Barytherium

Barytherium
Barytherium
Zeitraum
Spätes Eozän bis frühes Oligozän
37 bis 33 Mio. Jahre
Fundorte
Systematik
Säugetiere (Mammalia)
Höhere Säugetiere (Eutheria)
Afrotheria
Rüsseltiere (Proboscidea)
Barytherium
Wissenschaftlicher Name
Barytherium
Andrews, 1901
Art
  • Barytherium grave

Die Gattung Barytherium ist ein ausgestorbener Vertreter der Rüsseltiere und lebte im späten Eozän und frühen Oligozän vor rund 37 bis 33 Millionen Jahren. Sie war hauptsächlich auf das nördliche Afrika und die Arabische Halbinsel beschränkt. Vertreter dieser Gattung zeichneten sich durch das Vorhandensein von insgesamt acht Stoßzähnen aus. Die Bezeichnung Barytherium setzt sich aus den griechischen Wörtern βάρος (báros, Schwere oder Gewicht) und θηρίον (thērion, Tier) zusammen und bezieht sich auf die bisher erstmals in der Rüsseltierevolution nachweisliche deutliche Größen- und Gewichtszunahme der Tiere.

Inhaltsverzeichnis

Merkmale

Barytherium ist ein relativ großes Rüsseltier. Es erreichte eine Schulterhöhe von 2,5 bis 3 m und wog schätzungsweise 3 bis 4 t. Damit war es deutlich größer als das stammesgeschichtlich ältere, nur tapirgroße Moeritherium. Allgemein zeichnet es sich durch einen elefantenartigen Körperbau und säulenförmigen Gliedmaßen aus. Der Oberschenkel (Femur) zeigte aber seitliche Abflachungen. Der Schädel war flach und nur wenig aufgewölbt, wies aber wie alle späteren Rüsseltier auch luftgefüllte Kammern in der Schädeldecke auf, die das Gewicht des gesamten Kopfes deutlich reduzierten. Die Nasenöffnung war groß und seitlich hervorgehoben, was als Ansatzstelle für den Rüssel gedeutet wird. Über Größe und Aussehen des Rüssels ist aber nichts bekannt. [1]

Der Unterkiefer war massiv ausgebildet und wies eine sehr ausgedehnte Symphyse auf, die bis zum ersten Molaren reichte. Das Gebiss zeigte gegenüber dem älteren Moeritherium die Reduktion eines Schneidezahns und des Eckzahns je Kieferast auf und stellte somit schon eine deutliche Weiterentwicklungen dar. Die Zahnformel für ausgewachsene Tiere lautete: \frac{2.0.3.3.}{2.0.3.3.}. Hinter dem zweiten Schneidezahn befand sich ein großes Diastema. Die Backenzähne hatten einen lophodonten Aufbau, wobei die Prämolaren nur singuläre Querleisten besaßen. Die Molaren dagegen waren durch jeweils zwei Leisten charakterisiert und zeigten somit einen typisch bilophodonten Aufbau. [1][2][3]

Am bemerkenswertesten bei Barytherium waren jedoch die Schneidezähne, die zu Stoßzähnen umgebaut wurden. Dabei besaßen die Tiere je Kieferbogen zwei Stoßzähne, insgesamt also acht. Die Stoßzähne des Oberkiefers saßen senkrecht im Kieferknochen. Dabei war der äußere Stoßzahn (I2) wesentlich größer als der innere (I1). Dagegen hatten die Stoßzähne des Unterkiefers eine waagerechte Stellung. Außerdem war hier der innere Stoßzahn (I1) deutlich größer ausgebildet als der äußere (I2). Durch Lage und Form der Stoßzähne entstand eine Art Schere zwischen der Innenfläche des oberen zweiten Schneidezahns und der Außenfläche des unteren ersten Schneidezahns.[1][4]

Paläobiologie

Verbreitet war Barytherium während des Eozän-Oligozän-Übergangs über das heutige Nordafrika und die Arabische Halbinsel, welche damals noch mit dem afrikanischen Kontinent verbunden war. Die Lebensweise von Barytherium war lange Zeit ungeklärt. Isotopenuntersuchungen an Zähnen von neuen Funden aus Ägypten ermöglichten nun eine Rekonstruktion. Barytherium lebte in feuchtheißen Tropischen Regenwäldern an Ufern von Süßwasserseen. Interessanterweise wies der Zahnschmelz einen relativ konstanten Anteil des schweren Sauerstoffisotops 18O auf, der zwar stärker variierte als jener von Meeressäugetieren aber deutlich ausgeglichener war als bei landlebenden Säugetieren. In der Regel hatte er Varianzen heutiger semiaquatischer Landbewohner. Man geht nun davon aus, dass Barytherium einen relativ begrenzten Lebensraum hatte und seltener den Standort wechselte. Wahrscheinlich verbrachte es eine große Zeit des Tages im Wasser der umliegenden Seen und ernährte sich von den dortigen Wasserpflanzen oder ufernahen Phytoplankton.[3]

Fossilfunde

Funde von Barytherium sind relativ selten. Die ersten Funde gelangen Anfang des 20. Jahrhunderts in der Al-Fayyūm-Senke in Ägypten, wo die meisten Funde herstammen. Sie lagern dort in der Birket-Qarun-Formation, der Qasr-el-Sagha-Formation und der Gebel-Qatrani-Formation, welche von Obereozän bis ins Unteroligozän datieren. Die Funde aus El-Fayyum waren fast 60 Jahre lang die einzigen bekannten von Barytherium. Erst in den 1960er und 1970er Jahren kamen in Dor el Talha im Sirte-Becken in Libyen, einem weiteren wichtigen Fundplatz, mehrere, teils vollständige Skelette zum Vorschein. Hier ist es in der Evaporit-Einheit und der Idam-Einheit nachgewiesen. Weitere Funde stammen aus Aidum im Gouvernement Dhofar in Oman.[1][3]

Systematik

Erstmals beschrieben wurde Barytherium anhand von Funden aus Al-Fayyūm von Charles William Andrews 1901.[5] Aufgrund des bilophodonten Aufbaus der hinteren Molaren und des nachweisbaren vertikalen Zahnwechsels gehört die Gattung eindeutig in die Gruppe der urtümlichen Plesielephantiformes, von denen sich die weiter entwickelten höheren Elephantiformes durch eine höhere Anzahl von Schmelzleisten auf den Zähnen und dem horizontalen Zahnwechsel unterscheiden.[6] Innerhalb dieser gehört es zur Familie Barytheriidae.[1] Allerdings zeigt Barytherium mit der Reduktion des äußersten Schneidezahns und des Eckzahns sowie mit dem Auftreten eines große Diastema schon deutliche Weiterentwicklungen gegenüber älteren Rüsseltierformen, wie Numidotherium, Daouitherium oder Moeritherium und steht in einer näheren Verwandtschaft zu den Deinotherien. Es gilt aber nicht als deren unmittelbarer Vorfahre, da diese einen komplexeren Aufbau der Molaren besitzen.[7] Höchstwahrscheinlich formt es zusammen mit dem Ende der 2010er Jahren neu entdeckten Arcanotherium eine Außengruppe der Deinotherien. [4]

Die Stellung von Barytherium innerhalb der Proboscidea war im Laufe der Forschungsgeschichte häufig umstritten. Andrews selbst kreierte das Taxon Barypoda (auch Barytheria), welches er zu den Amblypoda, vermeintlichen frühen Huftieren, stellte, Erst 1906 wies er sie als Familie Barytheriidae den Rüsseltieren zu. Der US-amerikanische Paläontologe und Rüsseltierexperte Henry Fairfield Osborn (1857–1935) gliederte Barytherium wieder aus und stellte sie erneut in das Taxon Barytheria, ebenso wie verschiedene andere Forscher. Heute wird Barytherium als eindeutiges Mitglied der Rüsseltiere angesehen.[1][2]

Barytherium grave ist die von Andrews beschriebene elefantengroße Typusart. Eine möglicherweise zweite Art aus Dor el Talha wurde bisher nur erwähnt. Diese ist wesentlich kleiner als Barytherium grave und erreicht nur eine Schulterhöhe von 1 bis 1,5 m bei 200 kg Körpergewicht. Gefunden wurde sie in den Ablagerungen des Obereozäns.[1] Eine eventuell dritte, ebenfalls noch nicht beschriebene Art wurde Ende der 2010er Jahre in Al-Fayyūm entdeckt und liegt intermediär zwischen der kleinen und der großen Art. Sie stammt aus dem frühesten Obereozän.[3].

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g Jeheskel Shoshani, Robert M. West, Nicholas Court, Robert J. G. Savage und John M. Harris: The earliest proboscideans: general plan, taxonomy, and palaeoecology. In: Jeheskel Shoshani und Pascal Tassy (Hrsg.): The Proboscidea. Evolution and palaeoecology of the Elephants and their relatives. Oxford, New York, Tokyo, 1996, S. 57–75
  2. a b Pascal Tassy: Who is who among the Proboscidea? In: Jeheskel Shoshani und Pascal Tassy (Hrsg.): The Proboscidea. Evolution and palaeoecology of the Elephants and their relatives. Oxford, New York, Tokyo, 1996, S. 40–48
  3. a b c d Alexander G. S. C. Liu, Erik R. Seiffert und Elwyn L. Simons: Stable isotope evidence for an amphibious phase in early proboscidean evolution. PNAS 105, 2008; S. 5786–5791
  4. a b Cyrille Delmer: Reassessment of the generic attribution of Numidotherium savagei and the homologies of lower incisors in proboscideans. Acta Palaeontologica Polonica 54 (4), 2009, S. 561–580
  5. Charles William Andrews: Über das Vorkommen von Proboscidiern in untertertiären Ablagerungen Ägyptens. Tageblatt des V Internationalen Zoologischen Kongresses, Berlin 6, 1901, S. 4–5
  6. Jeheskel Shoshani, W. J. Sanders und Pascal Tassy: Elephants and other Proboscideans: a summary of recent findings and new taxonomic suggestions. In: G. Cavarretta et al. (Eds.): The World of Elephants - International Congress. Consiglio Nazionale delle Ricerche. Rom, 2001, S. 676–679
  7. Emmanuel Gheerbrant, Jean Sudre, Henri Cappetta, Mohamed Iarochène, Mbarek Kamaghzaz und Baâdi Bouya: A new large mammal from the Ypresian of Morocco: Evidence of surprising diversity of early proboscideans. Acta Palaeontologica Polonica 47 (3), 2002, S. 493–506

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