Bernhard A. Böhmer

Bernhard A. Böhmer

Bernhard A. Böhmer, auch Boehmer, laut Taufurkunde: Bernard Aloysius Böhmer (* 10. Juni 1892 in Ahlen; † 3. Mai 1945 in Güstrow) war ein deutscher Bildhauer, Maler, Kunsthändler, Barlach-Freund und -Vertrauter, Mitglied im Kunstdienst der evangelischen Kirche und Retter zahlloser Kunstwerke der von den NS-Behörden zur Vernichtung vorgesehenen "entarteten Kunst".[1]

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Böhmer war der Sohn eines Gerichtssekretärs und wuchs in einer kunstsinnigen Familie auf. Bereits als Zehnjähriger wurde er von einer Berliner Zeitung als "Wunderkind der Malerei" porträtiert.[2] Nach dem Abschluss seiner Schulzeit absolvierte er die Bielefelder Kunstgewerbeschule. Hier begegnete er der Mitschülerin und späteren Bildhauerin Marga Graeber aus Stolberg (Harz), die er 1917 heiratete. Nachdem sie anfänglich in Krefeld und danach in anderen Orten als Bildhauer lebten, ließen sie sich 1924 im mecklenburgischen Güstrow nieder, wo sie ein großes Ufergrundstück mit Landhaus erwarben. Bald begegneten sie Ernst Barlach und nahmen ihn in seinem Haus auf. Dieser wählte nach dem Tode seines bisherigen Freundes und Betreuers Cassirer Böhmer zu seinem neuen Sekretär und übertrug ihm die Vermarktung seiner Werke.

Die schnell zerrüttete Ehe mit Marga Böhmer, die schon seit 1924 vertraut-freundschaftliche Kontakte zu Ernst Barlach gepflegt hatte und später seine Lebensgefährtin war, wurde 1927 geschieden. Aus seiner 1931 geschlossenen zweiten Ehe mit der Rostocker Fabrikantentochter Hella, geb. Otte (1905-1945) ging als einziges Kind der Sohn Peter (Bernhard) Böhmer (1932-2007) hervor. Ostern 1933 bezogen die Böhmers eine Wohnung in Barlachs neuem Atelierhaus. Nach Barlachs Tod 1938 führte er die Geschäfte der Barlachschen Nachlass-Kommission.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten gelang Böhme der Aufstieg zu einem der führenden Kunsthändler im nationalsozialistischen Deutschland. Er pflegte Kontakte in ranghohen Nazis wie Joseph Goebbels, Hans Hinkel und anderen und zählte zu den wenigen "Verwertern" von nationalsozialistischer Beutekunst, insbesondere von Werken der so genannten "entarteten Kunst", die im Auftrag des Joseph Goebbels' Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda beschlagnahmtm worden waren und die Böhmer mit großem (auch persönlichen) Gewinn in Ausland verkaufte oder verschacherte. Eine "Londoner Liste" der zur "Verwertung vorgesehenen Kunstwerke" enthält mit dem Vermerk "B" alle jene Werke, die Böhmer beiseite gebracht und in sein Haus nach Güstrow zwischengelagert hatte.

Seine geschickte Verkaufsstrategie machte Böhmer zum Millionär. Mit den eingenommenen Devisen und seinen exzellenten, oft persönlichen Beziehungen im nationalsozialistischen Kunstbetrieb konnte sich Böhmer auch für beschlagnahmte Arbeiten Barlachs einsetzen, sie aus der Schusslinie bringen und so für die Nachwelt erhalten. Diese Ambivalenz in Böhmers Handeln dokumentiert sich bis heute in sehr weit auseinander gehenden Beurteilungen seines Lebens und Wirkens. Die einen sehen in ihm einen skrupellosen Profiteur des Hitler-Staates, die anderen den Retter zahlreicher Kunstwerke.

Am Abend des 3. Mai 1945, beim Einrücken der sowjetischen Armee, suchte Böhmer mit seiner zweiten Ehefrau Hella den gemeinschaftlich organisierten Freitod, wobei der 12-jährige Sohn nur durch einen Zufall dem Mordversuch durch die Eltern entging. Böhmer und seine Frau fanden auf dem Friedhof Güstrow die letzte Ruhe, wo ihre Gräber bis heute erhalten sind.

Das Atelierhaus in Güstrow von der Sowjetarmee beschlagnahmt. Im Zuge der Auflösung des Güstrower Haushalts gelangten auch unzählige Kunstwerke aus dem Nachlass zu Böhmers Erben in Rostock. Dort wurde der Boehmer-Nachlass durch die Deutsche Zentralstelle für Volksbildung sichergestellt und 1947 Teile davon (34 Gemälde, 9 Plastiken, rund 1000 Grafiken) an das Museum der Stadt Rostock übergeben und in der Folgezeit an die rechtmäßigen Eigentümer verteilt. Im Familienbesitz der Erben verbliebene Reste nahmen ab 1948 über Westberlin den Weg in die Westzonen bzw. ins westliche Ausland.

Die noch immer im Kulturhistorischen Museum Rostock verwahrten 613 Werke aus dem Böhmer-Nachlass (27 Gemälde, 6 Plastiken, 23 Aquarelle, 20 Zeichnungen, 537 Druckgrafiken) bilden heute das umfangreichste Konvolut ehemals beschlagnahmter "entarteter" Kunst in Museumsbesitz.

Schriften

  • Barlach im Gespräch. Mitgeteilt von Friedrich Schult. (Im Auftr. v. Bernhard A. Böhmer gedr.) (Güstrow), (1939), 2. Auflage 1940

Literatur

  • Meike Hoffmann (Hrsg.): Ein Händler "entarteter" Kunst : Bernhard A. Böhmer und sein Nachlass. Akademie-Verlag, Berlin 2010 (Schriften der Forschungsstelle "Entartete Kunst" 3) ISBN 978-3-05-004498-9
  • Hans Prolingheuer: Bernhard A. Boehmer - Barlach-Freund und Retter zahlloser Werke "entarteter Kunst". In: Barlach-Journal 1997–1998, 2000

Einzelnachweise

  1. Hans Prolingheuer: Hitlers fromme Bilderstürmer. Kirche & Kunst unterm Hakenkreuz. Dittrich Verlag Köln 2001, S. 319f., ISBN 3-920862-33-3
  2. Friedrich Droß (Hg.): Barlach - Die Briefe II, 1969

Weblinks


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