- Schädlicher Gebrauch von nichtabhängigkeitserzeugenden Substanzen
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Klassifikation nach ICD-10 F55.- Schädlicher Gebrauch von nichtabhängigkeitserzeugenden Substanzen F55.0 Antidepressiva F55.1 Laxantien F55.2 Analgetika F55.3 Antazida F55.4 Vitamine F55.5 Steroide und Hormone F55.6 Pflanzen oder Naturheilmittel F55.8 Sonstige Substanzen F55.9 Nicht näher bezeichnete Substanz ICD-10 online (WHO-Version 2011) Unter schädlichem Gebrauch von nichtabhängigkeitserzeugenden Substanzen versteht man jene Einnahme von bestimmten Arzneimitteln, aber auch Vitaminen, pflanzlichen Produkten oder anderen Substanzen, die letztlich zu körperlichen Schäden führt. Oft besteht für die Einnahme dieser Mittel keine medizinische Notwendigkeit bzw. werden die Substanzen häufiger oder in höherer Dosierungen als empfohlen eingenommen. Der Versuch, der Verwendung dieser Substanzen entgegen zu steuern, stößt oft auf den Widerstand des Patienten. Allerdings drohen keine Abhängigkeit (umgangssprachlich: "Sucht") bzw. Entzugssymptome nach Absetzen der Substanzen wie bei der Einnahme psychotroper Substanzen, auch wenn die betreffenden Personen ein starkes Verlangen nach der Substanz haben und teilweise trotz eingetretener Schäden auf eine weitere Einnahme nicht verzichten möchten.[1]
Damit wird auch verständlich, weshalb die umgangssprachlichen Bezeichnungen Medikamentenmissbrauch, bzw. Medikamenten-Abusus oder Medikamentenabhängigkeit in der fachlichen Diskussion nicht mehr verwendet werden sollten: erstens sind einige der hier behandelten Substanzen keine Medikamente (z.B. die Vitamine), zweitens fehlt insgesamt als bedeutender Faktor die Gefahr der Abhängigkeitsentwicklung. Bei den meisten Substanzen kommt das Problemfeld der illegalen Beschaffung nicht zum Tragen (wohl bei einigen Hormonen und Steroiden). Somit sind andere Zugangswege bzgl. Problemerfassung und Problembehandlung notwendig und teils möglich. Mit dem Verzicht auf die Bezeichnungen "Missbrauch" (bzw. "Abusus") werden negative Konnotationen vermieden und die unterschiedlichen Motivationen der Konsumenten gänzlich außer Acht gelassen; mögliche (tatsächlich oder vermeintlich erzielte) Gewinne für den Konsumenten werden nicht berücksichtigt. Das Augenmerk wird ausschließlich auf die medizinisch letztendlich schädlichen Folgen des Gebrauchs gelegt.
Unter diese Klassifizierung fallen definitionsgemäß keine Schädigungen durch Substanzen, die eine Person verordnungsgemäß eingenommen hat, siehe: Nebenwirkung, Behandlungsfehler.
Inhaltsverzeichnis
Wirkstoffklassen
Den größten Teil der problematisch eingenommenen Medikamente machen bestimmte Schmerzmittel aus der Gruppe der peripher wirksamen Analgetika (NSAR wie Diclofenac oder Aspirin, COX-2-Hemmer; Parazetamol) und sogenannte Mischanalgetika, Laxantien (Abführmittel) und Psychopharmaka ohne Abhängigkeitspotential aus.[1]
Abführmittel (Laxantien)
Der bestimmungsgemäße Gebrauch von Laxantien erfolgt bei vorübergehender Einnahme zur Reinigung des Darms vor Röntgenuntersuchungen oder operativen Eingriffen; zur Erreichung eines weichen Stuhls bei Analfissuren und schmerzhaften Hämorrhoiden; nach rektal-analen Eingriffen oder zur Behandlung einer medikamentös (z.B. Opiate bei Karzinomschmerz oder Substitutionsbehandlung einer Opiatabhängigkeit) bedingten Obstipation. Bei alleiniger chronischer Obstipation ist ein Dauergebrauch nicht zu empfehlen.[2] Schon niedere Dosierungen von Laxantien führen vermehrt zu einer Hypokaliämie. Bei chronischer Einnahme höherer Dosen führt diese zu einer (weiteren) Darmlähmung, der weiter gesteigerten Einnahme von Laxantien und damit zu einer schweren Hypokaliämie mit sekundärem Hyperaldosteronismus.
Psychopharmaka
Nach dem Motto: „Allzeit zur Bestform bereit!“[3] werden Substanzen wie Methylphenidat, Modafinil, Fluoxetin bestimmungswidrig zur „Steigerung der Konzentrationsfähigkeit, Leistungs- und Entscheidungsbereitschaft, psychophysischen Aktivität sowie zur Unterdrückung von Müdigkeit und körperlicher Abgeschlagenheit“ eingenommen. Diese Verwendung soll besonders in Manager-, Wissenschaftler- und Sportlerkreisen verbreitet sein, aber auch unter Studenten, speziell in Prüfsituationen.[4]
Schmerzmittel
Weltweit nehmen ungefähr 60 Millionen Menschen frei verkäufliche nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) ein. Es wird geschätzt, dass bei der Hälfte der Personen, die diese Medikamente regelmäßig einnehmen, Erosionen und Ulzerationen in Magen und Zwölffingerdarm entstehen können. Das Risiko für Ulkus-bedingte Blutungen und Perforationen wird auf das Dreifache gesteigert.[5] Bei Einnahme von Indometacin wird das maximale Risiko (bei einem relativen Risiko von 2,25) schon nach 14-tägiger Einnahme erreicht, während andere NSAR (bei geringerem relativem Risiko) das maximale Risiko für Komplikationen nach einer Einnahmedauer von 50 Tagen erreichten.[6]
Bei regelmäßiger Einnahme von frei verkäuflichen Schmerzmitteln (an mehr als der Hälfte aller Tage eines Monats) kann es schon nach wenigen Wochen, meist aber erst nach Jahren (im Mittel nach 4,7 Jahren) zu einem medikamenteninduzierten Dauerkopfschmerz kommen. Bei Triptanen verkürzt sich diese Zeit auf 1,7 Jahre.[7]
Weblinks
Siehe auch
Literaturhinweise
- ↑ a b ICD-10 Klassifizierung der psychischen und Verhaltensstörungen
- ↑ Abführmittel. Pharmainformation, Jahrgang 12, Nummer 3, Innsbruck, September 1997
- ↑ F.A.Z.-Serie: Gehirntraining - Ein Wettrüsten, das unser Denken bedroht
- ↑ http://www.dak.de/content/filesopen/Gesundheitsreport_2009.pdf
- ↑ Janis Kelly. NSAID gastric damage: treatment time is more important than specific drugs. Medscape, 25 Juni 2004
- ↑ F Richy: Time dependent risk of gastrointestinal complications induced by non-steroidal anti-inflammatory drug use: a consensus statement using a meta-analytic approach. Ann Rheum Dis 2004;63:759-766 doi:10.1136/ard.2003.015925
- ↑ Medikamente – schädlicher Gebrauch und Abhängigkeit. Leitfaden für die ärztliche Praxis. Herausgegeben von der Bundesärztekammer in Zusammenarbeit mit der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft; 2007
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