Alternierende Reihe (Euler)

Alternierende Reihe (Euler)

Eulers alternierende Reihen sind ein mathematisches Paradoxon. Sie befassen sich mit divergenten Reihen, die scheinbar konvergent sind. Des Weiteren stellte Leonhard Euler dabei eine Beziehung zwischen den alternierenden Reihen potenzierter natürlicher Zahlen und denen der potenzierten Reziproken natürlicher Zahlen auf. Eine Erklärung des Paradoxons liegt in der Umordnung von Reihen.

Inhaltsverzeichnis

Die Reihe alternierender natürlicher Zahlen

Wenn man die Reihe

Summe von k=0 bis unendlich von (k+1)*(-1)^(k)

betrachtet stellt man fest, dass diese divergiert, da die Partialsummen eine Folge der nach dem Betrag sortierten ganzen Zahlen
(1, -1, 2, -2, 3, -3, …) bilden. Außerdem konvergiert eine Reihe erst dann, wenn mindestens die Folge der Summanden eine Nullfolge darstellt.

Die folgende Umordnung ist daher nicht legitim, da nur das Umordnen absolut konvergenter Reihen keinen Einfluss auf die Reihe selbst hat. In einigen Fällen reicht eine einfache Konvergenz.

Da aber die moderne Analysis und damit auch der Begriff der Konvergenz erst durch Leonhard Euler und Augustin Louis Cauchy praktiziert wurde, ist diese Herleitung ein Abbild dessen, was damals als unerklärbar paradox galt.

Sei nun s=\lim_{n \to \infty} s_n. Dann ist


\begin{array}{rclllll}
4s&=& &(1-2+3-4+\cdots) & +(1-2+3-4+\cdots) & +(1-2+3-4+\cdots) &+(1-2+3-4+\cdots) \\
 &=& &(1-2+3-4+\cdots) & +1+(-2+3-4+5+\cdots) & +1+(-2+3-4+5+\cdots) &-1+(3-4+5-6\cdots) \\
 &=&1+[&(1-2-2+3) & +(-2+3+3-4) & +(3-4-4+5) &+(-4+5+5-6)+\cdots] \\
 &=&1+[&0+0+0+0+\cdots] \\
4s&=&1
\end{array}

und damit gilt

1-2+3-4+...=1/4

Cauchy-Produkt

Eine ebenso paradoxe Gleichung, erzeugt die Grandi-Reihe[1]

en=Σ(−1)^n= 1 − 1 + 1 − 1 + ... (1, 0, 1, 0, 1, 0, ...),

für die bei einer ähnlich eleganten Umordnung \lim_{n \to \infty} e_n=\frac{1}{2} gilt.
Entfernt man sich von der üblichen Definition einer Summe und stellt sich die Frage "Was sollte das Ergebnis dieser sein?", erhält man zwei mögliche Ergebnisse:

(1 − 1) + (1 − 1) + (1 − 1) + … = 0 + 0 + 0 + … = 0 und
1 + (−1 + 1) + (−1 + 1) + (−1 + 1) + … = 1 + 0 + 0 + 0 + … = 1.

Natürlich ist es nach heutigem Verständnis ad absurdum zu führen, wenn man zeigt, dass

S = 1 − 1 + 1 − 1 + …, also
1 − S = 1 − (1 − 1 + 1 − 1 + …) = 1 − 1 + 1 − 1 + … = S ist.
1 − 2 + 3 − 4 + … als Cauchyprodukt von 1 − 1 + 1 − 1 + …

Das Cauchyprodukt der Grandi-Reihe mit sich selbst, erzeugt jedoch überraschend das explizit dargestellte Folgeglied

\begin{array}{rcl}
c_n & = &\displaystyle \sum_{k=0}^n a_k b_{n-k}=\sum_{k=0}^n (-1)^k (-1)^{n-k} \\[1em]
 & = &\displaystyle \sum_{k=0}^n (-1)^n = (-1)^n(n+1)
\end{array}.

Die Reihe über cn ist dann folglich

\sum_{n=0}^\infty(-1)^n(n+1) = 1-2+3-4+\cdots.



Eulers Potenzreihen

In Bemerkungen zu einer schönen Beziehung zwischen echten und reziproken Potenzreihen[2] widmet Leonhard Euler seine ganze Aufmerksamkeit den beiden Reihen

Summe von k=1 bis unendlich von (k+1)^m * (-1)^(k-1) (1)
Summe von k=1 bis unendlich von (1/(k+1))^n * (-1)^(k-1) (2),

wobei m,n \in \N beliebig zu wählen sind.

Die echte Potenzreihe

Euler versucht in seinen Bemerkungen die Reihen nicht als Summen zu betrachten, sondern sie eher einem analytisch identischem Ausdruck gleich zu setzen. Dabei helfen sie bei der Herleitung höherer Potenzen. Dass die Ausdrücke tatsächlich nur bedingt identisch sind, wurde erst später klar.

Er beginnt mit der Relation P_0(x) = \frac1{1+x} = 1-x+x^2-x^3+\cdots =\sum_{k=0}^\infty (-1)^k\cdot x^k(3),
die man problemlos über eine Taylor-Entwicklung um xo=0 oder durch schriftliche Division erhält.
Für x=1 ergibt sich daher die Grandi-Reihe mit ihrem paradoxen Ergebnis.

Er führt des Weiteren folgende rekursive Bildungsvorschrift an, um die höheren Potenzen zu ermitteln

P_{n+1}(x)=\frac{\mathrm d}{\mathrm dx}\left( x\cdot P_n(x)\right), woraus sich

\begin{align}
P_1(x) & = 1-2\cdot x+3\cdot x^2-4\cdot x^3+\cdots & = & \frac1{(1+x)^2}\\
P_2(x) & = 1-2^2\cdot x+3^2\cdot x^2-4^2\cdot x^3+\cdots & = & \frac{1-x}{(1+x)^3}\\
P_3(x) & = 1-2^3\cdot x+3^3\cdot x^2-4^3\cdot x^3+\cdots & = & \frac{1-4x+x^2}{(1+x)^4}\\
P_4(x) & = 1-2^4\cdot x+3^4\cdot x^2-4^4\cdot x^3+\cdots & = & \frac{1-11x+11x^2-x^3}{(1+x)^5}\\
P_5(x) & = 1-2^5\cdot x+3^5\cdot x^2-4^5\cdot x^3+\cdots & = & \frac{1-26x+66x^2-26x^3+x^4}{(1+x)^6}\\
P_6(x) & = 1-2^6\cdot x+3^6\cdot x^2-4^6\cdot x^3+\cdots & = & \frac{1-57x+302x^2-302x^3+57x^4-x^5}{(1+x)^7}\\
\vdots \\
P_m(x) & = 1-2^m\cdot x+3^m\cdot x^2-4^m\cdot x^3+\cdots\\
\end{align}
erschließen lassen.

Für P1(1) ergibt sich dementsprechend die oben angeführte alternierende Reihe der ganzen Zahlen und für Pm(1) die Reihe (1).


Erklärungsversuche

Wie bereits oben erwähnt, ist eine Umordnung mindestens für geeignete konvergente Reihen, höchstens aber für absolut konvergente Reihen zulässig.

Der Hauptgrund liegt jedoch in Gleichung (3). Denn nur für n=\infty wäre eine Gleichheit gegeben, die aber nie erreicht werden kann, da Unendlich unerreichbar ist.

Hinzu kommt, dass man bei einer Entwicklung von \textstyle \frac1{1+x} irgendwann zu einem Abbruch gezwungen wird, sodass immer ein Restterm übrig bleibt, der die Gleichheit stört.

\begin{align}
\frac1{1+x} & = \left( \sum_{k=0}^{n} (-1)^k\cdot x^k \right)+(-1)^{n+1}\cdot \frac{x^{n+1}}{1+x}=\begin{cases}
  1-\frac12, & \text{wenn }n\text{ gerade, }x=1\\
  0+\frac12, & \text{wenn }n\text{ ungerade, }x=1\\
\end{cases}\\
\\
            & \ne \sum_{k=0}^{n} (-1)^k\cdot x^k
\end{align}

Dieses Problem kann man nur umgehen, wenn man \textstyle |x|<1 definiert, da dann für entsprechend kleine Beträge von x oder für entsprechend große n der Restterm gegen Null strebt.

Daher ist es lediglich möglich den Grenzwert \textstyle \lim_{x \to 1} P_m(x) zu betrachten.

Literatur

  • Leonhard Euler; The Euler Archive (Hrsg.): Translation with notes of Euler's paper: Remarks on a beautiful relation between direct as well as reciprocal power series (E 352). Berlin 2006 (Originaltitel: Remarques sur un beau rapport entre les series des puissances tant directes que reciproques, übersetzt von Lucas Willis and Thomas J Osler (en)) (E352.pdf, abgerufen am 4. Dezember 2009).

Einzelnachweise

  1. http://www.jstor.org/pss/2690371
  2. E352.pdf.Paper von Leonhard Euler aus dem Jahre 1768. Abgerufen am 4. Dezember 2009

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