht.

Auch in anderen sozialistischen Ländern gab es vergleichbare Filmzensur. So unterlagen etwa in der Tschechoslowakei viele in der Dubček-Zeit entstandene Filme dem Aufführungsverbot, unter anderem die von Jiří Menzel. Ein Beispiel aus der Sowjetunion ist der 1967 entstandene Film Die Kommissarin von Alexander Askoldow, der erst nach 1988 zu Festival-Ehren kam.

Liste der Kellerfilme

  • 1957: Die Schönste – Regie: Ernesto Remani, nach zahlreichen Endungen 1959 endgültig verboten, Premiere 24. Mai 2002
  • 1960: Sommerwege – Regie: Hans Lucke, Aufführung nach Fertigstellung untersagt, noch keine Aufführung
  • 1961: Das Kleid – Regie: Konrad Petzold, nach der Fertigstellung kurz nach dem Bau der Berliner Mauer verboten, Premiere 9. Februar 1991
  • 1965: Der Frühling braucht Zeit – Regie: Günter Stahnke, am 26. November 1965 angelaufen, verboten, Wiederaufführung am 18. Januar 1990
  • 1965: Fräulein Schmetterling – Regie: Kurt Barthel, im Rohschnitt abgebrochen, als Fragment 2005 rekonstruiert und erstmals im Juni 2005 aufgeführt
  • 1965: Das Kaninchen bin ich – Regie: Kurt Maetzig, nicht zur Uraufführung zugelassen, Erstaufführung 13. Dezember 1989
  • 1965: Denk bloß nicht, ich heule – Regie: Frank Vogel, Testaufführung, Verbot, Premiere 26. April 1990
  • 1965: Hände hoch oder ich schieße – Regie: Hans-Joachim Kasprzik, zunächst zurückgehalten, dann verboten, Premiere 28. Juni 2009
  • 1965: Karla – Regie: Herrmann Zschoche, abgebrochen und verboten, rekonstruiert, Premiere 14. Juni 1990
  • 1965: Wenn du groß bist, lieber Adam – Regie: Egon Günther, vor Fertigstellung verboten, teilweise zerstört, Premiere 18. Oktober 1990
  • 1965: Berlin um die Ecke – Regie: Gerhard Klein, Rohschnittfassung verboten, Premiere 10. November 1987
  • 1966: Jahrgang 45 – Regie: Jürgen Böttcher, Rohschnitt abgebrochen, Verbot, Premiere Februar 1990
  • 1966: Der verlorene Engel – Regie: Ralf Kirsten, verboten, nach Kürzungen am 22. April 1971 in wenigen Kopien zugelassen
  • 1968: Die Russen kommen – Regie: Heiner Carow, nach Fertigstellung verboten, Premiere 3. Dezember 1987
  • 1973: Die Taube auf dem Dach – Regie: Iris Gusner, nach Fertigstellung nicht abgenommen, Farbfassung verschollen, Premiere der Schwarzweiß-Fassung 7. Oktober 1990
  • 1976: Feuer unter Deck – Regie: Herrmann Zschoche, nach Flucht Manfred Krugs in die BRD vor der Premiere verboten, Erstaufführung am 6. Juni 1979 im Fernsehen der DDR, ab 1981 vereinzelt im Kino
  • 1981: Jadup und Boel – Regie: Rainer Simon, mehrfach verändert, 1983 endgültig verboten, Premiere am 12. Mai 1988 und anschließender Kinostart mit wenigen Kopien

Literatur

  • Christiane Mückenberger (Hrsg.): Prädikat: Besonders schädlich. Berlin, 1990.
  • Ralf Schenk (Red.): Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg 1946-1992. Berlin, 1994.
  • Günter Agde (Hrsg.): Kahlschlag: das 11. Plenum des ZK der SED. Berlin, 2000.

Einzelnachweise

  1. Jörg Schweinitz: Kellerfilm/Regalfilm in: Thomas Koebner (Hrsg.): Reclams Sachlexikon des Films. 2. Auflage 2007. Philipp Reclam jun, Stuttgart. ISBN 978-3-15-010625-9. S.341 f.

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