Thrombelastometrie

Thrombelastometrie

Die Thrombelastographie bzw. Thromb(o)elastometrie ist ein diagnostisches (viskoelastisches) Verfahren, mit dem Gerinnungseigenschaften (Hämostase) von Vollblut untersucht werden können. Im Gegensatz zu den herkömmlichen Gerinnungsanalysen (Quick, aPTT) können auch die Festigkeit des Blutgerinnsels, dessen Auflösung und verschiedene spezielle Fragestellungen erfasst werden.

Inhaltsverzeichnis

Entwicklung

1948 wurde von Hartert in Heidelberg das Prinzip der Thrombelastographie beschrieben.[1] Aufgrund der aufwändigen Handhabung und der Erschütterungsempfindlichkeit dieser „klassischen Thromboelastographie“ konnte es sich kaum im klinischen Alltag durchsetzen, fand jedoch im amerikanischen Raum eine gewisse Verbreitung (TEG®, Haemoscope, USA). Anfang der 1990er Jahre wurde das Prinzip der Rotations-Elastographie (ROTEG) weiterentwickelt, das im Wesentlichen erschütterungsunempfindlich und damit Point-of-Care-fähig ist.[2] Aus namensrechtlichen Gründen erfolgte später eine Umbenennung in Rotationsthromboelastometrie (ROTEM®, Tem Innovations GmbH, München).[3]

Verfahren

Bei der klassischen Thrombelastographie bildet sich an einem Stempel, der in ein in Längsrichtung schwenkendes Probengefäß mit der Blutprobe ragt, das Blutgerinnsel. Mit zunehmender Gerinnung wird die Bewegung auf den Stempel übertragen, was als Kurve über die Zeit dargestellt werden kann. Bei der Rotationsthromboelastometrie dreht sich hingegen der Stempel bei feststehendem Gefäß. Der Messansatz erfolgt mit Zitratblut, die Gerinnung wird durch den Zusatz von Kalzium und Aktivatoren gestartet.

Es sind verschiedene kommerzielle ROTEM®-Systeme erhältlich, die verschiedene differenzialdiagnostische Aussagen erlauben. Mit INTEM (Kontaktaktivierung) wird bevorzugt der intrinsische Weg, mit EXTEM (Aktivator: Tissue factor) der extrinsische Weg der Blutgerinnung getestet. HEPTEM kann die Wirkung von Heparin identifizieren (Zusatz von Heparinase). FIBTEM kann den plasmatischen Anteil vom thrombozytären Anteil der Gerinnung unterscheiden (Zusatz von Cytochalasin D). APTEM kann das Vorhandensein einer starken Hyperfibrinolyse aufzeigen (Hemmung derselben durch Aprotinin). Für TEG® existiert ein Heparinase-Test (Heparin-Einfluss) und ein Kaolin-aktivierter Test (intrinsisches System).[3]

Interpretation

Die Clotting time oder Coagulation time (CT, ROTEM) bzw. der r-Wert (TEG) ist die Latenzzeit vom Zeitpunkt der Zugabe des Aktivators bis zum Eintritt der Gerinnselbildung. Sie entspricht dem Quick-Wert (EXTEM) bzw. der aPTT (INTEM). Eine Verlängerung der Clotting time kann durch Gerinnungsstörungen, hauptsächlich durch einen Mangel an Gerinnungsfaktoren oder Heparin verursacht werden (abhängig vom verwendeten Test). Ein Heparineffekt kann durch den Vergleich der Clotting time des INTEM-Tests mit der Clotting time des HEPTEM-Tests festgestellt werden.

Als Clotting formation time (CFT, ROTEM) oder k-Wert wird die Zeit vom Eintritt der Gerinnselbildung bis zum Erreichen einer Amplitude von 20 mm definiert. Dieser Wert liefert einen Hinweis auf die Geschwindigkeit der Gerinnselbildung.

Die Gerinnselfestigkeit wird durch die maximum clot firmness (MCF, ROTEM) bzw. maximum amplitude (TEG) erfasst. Der Lyse-Index (LI) gibt die Abnahme 60 Minuten nach Gerinnselbildung an und zeigt die Fibrinolyse an. Beträgt er <85 %, liegt eine Hyperfibrinolyse vor. Bei massiver Hyperfibrinolyse kann die Gerinnung komplett aufgehoben sein, dann kann der APTEM-Ansatz die Gerinnung ermöglichen und von einem Fibrinogen-Mangel unterscheiden.[3]

Anwendungsgebiete

Anwendungsgebiete sind unklare Blutungen im Rahmen von Operationen oder Traumata, Verdacht auf Hyperfibrinolyse, Überwachung von Fibrinogen-Substitution sowie Thrombozytopenien. Eine Verringerung der Bluttherapiekosten durch die Thromboelastometrie in der Kardiochirurgie konnte gezeigt werden, außerdem können Therapieentscheidungen im Schockraum rascher erfolgen.[4]Für die Messung der Hyperfibrinolyse gilt die TEM als Goldstandard, für die kein äquivalenter Laborparameter existiert.[3]

Limitationen

Die Thromboelastometrie findet in einem artifiziellen System statt, das kein exaktes Abbild der physiologischen Gerinnungsverhältnisse darstellt. So bleibt das Strömungsverhalten im Gefäßsystem weitgehend unberücksichtigt. Störungen der primären Hämostase (von-Willebrand-Syndrom), pharmakologische Wirkungen von Acetylsalicylsäure (ASS) und ADP-Antagonisten wie Clopidogrel werden gar nicht, Glykoprotein-IIb/IIIa-Antagonisten bzw. der Morbus Glanzmann nur bedingt erfasst. Der EXTEM-Wert korreliert schlecht mit dem Quickwert. Das Gerinnungsinhibitoren-Potenzial (Antithrombin, Protein C, Protein S) wird ebenfalls nur schlecht erfasst. Kontrollierte Studien, die eine Reduktion der Sterblichkeit zeigen, liegen nicht vor.[3][4]

Literatur

  • Th. Lang, M. von Depka: Diagnostische Möglichkeiten und Grenzen der Thrombelastographie/-metrie. Hämostaseologie 2006;26(Suppl. 1):S20–29. PMID 16953288

Einzelnachweise

  1. Hartert H: Blutgerinnungsstudien mit der Thrombelastographie, einem neuen Untersuchungsverfahren. Klinische Wochenschrift 1948; 26,: 577–583. PMID 18101974
  2. Calatzis A, Calatzis A, Kling M, Stemberger A, Hipp R (1995): Konzept zum „ bedside“ - Gerinnungsmonitoring mittels modifizierter Thrombelastographie. Der Anaesthesist 44(2):437
  3. a b c d e Lang, von Depka 2006
  4. a b Jámbor C, Heindl B, Spannagl M, Rolfes C, Dinges GK, Frietsch T: Hämostaseologisches Management beim Polytrauma – Stellenwert der patientennahen diagnostischen Methoden. Anasthesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther. 2009 Mar;44(3):200-9. PMID 19266421

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