Bernhard Fischer-Schweder

Bernhard Fischer-Schweder

Bernhard Fischer-Schweder (* 12. Januar 1904 in Spandau; † 28. November 1960) war SA-Oberführer z.V. und SS-Oberführer. Im Sommer 1941 war er als Polizeidirektor in Memel (Klaipėda) am Massenmord von mehreren tausend Juden in Litauen beteiligt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Fischer-Schweder erreichte nur eine einfache Schulbildung. Im Jahre 1921 war er Mitglied in einem Freikorps und 1923 diente er in der „Schwarzen Reichswehr“.

Fischer-Schweder wurde schon 1925 Mitglied der NSDAP (Träger des Goldenen Ehrenzeichens der Partei) und der SA. Im März 1933 trat er in den Polizeidienst in Berlin-Charlottenburg ein. 1938 erfolgte die Beförderung zum SA-Oberführer in Schlesien.

Er besuchte als Kriminalkommissar einen Fortbildungslehrgang. Nach mehrjähriger Tätigkeit in der Außenstelle Liegnitz der Gestapoleitstelle Breslau wurde er im Oktober 1940 als kommissarischer Polizeidirektor von Memel ernannt.

Im Januar 1941 erfolgte die Einsetzung als Polizeidirektor in Memel (litauisch: Klaipėda). Am 15. August 1941 erfolgte die Übernahme von Fischer-Schweder als Oberführer in die SS. In Memel war er beteiligt an der Aufstellung des ad hoc gebildeten „Einsatzkommandos Tilsit“ (das Teil der Einsatzgruppe A war) und so verantwortlich für den Massenmord an litauischen Zivilisten. Wenige Tage nach dem deutschen Einmarsch in die Sowjetunion im Juni 1941 war er mit seinem Schutzpolizeikommando an einer Massenexekution von Juden in dem Grenzort Gargždai (Garsden) beteiligt.

Massenexekution im Krieg gegen die Sowjetunion: Unternehmen „Düsseldorf“

Am Sonntag, dem 22. Juni 1941, hatte die 61. Infanterie-Division unter Generalleutnant Siegfried Haenicke[1] die Aufgabe, in nordöstlicher Richtung nach Telšiai vorzustoßen. Zu diesem Zwecke sollte die Einnahme des Ortes Garsden im litauischen Grenzgebiet erfolgen. Von den etwa 3.000 Einwohnern dieses Ortes waren 600 bis 700 Juden. Während des Angriffs hatte die deutsche Stoßgruppierung einen Verlust von 100 Mann bei den Infanteristen.

Am Abend des Tages kam SS-Brigadeführer Walter Stahlecker, Führer der Einsatzgruppe A zur Gestapoleitstelle nach Tilsit mit dem Auftrag, einen 25 km breiten Grenzstreifen von Juden und kommunistisch Verdächtigen zu „säubern“. Der Gestapochef von Tilsit, Regierungsrat und SS-Sturmbannführer Hans-Joachim Böhme, wurde angewiesen, sich Verstärkung beim Polizeidirektor von Memel zu holen. Fischer-Schweder, der erst kurz vor der Exekution von der Erschießung von Juden informiert wurde, rief darauf erstaunt aus: „Donnerwetter, das sind ja Konsequenzen, die der Rußlandfeldzug mit sich bringt, an die man zunächst nicht gedacht hat.“[2] In einer Rede vor seinem Schupo-Kommando verteidigte er die Erschießungen mit der nachweislich falschen Begründung, die Gefangenen hätten den deutschen Truppen Widerstand geleistet. An der Garsdener Exekution war Fischer-Schweder maßgeblich beteiligt: Aus eigenem Antrieb stellte er sein Schupokommando nicht, wie ursprünglich verlangt als bloßes Absperrkommando, sondern als Exekutionskommando zur Verfügung, er schlug die offizielle "Erschießungsformel" ("Sie werden wegen Vergehen gegen die Wehrmacht auf Befehl des Führers erschossen") vor und gab selbst Nachschüsse auf die Opfer ab, ohne durch Befehle dazu verpflichtet worden zu sein. Auch an den Exekutionen in Krottingen I (Kretinga) nahm sein Schupokommando unter seinem Befehl teil, wobei seine aktive Mitwirkung diesmal auch das vorherige Überprüfen von litauischen "Kommunisten" und die Erschießung von attackierenden oder flüchtenden Opfern umfasste.

Einsätze von Fischer-Schweder ab Ende 1942

Ab Oktober 1942 wurde er als SS- und Polizeiführer in Charkow eingesetzt. Wegen einer Kasinoschießerei wurde er 1943 disziplinarisch bestraft und zur Waffen-SS in die Leibstandarte Adolf Hitler versetzt. Zuletzt war er ab Januar 1945 Kompanieführer in der 12. SS-Panzer-Division „Hitlerjugend“.

Nach 1945

Nach 1945 nahm er einen falschen Namen an und tauchte unter. Zunächst war er als Handelsvertreter für ein Stuttgarter Staubsaugerunternehmen tätig. Später bemühte er sich, wieder im öffentlichen Dienst Fuß zu fassen. 1955 wurde er Leiter des Flüchtlingslagers Wilhelmsburg bei Ulm. Seine Vergangenheit wurde aber bekannt und er wurde aus dem Dienst entlassen. Als er sich beim Regierungspräsidium Süd erneut um Einstellung bemühte, wurde er abgelehnt. Daraufhin klagte er vor dem Arbeitsgericht auf Wiedereinstellung. Der Fall wurde publik, eine Zeitung titelte mit der Schlagzeile "SS-Obersturmführer klagt auf Wiedereinstellung". Diese Meldung sah ein Mann, der Fischer-Schweder aus Memel kannte. Er schrieb an die Zeitung und berichtete auch von den Erschießungen. Dieses Schreiben gelangte an die Ulmer Staatsanwaltschaft, welche nun für seine Verhaftung und die Einleitung des Verfahrens sorgte[3].

Im Ulmer Einsatzgruppen-Prozess 1958 wurde Fischer-Schweder am 29. August 1958 wegen Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord in 526 Fällen zu 10 Jahren Zuchthaus verurteilt.[4] Vor Gericht wurde festgestellt, dass der Angeklagte Fischer-Schweder nicht auf Befehl, sondern freiwillig aus "angeborenem Geltungsbedürfnis" gehandelt hatte; als Beamter hätte er gemäß § 7 Abs. 2 des Deutschen Beamtengesetzes 1937 eine Anordnung nicht befolgen dürfen, deren Ausführung erkennbar den Strafgesetzen zuwiderlief.[5]

Literatur

  • Helmut Krausnick / Hans-Heinrich Wilhelm: Die Truppe des Weltanschauungskrieges. Stuttgart: DVA, 1981. ISBN 3421019878
  • Jörg Friedrich: Die kalte Amnestie - NS-Täter in der Bundesrepublik. München 1994, ISBN 3492115535
  • C.F. Rüter: Justiz und NS-Verbrechen, Sammlung Deutscher Strafurteile wegen nationalsozialistischer Tötungsverbrechen 1945-1966. Band XV., Amsterdam
  • Heiner Lichtenstein: Himmlers grüne Helfer - Die Schutz- und Ordnungspolizei im "Dritten Reich." Köln 1990, ISBN 3766321005

Anmerkungen

  1. Zu Siegfried Haenicke siehe: Hendrik George Dam und Ralph Giordano: KZ-verbrechen vor deutschen Gerichten: Einsatzkommando Tilsit. Der Prozess zu Ulm, Europäische Verlagsanstalt, 1962, Seite 90
  2. Jörg Friedrich, S. 337.
  3. Willi Böhmer: Sie konnten sich an nichts erinnern, Südwest-Presse 9. Februar 2008
  4. Das Urteil bei C.F. Rüter, Seite 56ff, in Auszügen bei Heiner Lichtenstein, Seite 29ff.
  5. Deutsches Beamtengesetz vom 26. Januar 1937, RGBl. I, S.39

Weblinks


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